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Bilanz nach der Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Alle sind zufrieden – bis auf die AfD

SPD und Linke liegen vorn, verlieren aber im Vergleich zur letzten Wahl Stimmen. Für die Überraschung des Abends sorgte Die Andere-Kandidat Lutz Boede.

Potsdam - Am Ende war die Erleichterung doch allenthalben groß: Groß bei Mike Schubert, der nicht wirklich sicher sein konnte, dass das langsame Sterben der SPD nicht auch ihn in den Abgrund reißen würde, groß bei den Linken, dass nach den Jahren der Dominanz ihres Potsdam-Patriarchen Hans-Jürgen Scharfenberg auch eine parteilose Frau genug Stimmen für eine Stichwahl sammeln konnte; groß bei der CDU, dass es nicht so schlimm kam wie vor acht Jahren mit Ex-Justizministerin Barbara Richstein und es nun wenigstens für ein achtbares Ergebnis reichte.

Und groß sicher bei allen, die die AfD viel stärker befürchtet hatten, als ihr Kandidat dann am Ende tatsächlich abschnitt. Manche hatten ihm bis zu 18 Prozent zugetraut, am Ende landete er mit 11,1 Prozent auf dem vorletzten Platz, nur Grünen-Kandidatin Janny Armbruster fuhr mit 8,9 Prozent noch weniger Stimmen ein. Tatsächlich fiel die AfD sogar hinter ihr Ergebnis der Bundestagswahl vom vergangenen Herbst zurück. Damals hatte sie 12,8 Prozent geholt.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) freute sich über das „beruhigende“ Ergebnis der AfD. Die Grünen hätten hingegen „erstaunlich schlecht“ abgeschnitten, Trauth hätte er „so vermutet“ und Friederich schwächer eingeschätzt. Das scheidende Stadtoberhaupt lobte den „guten Wahlkampf“ von Lutz Boede, der wohl auch viele grüne und linke Wähler angesprochen habe.

Abschiedsdrink. Noch-OB Jakobs gönnt sich ein Bier zum Wahlabend.
Abschiedsdrink. Noch-OB Jakobs gönnt sich ein Bier zum Wahlabend.
© S. Gabsch/PNN

In nahezu allen Wahlbezirken lag Mike Schubert vorn

Wahlsieger Mike Schubert war mehr als zufrieden - obwohl er gegenüber dem Abschneiden des Amtsinhabers Jann Jakobs vor acht Jahren stark verloren hatte. Mit 32,2 Prozent war der Abstand zur Zweitplatzierten Martina Trauth, die 19,1 Prozent erreichte, doch deutlich größer, als viele im Vorfeld vermutet hatten. In nahezu allen Wahlbezirken lag der SPD-Kandidat vorn, seine stärksten Ergebnisse erreichte er in einzelnen Wahlbezirken im Kirchsteigfeld, Golm, Zentrum Ost und Waldstadt 1, wo er mehr als 40 Prozent der Stimmen holte. Er werde in den nächsten drei Wochen bis zur Stichwahl am 14. Oktober „nicht nachlassen“, kündigte Schubert am Abend an.

Im Regine-Hildebrandt-Haus, der Parteizentrale, wurde der Wahlsieger mit donnerndem Applaus empfangen. „Das ist ein schönes Ergebnis. Nun muss es noch in drei Wochen ein schönes Ergebnis werden“, sagte SPD-Kreischef David Kolesnyk. Schubert habe gezeigt, „dass wir Dinge justieren müssen – aber dass Potsdam eben auch eine schöne Stadt ist. Mike hat auf die richtigen Themen gesetzt.“ Schubert habe gute Ergebnisse in allen Stadtteilen eingefahren. Schubert sagte: „Mit dem Ergebnis haben wir eine gute Chance auf ein sehr gutes Ergebnis bei der Kommunalwahl. Die Menschen trauen uns Lösungen zu.“ Nun müsse man noch für die Stichwahl in drei Wochen mobilisieren.

Wollte mehr: AfD-Kandidat Dennis Hohloch. 
Wollte mehr: AfD-Kandidat Dennis Hohloch. 
© S. Gabsch/PNN

„Diese Kandidatur war ein Experiment"

Auch bei den Linken herrschte Freude, hatten nicht wenige Parteivordere noch bis vor Kurzem mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet. Auch Trauth selbst hatte sich offenbar weniger zugetraut. „Ich bin überrascht und aufgeregt“, sagte sie. Das gilt wohl auch für Scharfenberg. Der frühere Oberbürgermeisterkandidat der Linken und Fraktionschef im Stadtparlament kommentierte Trauths Ergebnis recht lapidar: „Diese Kandidatur war ein Experiment, ich freue mich, dass das funktioniert hat. Wir bleiben in Potsdam in einer rot-roten Traditionslinie.“ Öffentlich erkennbare Unterstützung im Vorfeld der Wahl hatte er freilich vermissen lassen.

