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Teurer Stahl, teurer Beton. Fast 50 Millionen Euro hat die zur Bundesgartenschau 2001 errichtete Buga-Halle gekostet. Seit zehn Jahren wird sie als Biosphäre von der Stadt betrieben – ein Verlustgeschäft. Dennoch will die Stadt das Gebäude als Tropenhalle erhalten, mit einem neuen, attraktiveren Konzept.
© Johanna Bergmann

Zukunft der Biosphäre in Potsdam: Angst vor der Abrissbirne

Was wird aus der unrentablen Biosphäre? Verschiedene Ideen zur Weiternutzung laufen ins Leere, auch ein Abriss ist politisch nicht vermittel- und durchsetzbar. Die Biosphäre soll also offenbar als Tropenhalle erhalten bleiben - mit einem neuen Konzept.

Bornstedter Feld - Eine Schule? Zu teuer. Ein Naturkundemuseum? Fehlanzeige, weil die Kosten zu hoch wären. Ein Jugendclub? Finanziell viel zu aufwendig. Wie man es auch dreht und wendet, die Biosphäre im Volkspark bleibt für die Stadt ein Zuschussgeschäft, ein kostendeckender Betrieb ist nicht möglich. Nach PNN-Recherchen ist das, kurz gefasst, das Ergebnis der abschließenden Untersuchung, die die Pro Potsdam als Betreiberin der defizitären Tropenhalle veranlasst hat.

Alternative Nutzungen wären nicht rentabel

Vergangenen Sommer hatten die Stadtverordneten nach jahrelangem Hin und Her der kommunalen Bauholding einen letzten Prüfauftrag erteilt. Es sollte ermittelt werden, unter welchen Bedingungen sich die zur Bundesgartenschau 2001 mit vielen Fördermillionen errichtete und bis heute hoch alimentierte Halle ökonomischer betreiben lässt – ob durch Integration des Naturkundemuseums, als Bildungs-, Wissenschafts- oder Tourismuseinrichtung, womöglich gar als „überregionaler schulischer Lernort in Kooperation mit dem Land Brandenburg“. Das Ergebnis: Nichts davon wäre auch nur ansatzweise rentabel.

Hinter den Kulissen spielt man im Rathaus und bei der Pro Potsdam bereits die Konsequenzen durch. Denn, und auch das ist ein Ergebnis der Prüfung, die wirtschaftlichste Lösung wäre ein Abriss der Biosphäre. Rund vier Millionen Euro würde es kosten, die Halle zu schleifen. Bei jährlichen Zuschüssen von aktuell zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro hätte sich das schon nach etwas mehr als drei Jahren rentiert. Stattdessen könnte man dort Wohnungen bauen, eine Schule, einen der im Norden dringend benötigten (und versprochenen) Jugendclubs oder einen Bürgertreff für den rasant wachsenden Stadtteil Bornstedter Feld.

Die Biosphäre hat eine starke Lobby

Allerdings, und das ist der Haken an der Sache, gibt es in der Bevölkerung eine starke Lobby für die Biosphäre, deren Ruf als Event-Location selbst in Berlin wesentlich besser ist als es die nackten Zahlen vermuten lassen. Schon vor Jahren, als über einen Abriss zum ersten Mal laut nachgedacht wurde, hatte sich ein Sturm der Entrüstung erhoben, nicht nur von Potsdamern, auch von Architekten, die die Halle als eines der wenigen gelungenen Beispiele modernen Bauens in der Landeshauptstadt priesen.

Deshalb verspürt man in der Stadtverwaltung wenig Lust, sich ein zweites Mal öffentlich die Finger zu verbrennen. Wenn überhaupt, müsste der Vorstoß für einen Abriss aus der Stadtpolitik kommen, entsprechende Gespräche hat es nach PNN-Informationen bereits gegeben. Mit mäßigem Erfolg. Denn auch in der Stadtpolitik weiß man um die öffentliche Brisanz eines solchen Vorstoßes. Er werde „den Teufel tun“, die Schleifung der Biosphäre zu fordern, fasst ein Abgeordneter einer großen Fraktion die Stimmung zusammen. Schon gar nicht, um dort Wohnungen zu bauen, der Preis wäre dann eher der Bau einer der bereits genannten sozialen Einrichtungen.

