Umstrittene Änderung des Grundgesetzes: Zu viel Gift im Geschenk
Bundestag beschließt mit großer Mehrheit Verfassungsänderung für mehr Bundesmittel bei Bildung und Wohnungsbau. Bundesrat lehnt sie geschlossen ab.
Ist sie nun eine Beglückung? Oder ein vergiftetes Geschenk? Für die erste Auslegung entschied sich SPD-Fraktionsvize Achim Post. Die am Donnerstag vom Bundestag mit sehr großer Mehrheit (alle außer der AfD) beschlossene Grundgesetzänderung sei ein „Meilenstein, um den Zusammenhalt in unserem Land zu stärken“. Der Bund soll nun wieder Mittel aus seinem Haushalt für Aufgaben der Länder und Kommunen ausschütten dürfen, und zwar für Bildung, sozialen Wohnungsbau und den öffentlichen Personennahverkehr. Zehn Milliarden Euro sollen bald fließen. Die Hälfte davon entfällt auf den Digitalpakt, mit dem der Bund die IT-Aufrüstung an den Schulen mitfinanzieren will.
Im Bundesrat hat man sich für die zweite Auslegung entschieden. Alle Länder haben signalisiert, dass sie die Grundgesetzänderung so nicht mitmachen werden. Das hatte sich schon seit Tagen angedeutet. Und damit droht am 14. Dezember die breitestmögliche Front gegen den Meilenstein. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte an, was es schon länger nicht mehr gegeben hat: ein Verfahren im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Denn den Ländern missfällt, dass der Bundestag – wie schon einmal im Jahr 2017, als es um den neuen Finanzausgleich ging – zum Ende des Verfahrens hin Auflagen beschloss, die aus Sicht der Länder die Milliardenflüsse aus Berlin mit zu viel Berliner Einfluss auf die Verwendung verband.
Hälftige Kofinanzierung
Aktuell ist es vor allem eine Formulierung im geplanten Grundgesetzartikel 104b, welche die Ministerpräsidenten einmütig erboste. Demnach wären die Mittel des Bundes „in jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen“. Genau diese Kofinanzierung künftiger Programme, wenn auch noch nicht beim Digitalpakt, betrachten die Länder aber als Zumutung. Immerhin mischt sich der Bund ja in ihre Aufgaben ein, auch wenn das Geld willkommen ist. Aber Kofinanzierung bedeutet eben immer, dass das Haushaltsrecht der Landtage von Berlin aus eingeschränkt wird. Weniger starke Länder beklagen zudem, dass solche Mitfinanzierungspflichten oft schwierig einzuhalten seien. Gerade das aber ist der Grund, warum die mächtigen Haushälter im Bundestag diesen Passus noch durchdrückten. Sie wollen verhindern, so die Erklärung des CDU-Abgeordneten Eckhardt Rehberg, dass die Länder die Bundesmittel einstecken, aber eigene Mittel für diese Aufgaben dann anderswo ausgeben. Oder sie erst gar nicht für die Zwecke ausgeben, welche man in Berlin mit den Zuschüssen verbindet. Dass Rehberg betont, man habe immerhin auf eine Kofinanzierung von Programmen verzichtet und den breiteren RAhmen des "Investitionsbereichs" gewählt, dürfte in den Ländern kaum als Entgegenkommen gewertet werden.
Anführer Kretschmann
Einige stärkere Länder, angeführt vom Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, wollen allerdings auch den eigentlichen Kern des Verfassungsänderungspakets verhindern – die Neufassung des Artikels 104c. Auf diese sind sie im Bundestag vor allem stolz, denn hinter ihr versammeln sich Union, SPD, Grüne und FDP. Neben Baden-Württemberg gelten aber auch Bayern und Hessen als Gegner, zudem Nordrhein-Westfalen und auch Sachsen. Über alle wo die Union regiert, ist hier mit Widerstand zu rechnen. Denn die Neuformulierung des Artikels ist so auslegungsfähig, dass man jedenfalls auf schwarzer Seite (im Grunde auch im Bundestag) Befürchtungen hegt. Denn wie weit kann sich der Bund künftig mit Geld und Vorgaben einmischen, wenn dort steht: „Der Bund kann den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.“ Die Ansichten darüber gehen auseinander: Eher defensiv legte am Donnerstag der Unions-Fraktionsvize Andreas Jung die Möglichkeiten aus. Man sei sich im Ziel sogar mit Kretschmann einig, dass der Bildungsföderalismus, also die generelle Zuständigkeit der Länder, nicht eingeschränkt werden dürfe. Die Einschränkung aber ist das erklärte Ziel etwa von FDP-Fraktionschef Christian Lindner und auch der Fraktionen von Grünen und Linken im Bundestag (mit stillschweigendem Beifall der SPD), welche nun das „Kooperationsverbot“ gefällt sehen. Das Vermittlungsverfahren könnte hart werden. Kretschmanns Anliegen ist, statt Mischfinanzierungen samt Verfassungsänderung doch einfach die Möglichkeit zu nutzen, die Steuerverteilung zugunsten der Länder zu ändern. Aber das wird im Bundestag abgelehnt.
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