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Schwierigkeiten in der Verständigung: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ungarns Premier bei der Pressekonferenz in Budapest.
© Laszlo Balogh/Reuters

Kann eine Demokratie "illiberal" sein?: Zwist zwischen Angela Merkel und Viktor Orban in Budapest

Ungarns Regierungschef Viktor Orban verwirrt die EU-Partner mit seiner Auffassung von Demokratie - und mit seinem russlandfreundlichen Kurs. Immerhin war die Bundeskanzlerin zwei Wochen vor Wladimir Putin in Budapest.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei einem Besuch in Ungarn mehr Verständnis für abweichende Meinungen angemahnt. Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Viktor Orban sagte sie am Montag in Budapest, sie habe „darauf hingewiesen, dass für mich die Wurzeln der Demokratie immer auch liberal sind, nicht alleine“. Sie widersprach damit einer Äußerung von Orban, der im vergangenen Jahr von einer „illiberalen Demokratie“ als Modell für Ungarn gesprochen hatte. Orban verteidigte seine Haltung in der gemeinsamen Pressekonferenz ausdrücklich. „Wir glauben nicht, dass jede Demokratie zwangsläufig liberal ist“, sagte er. Merkel dagegen betonte: „Mit dem Wort ,illiberal‘ kann ich persönlich in Zusammenhang mit Demokratie nichts anfangen.“ Beide Politiker sind Vorsitzende von Parteien, die der gemeinsamen europäischen Parteienfamilie (EVP) angehören.

Hintergrund sind Vorwürfe der ungarischen Opposition und von Nichtregierungsorganisationen, dass der mit Zweidrittelmehrheit regierende Orban etwa die Meinungsfreiheit in Ungarn einschränkt. Außerdem bemüht er sich um größere Nähe zu Russland.

So wird Viktor Orban nach Merkel am 17. Februar den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin empfangen. Die meisten ungarischen Medien spekulieren seit Wochen über die möglichen Zusammenhänge zwischen beiden hochrangigen Begegnungen. Und auch die europäische und internationale Presse vermutet, dass die enge Folge kein Zufall sein könne – Angela Merkel habe sich doch bisher stets geweigert, ihren rechtspopulistischen Amts- und Parteikollegen zu besuchen.

Sicher ist, dass sich die zwei Regierungschefs über die Situation in der Ukraine und über die angespannten Beziehungen zwischen der EU und Russland unterhalten haben. Das Thema Sanktionen wurde ebenfalls angesprochen, wie es in der gemeinsamen Pressekonferenz hieß. Seit mindestens einem Jahr betreibt Orban eine Art Schaukelpolitik zwischen Russland und Europa. Kurz vor seinem Moskaubesuch im Januar 2014 gab er bekannt, dass der staatliche russische Kernenergiekonzern Rosatom das Akw in Paks um zwei neue Reaktoren erweitern wird. Die Kosten von rund zehn Milliarden Euro werden aus einem Kredit gedeckt, den die russische Regierung gewährt.

Der Vertrag, den Orban und Putin vor einem Jahr unterzeichneten, ist bis heute geheim, und der Vorfall löste damals heftige Proteste in Budapest aus. Selbst viele Fidesz-Anhänger und Parteifreunde konnten die plötzliche Pirouette in seiner Russlandpolitik kaum nachvollziehen, denn der Premier galt seit Anfang seiner politischen Karriere als einer der entschlossensten Gegner Russlands. Traditionell war es immer die sozialdemokratische MSZP, die eine gemäßigte Linie in der ungarischen Ostpolitik vertrat – und dafür von den Fidesz-Scharfmachern als „kommunistisch“ gescholten wurde.

Doch Orban blieb stur. Die Zeiten hätten sich geändert, behauptete er in der Grundsatzrede vom Sommer 2014, in der er das Ende der liberalen Demokratie verkündete und unter anderem Russland und China als Vorbilder für Ungarn und Europa vorschlug. Mehr noch: Der Westen wolle die Magyaren in einen neuen kalten Krieg gegen Russland treiben.

Ganz anders hört sich Orbans Rhetorik an, wenn er in Brüssel oder in anderen westeuropäischen Hauptstädten ist. Ungarn sei bereit, gemeinsame Sanktionen gegen Russland mitzutragen, selbst wenn dies den nationalen Interessen eigentlich schade, betont der Premier immer wieder in Brüssel. (mit rtr)

Silviu Mihai

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