Ärzteatlas der AOK: Zu viele Mediziner zu schlecht verteilt
Rein rechnerisch hat Deutschland zu viele Ärzte. Faktisch aber bleiben viele Regionen unterversorgt, weil sich die Mediziner vor allem in den Ballungsräumen tummeln.
Auf 1000 Einwohner kommen hierzulande 4,1 praktizierende Ärzte. Damit liegt Deutschland nicht nur um knapp ein Viertel über dem internationalen Durchschnittswert. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Gesamtzahl der Mediziner in der vertragsärztlichen Versorgung auch erneut erhöht. Sie stieg um 1,4 Prozent – auf 144.769 Ärzte und 22.547 Psychologische Psychotherapeuten.
Seit 1980 hat sich die Arztdichte mehr als verdoppelt
Diese Zahlen sind dem Ärzteatlas zu entnehmen, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) am Dienstag vorgelegt hat. Sie belegen, dass die Arztdichte im Land zwischen 1991 und 2015 um knapp 50 Prozent zugenommen und sich seit 1980 sogar mehr als verdoppelt hat. Allerdings bedeutet das nicht, dass es keine Unterversorgung gibt. Die Versorgungslage sei „auch durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet“, sagte WIdO-Vizegeschäftsführer Helmut Schröder. „Die Überversorgung in einigen Regionen bindet Ressourcen, die anderswo fehlen.“ Sprich: Die Ballungsräume sind über-, die strukturschwachen Regionen unterversorgt.
Beim Gesamtversorgungsgrad liegen sämtliche Fachrichtungen über den Vorgaben – und rein rechnerisch sind sogar 44 Prozent aller Planungsbereiche mit Hausärzten überversorgt. Im internationalen Vergleich wurde Deutschland mit seinen Medizinerzahlen unter 34 OECD-Mitgliedsstaaten zuletzt nur von Griechenland, Österreich, Norwegen, Portugal übertroffen. Auf den höchsten Versorgungsgrad mit Hausärzten bundesweit kommt Berlin (118 Prozent), gefolgt von Hamburg und Bayern, den niedrigsten hat Sachsen-Anhalt (101,5 Prozent).
Das Problem: Immer mehr Mediziner arbeiten auch Teilzeit
Jedoch sagt das alles nichts über die Zahl geleisteter Arztstunden, denn immer mehr Mediziner arbeiten hierzulande auch in Teilzeitmodellen. Angesichts dieses Trends ergebe sich lediglich ein Plus von 0,2 Prozent, betonte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl.
Seinen Angaben zufolge sinkt zudem die Zahl der Ärzte in der Grundversorgung. So habe sich der Rückgang der Hausärzte mit einem Minus von 0,4 Prozent fortgesetzt. Besonders betroffen: das Saarland (minus 1,9 Prozent) und Schleswig-Holstein (minus 1,7 Prozent). Auf einen Zuwachs kamen Brandenburg (plus 1,1 Prozent), Hessen (plus 0,3 Prozent) sowie Thüringen und Hamburg (plus 0,2 Prozent). Insgesamt waren hierzulande im Jahr 2015 laut KBV 1170 Hausärzte weniger tätig als noch 2009.
Am stärksten gestiegen ist die Zahl der Psychotherapeuten
Auch bei anderen Mediziner hat sich die Gesamtzahl laut KBV verringert. Frauenärzte kamen auf ein Minus von 0,1 Prozent, Kinder- und Jugendärzten auf minus 0,2 Prozent und Nervenärzte auf minus 0,8 Prozent. Deutlich gestiegen dagegen sei die Zahl der Psychotherapeuten. Sie wuchs binnen eines Jahres um satte zwei Prozent. Dies sei vor allem auf einen starken Anstieg in den neuen Ländern zurückzuführen, sagte der Sprecher. In Mecklenburg-Vorpommern habe der Anstieg 12,3 Prozent betragen. In Brandenburg waren es 10,4 und in Sachsen-Anhalt 8,6 Prozent.