Neuer Stadtteil für 10 000 Potsdamer: Anbaggern in Krampnitz
Die Arbeiten für das neue Wohngebiet im Potsdamer Norden haben begonnen. 2020 sollen die ersten Bewohner nach Krampnitz ziehen. Dabei lauern noch Hindernisse auf dem früheren Kasernengelände.
Potsdam - Auf diesen Moment hat die Stadt seit Jahren hingearbeitet: Seit dem gestrigen Dienstag schaufeln in Krampnitz die Bagger. Der Entwicklungsträger, eine Tochter der städtischen Pro Potsdam, hat mit den Erschließungsarbeiten für den neuen Stadtteil im Potsdamer Norden begonnen. In den nächsten zehn bis 15 Jahren sollen auf dem ehemaligen Kasernengelände Wohnungen für bis zu 10 000 Menschen entstehen - mehr als dreimal so viele wie ursprünglich geplant. Entwicklungsträger-Chef Bernd Nicke sprach von einem „kleinen historischen Moment für uns und die Entwicklung von Krampnitz“.
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der sich für die Pressefotografen ans Steuer eines Baggers setzte, zeigte sich erleichtert und erfreut: „Krampnitz drohte ja zu einer never ending story zu werden“, sagte er. Das Entwicklungsgebiet sei gerade vor dem Hintergrund des anhaltenden Zuzugs in die Landeshauptstadt wichtig, um den entsprechend nötigen Wohnraum für die neuen Potsdamer zu schaffen - „im Grünen, mit optimaler Verkehrsanschließung und bezahlbarem Wohnraum“, betonte der Oberbürgermeister. Insofern sei er dankbar, dass es nun losgehe: „Es ist ein schöner Tag.“
„All-inclusive-Stadtteil“ für Potsdam
Auf mehr als 1,5 Milliarden Euro schätzt Nicke die Gesamtinvestitionssumme für den neuen Stadtteil, der nach dem Vorbild des Bornstedter Feldes entwickelt werden soll. Wohnungen für rund 3000 Menschen sollen dort in sanierten Kasernengebäuden entstehen, der Rest in Neubauten. Erst in der vergangenen Woche war der Sieger im städtebaulichen Wettbewerb erstmals öffentlich vorgestellt worden: Die Berliner Büros Machleidt Städtebau und Stadtplanung und die Sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten stellen sich demnach als Herz des neuen Wohngebiets einen sogenannten Central Park auf einer Fläche von 150 mal 500 Metern vor.
Geplant sind auch ein Stadtteilzentrum mit Bürgerhaus, einer Stadtteilbibliothek, Jugendclub, einer Grund- und einer weiterführenden Schule. Darüber hinaus soll es vier Kitas sowie Flächen für Einzelhandel, Gewerbe und Dienstleistungen, etwa ein Ärztehaus, geben. Von einem „All-inclusive-Stadtteil“ war die Rede. Wie berichtet wollen Stadt und Entwicklungsträger nach weiteren Verhandlungen mit den drei erstplatzierten Büros im Wettbewerb bis zum Jahresende einen Masterplan für Krampnitz vorstellen.
2020 könnten die ersten Bewohner nach Krampnitz ziehen - solange alles nach Plan läuft
Wenn alles nach Plan läuft, sollen die ersten Bewohner Ende 2020 nach Krampnitz ziehen können, erläuterte Nicke am gestrigen Dienstag. Das ehemalige Stabsgebäude unweit des historischen Haupteingangs an der Ostseite der Kaserne an der B2 soll demnach zuerst fertig werden. Es wurde - wie der Großteil der denkmalgeschützten historischen Kasernengebäude - im vergangenen Jahr von der Deutsche Wohnen AG gekauft.
Die Anbindung ans Tramnetz wird indes erst später geschaffen: Nach derzeitigen Planungen sei der Baustart 2023 und die Fertigstellung 2025 vorgesehen, sagte Krampnitz-Chefentwickler Hubert Lakenbrink. Die eine Tramlinie hält Entwicklungsträger-Chef Nicke auch angesichts der deutlich gestiegenen Bewohnerzahl für den neuen Stadtteil für angemessen: „Das kommt ganz auf den Takt und die Größe der Bahnen an“, sagte er den PNN. Die Straßenbahn soll künftig quer durch das Gebiet fahren, sodass die Entfernungen zu den Haltestellen jeweils gering bleiben.
