Reform der Grundsteuer: Zwei Gesetze, ein Paket, keine Lösung?
Das Gesetzgebungsverfahren zur Grundsteuerreform beginnt. Die Koalition hat sich zusammengerauft, aber FDP und Grüne müssen auch noch mit ins Boot.
Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Reform der Grundsteuer verlangt. An diesem Donnerstag nun beginnt das Gesetzgebungsverfahren mit der ersten Lesung im Bundestag, gerade noch rechtzeitig, um die von Karlsruhe gesetzte Frist einhalten zu können – Ende des Jahres muss die Reform stehen. Doch erst hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sich mit den Ländern zu verständigen, denen sein Entwurf vom November in wesentlichen Teilen missfiel. Und dann begann ein zäher Streit in der schwarz-roten Koalition. Was die Koalitionsspitzen vor einer Woche in einen Kompromiss bündelte und das Kabinett vorigen Freitag im Eilverfahren beschloss, wird freilich in beiden Koalitionsfraktionen nur mit Grummeln mitgetragen. Vielen Unions-Abgeordneten gefällt die eigentliche Grundsteuerreform nicht, weil sie ihnen zu sehr auf den Wert von Immobilien abstellt. Und der SPD passt es nicht so recht ins Konzept, dass mit einer Grundgesetzänderung den Ländern ermöglicht wird, das Bundesgesetz abzuändern oder auch ganzeigene Gesetze zu machen.
Aber die Mehrheit für das Reformgesetz steht. Dafür reichen die Stimmen der Koalition. Doch steht auch die Mehrheit für das Verfassungsänderungsgesetz? Dafür brauchen Union und SPD die Hilfe von FDP und Grünen, und die Erfahrungen beim Digitalpakt vor einigen Monaten zeigen, dass deren Zustimmung nicht ganz ohne Zugeständnisse zu haben ist. In der Koalition wird allerdings darauf verwiesen, dass die beiden Oppositionsfraktionen nun in der Sache nicht ganz so einträchtig agieren. Denn die FDP ist nahe bei der Union, was die Haltung zur Grundsteuer angeht – auch sie hält ein an den Grundstücks- und Gebäudeflächen orientiertes Modell für besser. So werden die Freien Demokraten zwar das Reformgesetz ablehnen. Es werde „die Kommunen vor erhebliche bürokratische Probleme stellen. Diesem Vorschlag wird die FDP nicht zustimmen“, sagte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr dem Tagesspiegel. „Ein unkompliziertes Flächenmodell wäre nach wie vor die beste Alternative, um eine zusätzliche Belastung der Steuerzahler durch steigende Mieten zu verhindern.“ Dürr spielt darauf an, dass die Grundsteuer von den Eigentümern auf ihre Mieter umgelegt werden darf. Und das Wertmodell kann vor allem in Städten zu spürbaren Erhöhungen führen, wenn die Grundstückwerte dort deutliche Unterschiede zwischen guten und weniger guten Wohnlagen aufweisen. Andererseits kann das Flächenmodell auf dem Land unter Umständen ungünstiger sein.
Wert oder Fläche?
Die FDP aber will dieses Flächenmodell und daher die Grundgesetzänderung, weil diese es Bayern ermöglicht, eine abweichendes Grundsteuergesetz zu machen – und CSU-Chef Markus Söder hat schon angekündigt, dass man in München ein Flächenmodell anstrebt. Aber einen kleinen Preisaufschlag will die FDP doch durchsetzen. Dürr sagte, man wolle im Gesetzgebungsverfahren einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer durchsetzen. „Das wäre ein Paket, das Mieter nicht zusätzlich belastet und Wohneigentum fördert. So würden mehr Menschen in Deutschland die Chance bekommen, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen." Das Problem: Die Grunderwerbsteuer fließt allein den Ländern zu, und ob diese einen Eingriff in ihre Haushaltsautonomie zulassen und den damit verbundenen Einnahmeverlust durch den Freibetrag, muss man sehen. Aber die Union könnte da mitgehen.
Die Grünen wiederum sorgen sich auch um die Mieter und haben schon vor einigen Monaten einen Entwurf vorgelegt, wonach die Umlage der Grundsteuer auf die Nebenkosten abgeschafft werden soll. Die Grundsteuer, ein wesentlicher Teil der kommunalen Einnahmen, würden dann freilich nur noch Eigentümer zahlen. Der wohlhabende Mieter wäre befreit, der Häuslebauer mit Schuldenberg hätte zu zahlen. Für die Abschaffung der Umlage gibt es immerhin Sympathie bei der SPD (die Linken haben sie auch gefordert). Man sieht: das kann ein munteres Spielchen werden im Gesetzgebungsverfahren. In der Koalition heißt es aber auch, dass sich die Forderungen von FDP und Grünen faktisch neutralisieren.
Im Paket?
Freilich gibt es da noch einen Haken. Dringend ist die Sache nämlich nur bei dem Reformgesetz, denn das muss tatsächlich Ende 2019 im Gesetzblatt stehen. Sonst haben die Kommunen diese Einnahmequelle zunächst einmal nicht mehr – die Grundsteuer darf danach ja wegen Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelung nicht mehr erhoben werden. Das Abweichungsrecht für die Länder dagegen hätte noch Zeit. Denn die reformierte Grundsteuer, ob nun nach Wertkriterien oder nach Fläche erhoben, wird ohnehin erst 2025 tatsächlich erhoben werden, so viel Vorlauf ist nötig. Es sind getrennte Gesetze, auch wenn sie im Paket in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden. Doch wird mindestens die Union darauf pochen, dass das Paket geschnürt bleibt.
Und die Länder? „Wir warten jetzt alle mal ab, was Bayern macht“, sagt der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel. In der Hansestadt hatte man ursprünglich auch ein Flächenmodell bevorzugt, bevor man sich auf das Scholz-Modell einließ. Darauf könnte die rot-grüne Regierung durchaus zurückkommen. Aus Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es erste Signale, sich über Abweichung Gedanken zu machen. Nordrhein-Westfalen wird von CDU und FDP regiert, dort dürfte die Debatte bald beginnen, ob das Bundesgesetz auch im Land gelten soll. Gleiches gilt für Baden-Württemberg, wo Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) das Abweichungsbegehren der schwarzen Koalitionspartnerin keineswegs abgelehnt hat. Gut möglich also, dass nun ein Bundesgesetz auf den Weg gebracht wird, das in einem beträchtlichen Teil der Republik am Ende gar keine Anwendung findet.
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