Potsdam: Klipp kämpft gegen seine Abwahl: Anruf bei Mitarbeitern am Wochenende
Potsdams suspendierter Baubeigeordneter Matthias Klipp kämpft gegen seine Abwahl. Dabei ist die Faktenlage eindeutig: Klipp soll laut Untersuchungsbericht sein Amt missbraucht haben.
Potsdams suspendierter Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) gibt sich in der Hausbau-Affäre und trotz des Abwahlantrags noch nicht geschlagen. Am Montagabend hat sich Klipp deshalb mit der Potsdamer Grünen-Fraktion in der Kreisgeschäftsstelle der Partei in der Jägerallee getroffen – denn im Rathaus hat er Hausverbot. Klipp hatte auf die Anhörung durch seine Parteikollegen bestanden. Von einzelnen Mitgliedern hieß es später, viel Neues habe die Runde nicht erbracht. Klipp kämpfe gegen seine Abwahl und wolle seine Reputation, auch mit Blick auf seine berufliche Zukunft, verteidigen. Die Vorwürfe gegen ihn in der Hausbau-Affäre sehe er nicht als ausreichend an, als dass dies seine Abberufung rechtfertigen würde, hieß es aus Teilnehmerkreisen.
Vor ein paar Wochen klang das noch ganz anders. Am Tag, nach dem er von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) beurlaubt worden war, hatte sich Klipp reuig gezeigt. Er könne die Reaktion des Oberbürgermeisters verstehen, teilte er den PNN damals mit. Er wolle sich nun in Ruhe die Vorwürfe ansehen, dann dabei helfen, Missverständnisse aufzuklären, soweit das möglich sei, und „persönliche Schuld anerkennen“.
Untersuchungsbericht ist eindeutig
Der interne Untersuchungsbericht des Rathauses zur Hausbau-Affäre ist jedenfalls eindeutig. Daraus geht hervor, dass Klipp sein Amt als Chef der Bauverwaltung missbraucht hat, um den Bau seines Privathauses zu befördern – und im Nachhinein die Vorgänge wider besseren Wissens falsch dargestellt hat. Wörtlich heißt es in der als „vertraulich“ deklarierten Kurzfassung des Untersuchungsberichts, die den PNN vorliegt: „Problematisch bleibt, dass Herr Klipp sowohl in einer beim Landgericht Berlin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung als auch in der Öffentlichkeit unrichtige Behauptungen nicht nur einmalig aufgestellt hat, sondern diese gebetsmühlenartig in Kenntnis deren Unrichtigkeit wiederholt.“
Wie berichtet ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen Klipp wegen des Verdachts auf falsche eidesstattliche Versicherung. In dem Schriftstück vom 23. Juni hatte Klipp erklärt, keinen Einfluss auf die Baugenehmigung und die Befreiung von den Vorgaben des Bebauungsplanes bei der ihm unterstehenden Baubehörde genommen zu haben. Zudem ließ Klipp noch am 9. Juli durch seinen Anwalt in einem Schreiben Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mitteilen: „Meine Mandanten haben zu keinem Zeitpunkt auf die Entscheidungen der Baugenehmigungsbehörde Einfluss genommen oder direkten Kontakt aufgenommen.“
Klipp rief Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeiten an
Im Untersuchungsbericht des Rathauses heißt es aber, dass Klipp einen leitenden Mitarbeiter der Baubehörde „außerhalb der Arbeitszeiten, also auch am Wochenende, angerufen hat, mit der ausdrücklichen Bitte, sich bei der Erteilung der Baugenehmigung zu beeilen, da er die Baufirmen bereits beauftragt hat“. Bereits kurz nachdem Klipp das Baugrundstück gekauft hatte, nahm er laut Untersuchungsbericht „spätestens am 17. Dezember 2013 Kontakt“ zur Baubehörde auf, „um die Genehmigungsfähigkeit abzustimmen“. Weiter heißt es im Bericht: „Es gab intensiven Mail-Kontakt mit der Sachbearbeiterin.“ In einer E-Mail an die Bauverwaltung schrieb er etwa am 24. März 2014, wenige Wochen vor Baubeginn: „Ich hoffe hier auf eine pragmatische Regelung. Bis morgen – ...“ Ganz zu schweigen davon, dass Klipp selbst bis zum Einreichen des Bauantrags bereits die von ihm selbst erstellte Entwurfsplanung mit der Stadtplanungsbehörde abgestimmt hat.
