Südkorea nach dem Raketentest: Zwischen Mondschein und Militärübung
Südkoreas Präsident Moon Jae In hält trotz Nordkoreas Raketentest an der Bereitschaft zum Dialog fest.
Der Mittwoch hat dem Präsidenten Südkoreas eine halbe Stunde Atempause vom aktuellen politischen Tagesgeschehen genehmigt. Moon Jae In bedankte sich in dieser Zeit in der Bibliothek des Berliner „Grand Hyatt“ bei dem 87 Jahre alten Karl Hauser sowie sechs Angehörigen von deutschen Ärzten und Pflegern, die alle in den 50er Jahren in einem Krankenhaus in Busan Hilfe geleistet hatten. „Es ist für uns wichtig, uns daran zu erinnern, dass Deutschland schon während des Korea-Krieges mit der Entsendung von medizinischen Hilfeleistungen geholfen hat“, sagte Moon. Dann eilte der neue Präsident Südkoreas mit seiner Entourage weiter zum nächsten wichtigen Termin – es soll ja nicht noch einmal Aufbauhilfe wegen eines Krieges in seinem Land nötig werden.
Seit Nordkorea am Dienstag eine Interkontinentalrakete erfolgreich getestet hat, ist die koreanische Halbinsel einem bewaffneten Konflikt wieder ein Stück näher gerückt. Das unterstreicht auch die Reaktion Südkoreas und der USA: Bei einer gemeinsamen Militärübung am Mittwoch feuerten die Bündnispartner Kurzstreckenraketen ins Meer und simulierten einen Angriff auf Nordkorea.
US-Außenminister Rex Tillerson nennt Nordkoreas Raketentest eine „neue Eskalation der Bedrohung“. Das gilt für die USA, die mit Anchorage, Alaska, erstmals in Reichweite der Raketen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un liegen. Noch ist fraglich, ob und wann der nordkoreanische Diktator in der Lage sein wird, diese Raketen mit nuklearen Sprengköpfen zu bestücken. Die größte Bedrohungslage ergibt sich aber für Südkorea, an dessen Grenze der Norden Tausende Geschütze aufgebaut hat. US-Verteidigungsminister Jim Mattis sagte unlängst, wenn diese Waffen benutzt werden würden, hätte das „die schlimmsten Kampfhandlungen im Leben der meisten Menschen zur Folge.“
Doch trotz dieser sehr konkreten Bedrohung sieht Südkoreas Präsident weiterhin eine Chance auf Dialog mit dem Norden. Diesen Politikwechsel hatte er bereits im Wahlkampf angekündigt. „Sonnenscheinpolitik“ nannte sich die Phase zwischen 1998 und 2008, in der Südkorea unter Präsident Kim Dae Jung auf friedliche Lösungen und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Nordkorea setzte. In Anlehnung daran tauften Südkoreas Journalisten Moons aktuelle Annäherungsversuche „Mondscheinpolitik“. Bei einem esuch bei US-Präsident Donald Trump kam er mit diesem überein, die Sanktionen als Reaktion auf Nordkoreas Atomwaffenprogramm weiter anzuwenden, aber auch die Tür für Gespräche „unter den richtigen Umständen“ offen zu lassen. Diese Umstände aber haben sich nun weiter verschlechtert.
Der Raketentest habe keine Keil zwischen Südkorea und den USA getrieben, sagt Moon
Der Nordkorea-Experte Go Myo Hyun hält die „Mondscheinpolitik“ weiterhin für machbar. „Moons Nordkorea-Politik ist kein bedingungsloser Dialog, sondern einer mit Bedingungen“, erklärt der Politik-Experte vom Asan-Institut. „Dialog kann nur dann stattfinden, wenn sich Nordkorea einige Zentimeter an den Tisch annähert.“ Solange das nicht geschehe, sei der Wille zum Dialog nicht tot, sondern verschoben. Andere Experten geben der „Mondscheinpolitik“ keine Chance mehr. „Ich sehe keinerlei Vorzeichen, unter denen Nordkorea bereit wäre, sein Atomprogramm aufzugeben“, sagt der Nordkorea-Experte Daniel Pinkston bei „NK News“, „außer vielleicht wenn die Welt auf Null abrüstet und Nordkorea als letztes folgen darf.“
Moon betonte in Berlin, dass der aktuelle Raketentest keinen Keil zwischen Südkorea und seinen Bündnispartner USA getrieben habe. „Obwohl Nordkorea seine Provokationen weiterhin nicht aufgegeben hat, bleibt die Allianz zwischen Seoul und Washington stark“, zitiert die Nachrichtenagentur Yonhap den südkoreanischen Präsidenten. Moon erklärte, dass er auch während des G-20-Gipfels in Hamburg Anstrengungen unternehmen werde, um einer friedlichen Lösung des Konfliktes durch Dialog näher zu kommen. „Die USA unterstützen Südkoreas führende Rolle in diesem Prozess und seinen Willen zum Dialog“, sagte Moon.
Karl Hauser, der Aufbauhelfer aus den 50er Jahren, dürfte Moons Bemühungen unterstützen. Immerhin glaubt er nicht daran, dass sich die Geschichte Koreas wiederholen kann. „So ein Krieg wird nicht noch einmal passieren“, sagt der 87-Jährige. Moon hört es nicht mehr, er eilt in diesem Moment schon weiter.