Kandahar gefallen: Zweitgrößte Stadt Afghanistans unter Taliban-Kontrolle
Die radikalen Islamisten rücken weiter vor. Um ihren Abzug zu sichern, senden die USA und Großbritannien daher jetzt weitere Streitkräfte nach Afghanistan.
Kandahar, die zweitgrößte Stadt Afghanistans, ist an die militant-islamistischen Taliban gefallen. Die wichtigsten Regierungseinrichtungen von Kandahar im Süden des Landes seien in den Händen der Islamisten, bestätigten zwei Parlamentarier und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.
Zuvor hatten die radikalen Islamisten bereits selbst die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt verkündet. "Kandahar ist vollkommen erobert", erklärte ein Taliban-Sprecher am Freitag im Onlinedienst Twitter. "Die Mudschaheddin haben den Märtyrerplatz in der Stadt erreicht." Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur AFP, die afghanische Armee habe offenbar den Rückzug angetreten. Zahlreiche Soldaten begaben sich demnach zu einer Militäreinrichtung außerhalb der Stadt.
Die Taliban haben seit dem Beginn des Abzugs der USA und der Nato-Verbündeten Anfang Mai zahlreiche Regionen und Städte Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht. Die afghanische Regierung kontrolliert neben Kabul lediglich noch eine Handvoll Gebiete und vielerorts belagerte Städte.
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Am Donnerstag war die drittgrößte afghanische Stadt Herat in die Hände der Islamisten gefallen. Zudem rückten sie weiter auf die Hauptstadt vor und nahmen die 150 Kilometer südwestlich von Kabul gelegene Provinzhauptstadt Ghasni ein. Binnen einer Woche eroberten die Taliban damit mehr als ein Drittel der 34 Provinzhauptstädte in Afghanistan.
Die USA werden rund 3000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten zeitweise nach Afghanistan verlegen, um die Sicherheit am Flughafen Kabul zu verstärken. Es gehe darum, die Reduzierung des US-Botschaftspersonals zu unterstützen, erklärte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Donnerstag. Diese könne auch die Sicherung von Konvois von und zum Flughafen umfassen, sagte er. Die Truppen könnten das Außenministerium auch bei der Evakuierung früherer afghanischer Mitarbeiter des US-Militärs unterstützen.
Die zeitweise Verstärkung sei angesichts des jüngsten Vormarsches der militant-islamistischen Taliban in Teilen Afghanistans eine Vorsichtsmaßnahme, sagte Kirby. Die Verstärkung sei angesichts der sich rasch verschlechternden Sicherheitslage „angemessen“, sagte er.
Das US-Militär will das Land eigentlich bis Ende August verlassen. Zurückbleiben sollen dem Vernehmen nach nur einige Hundert Soldaten - vor allem um die US-Botschaft zu schützen.
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Auch Großbritannien will mehrere Hundert weitere Streitkräfte nach Afghanistan schicken, die bei der Rückführung von Briten aus dem Land helfen sollen. Die 600 zusätzlichen militärischen Kräfte würden in den kommenden Tagen in Kabul ankommen, teilte das britische Verteidigungsministerium am Donnerstagabend mit. Wie auch die Bundesregierung hatte das britische Außenministerium zuvor all seinen Staatsbürgern in Afghanistan empfohlen, sobald wie möglich das Land zu verlassen.
Die Streitkräfte sollten „im Angesicht der zunehmenden Gewalt und der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage“ insbesondere britischen Staatsbürgern und früheren Angestellten des britischen Militärs dabei unterstützen, das Land sicher zu verlassen, sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. Der BBC zufolge befinden sich schätzungsweise noch rund 4000 Briten in Afghanistan. (AFP/dpa)