Dass die Pro Potsdam den finanziellen Klotz am Bein gern loswerden möchte, ist ein offenes Geheimnis. Auch in der Chefetage des Rathauses gibt es gemischte Gefühle: „Aus kaufmännischer Sicht“, sagt ein Verfahrensbeteiligter, „wäre es sicher das Beste, wenn wir die Halle nicht mehr hätten.“

Tropenhalle soll 20 Millionen städtischer Gelder verschlungen haben

Seit zehn Jahren, nachdem der frühere Betreiber, eine Tochter des Flebbe-Kino- Imperiums, in die Insolvenz schlitterte, ist die Stadt für die Biosphäre zuständig. Seit ebenso vielen Jahren werden die Verluste durch jährliche Millionenzuschüsse aufgefangen. 800 000 Euro waren es anfangs, in manchen Jahren stieg die Summe auf mehr als das Doppelte. Der Gesamtbetrag, den der Betonkoloss an städtischen Geld bislang verschlungen hat, dürfte sich um die 20 Millionen Euro bewegen. Davon hätte man locker eine der dringend benötigten neuen Schulen bauen können. Mit schöner Regelmäßigkeit taucht die Biosphäre daher im Schwarzbuch der Steuerzahler auf, in dem der Steuerzahlerbund jährlich die Verschwendung öffentlicher Gelder anprangert.

Hinzu kommen weitere, juristisch bedingte finanzielle Risiken. Drei Verfahren hat die Stadt mit den Erbauern der Biosphäre geführt, nur eines ist bislang beigelegt. Mit den Architekten wurde 2014 ein Vergleich geschlossen, der nach PNN-Informationen fast 200 000 Euro aus dem Stadtsäckel kostete. Wesentlich teurer könnten die anderen beiden Verfahren werden. Mit den Firmen Krupp Stahlbau und Bauunion Potsdam streitet man sich seit elf Jahren um 4,2 Millionen Euro. Die Stadt wirft den Unternehmen vor, bei Dach und Fassade geschlampt zu haben, die Firmen ihrerseits fordern von der Stadt einbehaltene Gelder ein. Zur Sicherheit hat der Kämmerer das Geld seit Jahren als Rücklage auf der hohen Kante. In einem der zwei Verfahren hat man sich zwar bereits verglichen, aber die Einigung hängt vom Ausgang des letzten, noch laufenden Verfahrens ab. Dessen Ausgang ist völlig offen. Die Akte befinde sich zurzeit beim Sachverständigen, sagte Landgerichtssprecherin Sabine Dießelhorst auf Anfrage. „Es ist derzeit nicht absehbar, wann es einen weiteren Termin in dieser Sache geben wird.“

Rathaus wird Stadtverodneten empfehlen, die Biosphäre weiterzubetreiben

Weil aber ein Abriss politisch nicht vermittel- und schon gar nicht durchsetzbar scheint, läuft es auf die zweite, finanziell für die Stadt ungünstigere Lösung hinaus. Das Rathaus wird den Stadtverordneten empfehlen, die Biosphäre weiterzubetreiben, und zwar als Tropenhalle mit neuem, attraktiverem und wirtschaftlicherem Konzept. Zuvor soll sie saniert werden. Für die dafür nötigen mehr als fünf Millionen Euro hofft man auf Landesförderung in Höhe von zwei Millionen Euro. Die Chancen dafür sollen gut stehen – wohl nicht zuletzt deshalb, weil auch das Land kein Interesse daran hat, eine mit viel Fördergeld errichtete und auf Nachhaltigkeit angelegte Buga-Halle geschleift zu sehen, kaum dass die Fördermittelzweckbindung ausgelaufen ist.

Ganz so teuer wie bislang soll das Haus aber nicht mehr werden: Das Rathaus will den Zuschuss bei maximal 1,3 Millionen Euro per anno deckeln.

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