Kein Speisesaal, fehlendes Personal: 100 Mietern in Potsdamer Seniorenheim gekündigt
Der Betreiber will die Josephinen-Wohnanlage in der Burgstraße schließen und kündigt 100 Bewohnern. Angehörige sind empört, Kritik kommt auch von der Linken.
Potsdam – Wenige Wochen vor Weihnachten sind die Mietverträge der mehr als einhundert Bewohner der Josephinen-Wohnanlage gekündigt worden. Diesen „bedauerlichen Schritt“ bestätigte der Betreiber des Hauses in der Burgstraße, die SGG Soziale Grundbesitzgesellschaft Potsdam mbh, eine Tochter der MK-Kliniken AG aus Hamburg, am Freitag auf PNN-Anfrage. Die Kündigungsfrist für „den größten Teil unserer Mieter“ betrage drei Monate, so die Pressestelle des deutschlandweit aktiven Pflegeheimbetreibers, die einst der schillernde wie auch umstrittene Hamburger Unternehmer Ulrich Marseille gegründet hatte. Man wolle die Mieter aber unterstützen, einen neuen Wohnungs- oder Pflegeplatz zu finden, so das Unternehmen – bekanntlich gilt der Wohnungsmarkt in Potsdam als sehr angespannt.
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Über die Kündigung der Mietverträge „zum nächstzulässigen Zeitpunkt“ waren die teils hoch betagten Senioren am Donnerstag informiert worden. Das seniorengerechte Wohnen in der Anlage werde künftig nicht mehr angeboten, heißt es in Schreiben des Betreibers, die überraschte wie empörte Angehörige an die PNN und an die "Märkische Allgemeine" sendeten, die zuerst berichtet hatte. Als Erklärung führt MK-Geschäftsführer Manfred Dreier-Gehle den seit „geraumer Zeit“ nicht mehr zur Verfügung stehenden Speisesaal der Anlage an – weswegen das Essen derzeit als Notlösung an die Türen geliefert werde. Doch die Sanierung des Saals sei nicht absehbar, auch weil Baumaßnahmen coronabedingt immer wieder hätten verschoben werden müssen, hieß es in dem Brief.
Linken-Fraktionschef Stefan Wollenberg sprach von einem Skandal und Menschenverachtung
Wegen der „nicht absehbaren technischen und kostenseitigen Durchführbarkeit der Bauarbeiten, der damit auf unbestimmte Zeit fortbestehenden Belastung für die Bewohner sowie der auch im Übrigen pandemiebedingt und langfristig ebenfalls qualitativ und kostenseitig nicht nachhaltig gesicherten Betreuung“ der Senioren habe man den Entschluss für das Aus gefasst, schrieb Dreier-Gehle. Er führte allgemein fehlendes Personal als Argument an.
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Allerdings könne man schriftlich Widerpruch einlegen, hieß es. Beim Auszug der Wohnung sollten Angehörige oder Betreuer helfen, empfahl das Unternehmen, das auf seiner Internetseite mit dem Slogan wirbt: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. All seine Sorgen und Nöte sind uns eine Verpflichtung.“
Der Fall sorgt für Verärgerung auch in der Stadtpolitik. Linken-Fraktionschef Stefan Wollenberg sprach von einem Skandal und Menschenverachtung. Die Wohnanlage müsse weiter betrieben werden – am besten aber „nicht mehr in der Hand eines Pflegekonzerns, dem die Rendite offenbar wichtiger ist als die ihm anvertrauten Menschen“.
Allerdings sind der Stadtverwaltung die Hände gebunden, wie Gesundheitsdezernentin Brigitte Meier (SPD) den PNN erklärte. Es handele sich um eine private Wohnform, für die eine gesetzliche Handhabe der Aufsichtsbehörden fehle. Das habe sich schon in der Pandemie als Problem erwiesen. Erst wenn Wohnungslosigkeit droht, würden die regulären Hilfen der Wohnungslosenhilfe greifen, so Meier.
* In einer ersten Version des Textes hieß es, die MK-Kliniken AG habe den Bewohnern gekündigt. Das ist nicht korrekt. Es handelte sich um die SGG Soziale Grundbesitzgesellschaft Potsdam mbh, eine Tochter der MK-Kliniken AG aus Hamburg. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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