Wie berichtet hatte Klipp sein Haus neun Quadratmeter größer gebaut als der Bebauungsplan erlaubt – statt 160 sind es 169 Quadratmeter. Grundsätzlich war eine Überschreitung zulässig, die Befreiung von den B-Plan-Vorgaben bei geringer Abweichung möglich und gängige Praxis, wie die Obere Bauaufsicht des Landes feststellte. Allerdings war Klipp schon früh darauf hingewiesen worden, dass sein Haus auch bei einer Befreiung nur 164 Quadratmeter hätte groß werden dürfen.
Untersuchungsbericht widerspricht Klipps Darstellung
Bei all den Zahlen trieb Klipp lange Zeit ein Verwirrspiel. Konkret ging es um ein Stück öffentliche Straße: Es sind 37 Quadratmeter, die er miterworben hatte. Die aber durfte er nicht als Bauland bei der Berechnung seiner Hausgröße einbeziehen. Hier kommen wieder Klipps öffentliche Äußerungen und seine eidesstattliche Versicherung ins Spiel. Darin erklärte er, er habe für den im April 2014 begonnenen Bau erst wenige Wochen zuvor, am 3. März, von der Baubehörde erfahren, dass die von ihm miterworbene Teilfläche öffentliches Straßenland sei und dies „bis dato von allen Beteiligten übersehen worden“ war. Auch gegenüber Mitarbeitern des Rathauses erklärte er laut Untersuchungsbericht, wenn er die Fakten zu dem Straßenland „vorher gewusst hätte“, dann hätte er „nicht 169 Quadratmeter beantragt, sondern 164 Quadratmeter. Das hätte auch keinen Unterschied gemacht.“
Der Untersuchungsbericht aber widerspricht Klipps Darstellung deutlich: „Tatsächlich wusste Herr Klipp spätestens seit dem 7. Januar 2014, dass diese Teilfläche öffentlich gewidmet ist. Tatsächlich wusste Herr Klipp seit diesem Zeitpunkt auch, dass er entweder umplanen muss oder aber einen Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des B-Planes stellen muss.“ Als Klipp am besagten 7. Januar 2014 per E-Mail über das Problem mit dem Straßenstück informiert worden war, antwortete er bereits eine Stunde später, ihm sei wichtig, dass die neue Sachlage „nicht zu einer Einschränkung der Bebaubarkeit“ seines Grundstückes führe. Er sei bereits „ganz bewusst an die untere Grenze von 169 Quadratmeter gegangen. Eine weitere Reduzierung möchten wir nicht vornehmen“. Schließlich machte Klipp am 25. März einer Mitarbeiterin der ihm unterstehenden Bauaufsicht klar, was er will. Sollte eine Befreiung von den B-Plan-Vorgaben nötig sein, „so wäre uns daran gelegen, dass unser Antrag auf vorzeitigen Baubeginn für die Erdarbeiten dadurch nicht verzögert wird“.
Abstimmung im November
Die Faktenlage ist so erdrückend, dass Klipp selbst die entscheidenden Klagen gegen den Springer-Verlag zurückgezogen hat und nur noch Detailfragen ausfechtet. Mit seiner eidesstattlichen Versicherung, die nun Ermittlunggegenstand der Staatsanwaltschaft ist, war er zunächst in Berlin erfolgreich gegen Berichte der „Bild“-Zeitung zu seinem Hausbau juristisch vorgegangen. Die Unterlassungsklage zu Überschriften wie „Hat Potsdams Stadt-Bauchef sein Amt missbraucht?“ aber landete im Papierkorb.
Bis Anfang November haben die Stadtverordneten Zeit, sich selbst ein Bild von den Vorwürfen zu machen. Zwei Drittel – also 38 der 57 Stadtparlamentarier – müssen bei der Sitzung am 4. November zustimmen, damit die von Oberbürgermeister Jakobs beantragte Abwahl erfolgreich ist. Die Zustimmung der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen gilt derzeit als sicher – das wären 32 Stimmen. Dazu käme die AfD mit zwei Stadtverordneten. Das Bürgerbündnis mit seinen fünf Stadtverordneten habe sich noch nicht abschließend verständigt, sagte Fraktionschef Wolfhard Kirsch. Ein weiterer Abgeordneter aus der Fraktion sagte, es gebe unterschiedliche Ansichten. Auch die vierköpfige Fraktion Die Andere hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Bei der Linken – immerhin 15 Stadtverordnete – war in der Fraktionssitzung am Montagabend der städtische Rechnungsprüfer Christian Erdmann zu Gast. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte danach, die Genossen würden vor der Abstimmung abschließend entscheiden. Allerdings hatten sich einzelne Fraktionsmitglieder deutlich für eine Abwahl Klipps ausgesprochen.
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