Wohnen in Potsdam: 32 Millionen Euro für bezahlbare Mieten
Die Pro Potsdam muss 400 Wohnungen sozialverträglich sanieren, doch offenbar kann sich nicht jeder Bewohner die neue Kaltmiete leisten. Nun organisieren sich die Mieter.
Potsdam - Mehr als 400 teils baufällige Wohnungen sanieren und dennoch erschwingliche Mieten anbieten: Um diesen Spagat zu schaffen, will die kommunale Bauholding Pro Potsdam in den kommenden Jahren rund 32 Millionen Euro in vier Quartiere in der Innenstadt, in Babelsberg und in der Templiner Vorstadt investieren. Vom Land zugesagte Städtebaufördermittel, deren Höhe sich an den jeweiligen Bauvorhaben orientiert, sollen das Vorhaben ermöglichen. Das sagte Pro-Potsdam-Chef Jörn-Michael Westphal am Samstagabend – nach einem mehrstündigen Arbeitstreffen mit betroffenen Anwohnern. Dabei ging es darum, wie die anstehenden Sanierungen möglichst sozialverträglich ablaufen könnten. Doch trotz konstruktiver Gespräche wird die Pro Potsdam längst nicht alle Wünsche der Mieter erfüllen.
Konkret geht es um Karrees an der Gutenberg-/Behlertstraße, an der Großbeeren-/Grünstraße und an der Einsteinstraße am Brauhausberg. Für ein viertes Quartier – rund 90 Wohnungen in der sogenannten Heidesiedlung in Babelsberg – ist die Sanierung mit den Mietern schon besprochen und soll bereits am 15. Juli beginnen. Ähnliche Modelle wie dort seien auch für den Brauhausberg und die Grünstraße vorgesehen, erklärte Westphal: Mithilfe von Fördermitteln wird ab 2017 komplex umgebaut, inklusive neuer Grundrisse, Balkone und energetischer Sanierung. Trotz der erheblichen Baukosten – für die 145 Brauhausberg-Wohnungen gelten sogar noch Denkmalschutzauflagen – wolle man für die Anwohner Kaltmietpreise um die 6,50 Euro sicherstellen, nach einem komplexen Modell gestaffelt bis maximal 7,50 Euro. Mieter mit Wohnberechtigungsschein müssten weiterhin nur 5,50 Euro zahlen. Dagegen sollen neue Mieter 9,50 Euro kalt zahlen. Westphal hofft, so könne die Pro Potsdam die Sanierung mit einer „schwarzen Null“ abschließen – ohne Gewinn also.
Längst nicht für jeden sozialverträglich
Ursprünglich sahen die Planungen anders aus: Seit 2010 hatte die Pro Potsdam die vier maroden sogenannten Restitutionssiedlungen, bei denen zuvor noch Rückübertragungsansprüche früherer Eigentümer unklar waren, in ihren Bestand aufgenommen. „Wir hatten eigentlich vor, eine Hälfte zu verkaufen, um die andere Hälfte zu sanieren“, sagte Westphal. Doch als die Verkaufspläne für die Heidesiedlung publik wurden, protestierten die Anwohner: Sie fürchteten den Verkauf der Wohnungen und nach einer Luxussanierung ihre Verdrängung. Die Stadtverordneten schalteteten sich ein – und forderten ein Konzept zur sozialverträglichen Sanierung.
Treffen wie am Samstag – moderiert vom Büro für Bürgerbeteiligung – gehören dazu, damit die Mieter ihre Position erklären können. Dabei zeigte sich, dass die von der Pro Potsdam geplante Sanierung längst nicht für jeden sozialverträglich ist. So berichtete Ute Kamps von der Bürgerinitiative vom Brauhausberg, bei einer Befragung, an der rund zwei Drittel der Mieter teilnahmen, habe etwa die Hälfte angegeben, sich auch die 6,50 Euro Kaltmiete nicht leisten zu können oder zu wollen. Die Struktur der Siedlung sei von Künstlern, Handwerkern und Studenten geprägt, „die bringen viel Kreativität in die Stadt und ziehen dann vielleicht weg“.
Verdoppelung der Miete
Marit Schneehufer aus der 60 Wohnungen umfassenden Grünstraße sagte, selbst die nun ausgehandelten 6,50 Euro – vorher sei von einem Euro mehr die Rede gewesen – würden samt den Zusatzkosten für eine Wohnung für manche eine Verdopplung der Miete bedeuten. „Aber unsere Einkommen erhöhen sich nicht.“ Mehrfach habe sie nach Sanierungen bereits die Wohnung wechseln müssen: „Muss man ein bestimmtes Jahreseinkommen haben, um in Potsdam leben zu dürfen?“ Sie hoffe auf erneute Unterstützung durch die Stadtpolitik, sagte sie.
Zum Großteil noch ungeklärt ist die Zukunft der 130 Behlertstraßen-Wohnungen – denn für diese erhält die Pro Potsdam keine Fördermittel. Westphal sagte, eine Sanierung wie in den anderen Siedlungen werde wegen des maroden Zustand des Karrees – 30 Prozent Leerstand gibt es schon jetzt – wohl so teuer wie ein vergleichbarer Neubau. Nun soll in einem Pilotprojekt der Versuch unternommen werden, mit einer Minimalsanierung von 30 Wohnungen ab dem November und mithilfe von Eigenleistungen der Anwohner die Mieten bei maximal 6,50 Euro zu halten. Unter anderem sollen die Mieter die Außenanlagen selbst gestalten oder die während der Sanierungsarbeiten nötigen Umzüge selbst finanzieren. Doch die Anwohner wollen mehr erreichen – vor allem eine verbindliche Vereinbarung für alle Wohnungen, wie ihr Sprecher Pavel Rutkowski sagte. Zudem solle die Stadtpolitik der Pro Potsdam ein eindeutiges Signal senden, dass diese mögliche unvorhergesehene Sanierungskosten übernimmt – und nicht doch noch Wohnungen an Private verkauft werden.
Neue Initiative "Mieteschön"
Für ihre Forderungen haben die Anwohner der besagten Quartiere inzwischen eine Initiative gegründet: „Mieteschön“. Laut einem Positionspapier wollen sie sich etwa gegen die Verdrängung finanzschwacher Haushalte an die Ränder der Stadt engagieren und fordern die grundsätzliche Einbeziehung der Mieter der städtischen Pro Potsdam in Sanierungs- und Gestaltungsfragen. Die Initiative gehört auch zu den Unterstützern einer geplanten Demonstration gegen steigende Mieten in Potsdam (siehe hier).
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