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Ist sich keiner Schuld bewusst: Gregor Gysi.
© dpa

Gysi und die Stasi: Die Geschichte vom Mitläufer und vom Wendehals

Gysi und die Stasi: Das Thema passt immer, denn die einen wollen die Linke raushaben aus dem Bundestag, die anderen rein. Deshalb ist die Geschichte noch längst nicht zu Ende.

Gregor Gysi legte sich fest – auf die Mitläuferrolle. 21 Jahre ist das her, die Stasidebatte um den Politiker tobte zum ersten Mal heftig. Gysi habe „immer auf der anderen Seite der Barrikade, auf der Seite der Mächtigen gestanden“, hielten ihm die DDR-Bürgerrechtler vor. Dieser entgegnete, das Leben in der ostdeutschen Gesellschaft sei sehr viel vielfältiger gewesen: „In der DDR stand ich politisch eindeutig weder auf der Seite der Mächtigen noch auf Seiten der Oppositionellen.“

Die Rolle des Weder/Noch ließen ihm seine Kritiker nicht durchgehen, auch wenn Gysi beharrlich an der Legende strickt. Im Streit mit der Birthler-Behörde um die Herausgabe von Dokumenten an den „Spiegel“ behauptete Gysi 2005, er sei „ebenso wenig eine Person der Zeitgeschichte gewesen wie der Zahnarzt“ seines Mandanten Robert Havemann. Die Behördenchefin sagte dazu, Gysi sei als Verteidiger bekannter Systemkritiker sehr wohl „ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten“. Das Verwaltungsgericht Berlin ging 2006 in seinem Urteil noch weiter: Als politischer Strafverteidiger in der DDR sei Gysi mindestens so bekannt gewesen wie „Star-Anwälte“ im Westdeutschland.

Lässt sich so klären, ob Gysi ein Stasi-Spitzel war? Nicht wirklich, weil keiner aus seiner Rolle herauskommt. Linken-Chefin Katja Kipping warnt nun vor einem „Abschlag bei der Würde“ von Ostdeutschen. „Viele hier“, sagt sie, hätten es „einfach satt, dass ohne jede Ahnung vom Alltag in der DDR Urteile über ihr Leben gefällt werden.“ Doch wie viel Ahnung hat Kipping von diesem Alltag – zur Wende eine Thälmann-Pionierin im zarten Alter von elf Jahren? In ihrer Bewerbungsrede für den Parteivorsitz vor einem Jahr hatte sie noch stolz erzählt, dass sie einen West-Mann geheiratet hat – die gemeinsame Tochter sei ein „Mischlingskind“. Jetzt ist die Nachwuchspolitikerin zurückgefallen ins düstere Klischee: die Linkspartei als Verteidigerin von Menschen, die zu ihren (Ost-)Biografien stehen. Egal, wie misslungen die waren.

Gysi und die Stasi: Das Thema passt immer, denn die einen wollen die Linke raushaben aus dem Bundestag, die anderen rein. Zur zweiten Gruppe gehören auch Angela Merkel und ihre Unionsfreunde. Gysi und seine Genossen sollen helfen, Rot-Grün zu verhindern.

Und weil es ohnehin nicht um Aufklärung geht, kann auch die Linkspartei ihr Rollenspiel aufführen. Vor fünf Jahren versicherte Oskar Lafontaine, damals Parteichef, seinem Mitstreiter nach Stasi-Vorwürfen entschiedene Solidarität. Diesmal belässt er es bei einer Talkshow-Plauderei: Gelacht habe er, sagt Lafontaine bei Günther Jauch. „Das langweilt mich jetzt allmählich.“ Spannender als die Stasi-Geschichte findet der Saarländer, wie er seine Freundin Sahra Wagenknecht befördern oder mit dem eigenen Comeback drohen kann. Gysi aber will mit 65 noch nicht von der Rolle sein: Seinen Rücktritt gönnt er nicht mal Parteifreunden.

Alle in ihrer Rolle? Fast alle. Ausgerechnet einer hat die Linie verändert: der neue Stasiaktenhüter Roland Jahn. Als Fernsehjournalist in den 90er Jahren gehörte er zu den eifrigsten Verfolgern des PDS-Politikers. Inzwischen mahnt er im Fall Gysi zur strengen Orientierung an den Stasi-Protokollen. IM-Tätigkeiten würden viel zu stark als Glaubensfragen diskutiert, sagt er. Und: Widersprüche müssten anhand der Aktenlage aufgeklärt werden und nicht anhand der Frage: „Nützt es uns?“.

Gysi als Mitläufer, Jahn als Wendehals. Eigentlich eine schöne Pointe. Nur, die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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