Bei den Baggerarbeiten am Dienstag ging es indes zunächst um die Vorbereitung der Baustellenlogistik. An der Westseite des neuen Entwicklungsgebiets, dort, wo Ketziner Straße und Gellertstraße aufeinandertreffen, wird eine Straße für den Baustellenverkehr eingerichtet. Anfang April sollen die ersten Plattenbauten auf dem Areal abgerissen werden - die entsprechenden Arbeiten seien bereits ausgeschrieben und beauftragt worden. Auch die Bebauungspläne sollen im April ausgelegt werden, erläuterte Nicke.
Große Anzahl von Eidechsenarten sowie Fledermäuse
Bis im Februar oder März 2019 mit dem ersten Spatenstich für die Neubauten in Krampnitz begonnen werden kann, sei noch viel zu tun, sagte der Entwicklungsträger-Chef. So müssten etwa Altlasten beseitigt, Artenschutzmaßnahmen durchgeführt, Bäume gefällt und Leitungen gelegt werden.
Bei den Altlasten handelt es sich um Verunreinigungen im Boden durch das Lösungsmittel Trichlorethen, das in einer Waschanlage für Panzer und Militärfahrzeuge zum Einsatz kam, erklärte Krampnitz-Chefentwickler Lakenbrink. Das betroffene Grundstück unweit des Torhauses werde daher noch über Jahre unbebaut bleiben. Das mit der Chemikalie verunreinigte Wasser soll über einen mehr als zehn Meter tief im Boden eingebrachte Drainage abgepumpt werden, zudem müsse der Boden „ausgasen“. Das alles werde einige Jahre dauern. Der sogenannte Wäschereischaden sei aber „beherrschbar“, sagt Lakenbrink.
Beim Artenschutz seien vor allem die große Anzahl von Eidechsenarten sowie die Fledermäuse auf dem Gelände von Bedeutung. So befände sich im Keller des sogenannten Offiziershotels sowie im Dach des früheren Offizierskasinos eines der bedeutendsten Winterquartiere für Fledermäuse in Brandenburg - und das soll auch so erhalten bleiben, sagte Nicke.
Krampnitz soll auch ein eigenes Blockheizkraftwerk bekommen. Details zum Energiekonzept für den neuen Stadtteil sollen beim nächsten Forum Krampnitz am 17. April in den Räumen der Pro Potsdam vorgestellt werden, kündigte Nicke an.
+++
Hintergrund: Kasernengelände Krampnitz
Das in den 1930er-Jahren errichtete Kasernengelände in Krampnitz wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee genutzt. Das Gelände verfällt seit dem Abzug der sowjetischen Truppen kurz nach der Wende, es war lange im Eigentum des Landes Brandenburg. Etliche Anläufe von Investoren zur Entwicklung scheiterten. Der Verkauf der Flächen zum Sparpreis an die TG Potsdamführte im Jahr 2010 schließlich zur Regierungskrise, als sich herausstellte, dass hinter dem Käufer nicht wie vom Land angenommen ein renommierter Investor, sondern ein undurchsichtiges Firmengeflecht steckte. Die „Krampnitz-Affäre“ war einer der Gründe für den Rücktritt des damaligen Finanzministers Rainer Speer (SPD).
Die Affäre hatte ein langes juristisches Nachspiel, was auch die Planungen der Stadt immer weiter verzögerte. Erst 2017 konnte die Eigentumsfrage geklärt werden, im Februar 2018 wurden die Grundstücksübertragungen vollzogen. Das Entwicklungsgebiet umfasst 143 Hektar. Die historischen Bestandsgebäude sind im vergangenen Jahr an die Deutsche Wohnen AGverkauft worden. Die Stadt hat die Planungen für das Areal immer wieder angepasst: Nun sollen dort in den nächsten zehn bis 15 Jahren Wohnungen für rund 10 000 Menschenentstehen - gut dreimal so viel wie urspünglich vorgesehen.
+++
Lesen Sie weiter:
Kommentar: Es wird Zeit, dass das Wohngebiet in Krampnitz den angespannten Potsdamer Wohnungsmarkt ein wenig entlastet, kommentiert PNN-Redakteurin Jana Haase.