Transplantationsskandal: Zwei Mediziner unter Tötungsverdacht
Der Transplantationsskandal in Göttingen nimmt neue Ausmaße an, die Manipulation von Transplantationslisten könnte Kranken das Leben gekostet haben. Ermittelt wird nun wegen Korruption und Tötungsdelikten.
Der Skandal um Transplantationen an der Göttinger Universitätsklinik hat neue Dimensionen erreicht. Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt nun gegen zwei Mediziner, die in die Affaire verwickelt sein sollen, wegen Tötungsdelikten. Ein Beschuldigter ist der ehemalige Chef der Abteilung für Transplantationschirurgie. Der 45-jährige Arzt geriet vor Monaten unter Verdacht, einen russischen Patienten bei einer Lebertransplantation bevorzugt zu haben. Dabei soll Geld geflossen sein. In der vergangenen Woche bestätigte die Göttinger Universitätsmedizin – sie hatte sich Ende 2011 von dem Chirurgen getrennt - rund 25 weitere Verdachtsfälle. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb auch wegen Bestechlichkeit.
Bei dem zweiten Verdächtigen handelt es sich um den Chef der Abteilung Gastroenterologie. Nach Angaben der Uni-Klinik haben zunächst hausinterne Ermittlungen ergeben, dass der Experte für Magen-Darm-Erkrankungen in den Skandal verstrickt sein könnte. Das Krankenhaus habe ihre Erkenntnisse dann an die Ermittlungsbehörden weitergegeben, sagte gestern Klinik-Sprecher Stefan Weller.
Nach Angaben der Göttinger Staatsanwaltschaft war dieser Arzt mit Voruntersuchungen der Patienten befasst, die auf eine Lebertransplantation warteten. Er habe damit Einfluss auf den Meld-Score (Model für Endstage Liver Disease) der Stiftung Eurotransplant gehabt, der anhand mehrerer Parameter den Schweregrad einer Lebererkrankung angibt. Die Stiftung verteilt nach einem festgelegten Kriterienschlüssel Spenderorgane an Patienten in ihren acht Mitgliedsländern, zu denen auch Deutschland gehört.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die beiden beschuldigten Ärzte durch eine Manipulation von Laborwerten, Dialyseprotokollen, Krankenakten oder anderen Daten für bestimmte Patienten auf einen unberechtigt hohen Meld-Score gekommen sind – und ob diese Manipulationen dazu geführt haben, dass andere Patienten gestorben sind, weil sie in der Warteliste nach hinten rutschten.
Die Universitätsmedizin hat den Gastroenterologen bis zur Aufklärung der Vorwürfe freigestellt. Seine Wohnung und sein Arbeitsplatz im Krankenhaus wurden inzwischen durchsucht. Beide Ärzte waren für Stellungnahmen nicht zu erreichen.
Wie weiter bekannt wurde, ist der Transplantationschirurg schon 2005 in Regensburg einschlägig aufgefallen. Es seien damals jordanische Patienten verbotenerweise auf der europäischen Warteliste für Transplantationen platziert worden, bestätigte eine Sprecherin der Regensburger Universitätsklinik. Eine Leber soll zudem in Jordanien verpflanzt worden sein. Die Geschichte flog 2006 durch eine Prüfung der Bundesärztekammer auf. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden jedoch eingestellt. Die Göttinger Universitätsmedizin hat von den Regensburger Vorfällen laut Klinik-Sprecher Weller bei der Einstellung des Arztes nichts gewusst.
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