Allerdings musste die Linke gegenüber der Oberbürgermeisterwahl 2010 am meisten bluten. Das gilt besonders für die einstigen Hochburgen der Partei in den Plattenbaugebieten. Am Stern etwa hatte Scharfenberg vor acht Jahren noch 51,2 Prozent der Stimmen geholt, fast doppelt so viele wie Trauth. In keinem Wahlbezirk erreichte sie auch nur annähernd die Ergebnisse von einst, das beste fuhr sie mit 35 Prozent im Wahlbezirk Saarmunder Straße in der Waldstadt II ein.

Die CDU dürfte sich ein bisschen mehr erhofft haben, schließlich wächst ihr klassisches Wählerpotenzial in Potsdam durch den Zuzug nicht unbeträchtlich. Enttäuscht wirkte Kandidat Götz Friederich trotzdem nicht. „Wir haben die Roten mal ein bisschen geärgert“, frohlockte er auf der Wahlparty seiner Partei in einem blau ausgeleuchteten Zelt in der Gregor-Mendel-Straße. Seine stärksten Ergebnisse erzielte er erwartungsgemäß in den Vorstädten, wo er – in einem Wahlbezirk in der Berliner Vorstadt – auf bis zu 37,1 Prozent der Stimmen kam.

Am 14. Oktober treten die Oberbürgermeisterkandidaten Mike Schubert (SPD) und Martina Trauth (parteilos, Linke) in der Stichwahl gegeneinander an. 
Am 14. Oktober treten die Oberbürgermeisterkandidaten Mike Schubert (SPD) und Martina Trauth (parteilos, Linke) in der Stichwahl gegeneinander an. 
© S. Gabsch/PNN

Lutz Boede schreibt Geschichte

Als eine der großen Überraschungen dieser Wahl darf das starke Abschneiden des Die Andere-Kandidaten Lutz Boede gelten, der mit 11,4 Prozent Vierter wurde. Noch nie in der Geschichte der linksalternativen Wählergruppe konnte ein Kandidat ein zweistelliges Ergebnis verbuchen, gegenüber 2010, als Benjamin Bauer für Die Andere ins Rennen gegangen war, konnte Boede das Ergebnis fast verdreifachen. In Babelsberg, der Innenstadt und in Potsdam-West erzielte er teilweise mehr als 20 Prozent, sein bestes Ergebnis erreichte er im Wahlbezirk Südliche Innenstadt/Finkenweg mit 38,8 Prozent. „Das ist ein gutes Ergebnis für uns“, sagte Boede den PNN.

Ernüchterung herrschte am Ende beim Kandidaten der AfD, Dennis Hohloch. Gestartet mit Werten von jenseits der 20 Prozent zu Beginn der Auszählung, schrumpfte der blaue Balken zusehends, je weiter der Abend voranschritt, am Ende landete er noch hinter Boede. Dabei hatte sich Hohloch vor der Wahl ein Ergebnis von bis zu 16 Prozent versprochen. Hohloch wirkte entsprechend enttäuscht. Es sei ein „respektables“ Ergebnis, sagte er den PNN. Potsdam sei generell ein schwieriges Pflaster, sagte er, die Stadt „generell eher links orientiert“. Seine stärksten Ergebnisse erreichte er in den Plattenbaugebieten, hauptsächlich den Problemkiezen wie Drewitz oder Schlaatz mit Werten von bis zu 26,8 Prozent. Allerdings war die Wahlbeteiligung dort auch sehr gering.

16 500 Wähler haben nicht Trauth oder Schubert gewählt - wie entscheiden sie sich in der Stichwahl?

Trotz des Stimmenzuwachses für die Grünen gegenüber 2010 blieb die Kandidatin Janny Armbruster unter den Erwartungen. 8,9 Prozent reichten nur für den letzten Platz, dürfen aber wohl als zu wenig in einer Stadt gelten, deren Zuzug auch viele klassische Grünen-Wähler einschließt. Enttäuscht sei sie trotzdem nicht, sagte Armbruster. Es sei das „erwartete Ergebnis“ gewesen, erklärte sie. Sie sei aber froh, dass mit Schubert und Trauth „zwei demokratische Kandidaten“ in der Stichwahl seien.

In dieser Stichwahl wird es nun darauf ankommen, wem die potenziell 16 500 Wähler, die ihre Stimme anderen Kandidaten als Schubert und Trauth gegeben haben, eher zuneigen. Grüne und CDU wollen in dieser Woche noch darüber beraten, ob sie eine konkrete Wahlempfehlung aussprechen. Boede und Hohloch schlossen eine solche für ihre Wähler bereits aus.

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