Streit um Grundgesetzänderung: Die Steuerverteilung in Deutschland ist schief
Es gibt nur einen Grund, warum der Bund den Ländern und Kommunen reinregieren will. Und der ist schlecht. Ein Kommentar.
Es steht mal wieder eine Grundgesetzänderung an. Sie dient dazu, eine frühere Änderung in ihr Gegenteil zu verkehren. Diese wiederum hatte den Zweck, eine von vielen Beteiligten als ungut empfundene Situation zu beenden. Gemeint ist das Bund-Länder-Verhältnis. Das war mal sehr kooperativ und eng verschlungen. Wer Konferenzen liebt und gern darüber berät, was andere machen sollen, der hat dafür möglicherweise ein Faible. Wer nicht, nicht. Vor einigen Jahren hat man das Verhältnis in einer großen Reform weniger verschlungen gestaltet.
Jetzt dreht man das wieder zurück. Der Bund will wieder breit dabei sein in Angelegenheiten, die vernünftigerweise in Ländern und Kommunen entschieden werden: Schulhäuser bauen oder sanieren, den Unterricht digitalisieren, Kinderbetreuung organisieren, sich um Bildungsinhalte kümmern, Wohnungen für Ärmere oder Studenten bauen, den regionalen Nahverkehr gestalten. Das ist ein weites Feld und eines, das sich regional und kommunal als sehr vielgestaltig erweist. Warum ausgerechnet Bundespolitiker meinen, hier gefragt zu sein, erschließt sich aber leicht. Man will auch nah an den Menschen sein. Man will auch etwas tun für Kinder und Lehrer. Man will im Wahlkampf auch „mehr Bildung“ plakatieren. Man will seinen Wählern sagen können: Auch ich habe eure Steuermittel in die Hand genommen und euch beglückt. Insbesondere das Häuflein der Bildungspolitiker im Bundestag ist da eifrig dabei.
Zuständig ist man nicht - egal
Zuständig ist man in Berlin auf all den Feldern freilich nicht, und daher ist man auch nicht kompetent. Man muss nur einmal das Organigramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung anschauen um zu wissen, dass Schulpolitik dort eine Kümmerexistenz fristet. Zentralverwaltungen fehlt es am nötigen Durchblick und an der nötigen Problemnähe. Die einzige Kompetenz des Bundes in diesen Dingen ist das Scheckbuch. Er hat Geld. Mehr, als er für die eigenen Aufgaben ausgeben kann. Also drängt er sich auf. Finanziert mit, entlastet, wo er kann. Und hat trotzdem noch Überschüsse. Das haben Länder und Kommunen auch. Aber vor allem deshalb, weil der Bund ihnen permanent Geld zuschustert oder ganze Aufgaben übernimmt. Ohne diese Milliardenumschichtungen wäre das Plus des Bundes noch viel höher und die Länder und Kommunen hätten geringere oder gar keine Überschüsse. Es ist deutlich erkennbar, wie schief die Steuerverteilung mittlerweile ist. Gerade erst hat die Bundesbank zudem auf die stetig wachsenden Pensionslasten vor allem der Länder hingewiesen - der Bund hat hier kein großes Problem.
Wenn den Ländern und Gemeinden Geld fehlt und der Bund das Geld abgeben will, sollte man ganz einfach den Verteilerschlüssel der Steuern ändern.
schreibt NutzerIn Kommentator2018
Begleitet wird das beständige Kooperieren durch die Dauergipfelei. In schöner Regelmäßigkeit laufen Ministerpräsidenten in Berlin auf, um mit Kanzlerin und Bundesministern zu beraten, wie man sich hier zusammenwurschtelt und da gegenseitig behindert. Landespolitiker verhandeln Koalitionsverträge für Bundesregierungen mit, weil es um Bundesmittel für Landesaufgaben geht. Bundespolitiker und Bundesbeamte verbringen viel Zeit damit, Landtagen und Landesregierungen vorzuschreiben, wie diese Mittel zu verwenden sind. Wo ein Höchstmaß an Flexibilität nötig wäre, wird dann engste haushälterische Beamtendenke zelebriert. Kein Wunder, dass die Mittel aus den Fördertöpfen nicht wie erwartet abfließen. Und dann will man noch den Bundesrechnungshof hinterherschicken, weil man Misstrauen hegt. Aber warum gibt man dann Geld? Geht es dann noch um Kommunales, wird das Dickicht noch dichter. Ausgerechnet der Bundesrechnungshof lehnt die Grundgesetzänderung übrigens ab.
Verfassungspolitischer Knoten
Einige Ministerpräsidenten, voran Winfried Kretschmann, wollen nun ihre Kollegen dazu bewegen, den verfassungspolitischen Knoten durchzuschlagen und eine Steuerverteilung anzustreben, die sich an den jeweiligen Bedarfen orientiert. Das ist zwar nicht ganz einfach, weil die Meinungen bekanntlich auseinandergehen. Aber wenn der überschussgeplagte Bund sein unzuständiges Mitmischen damit begründet, es fehle Ländern und Kommunen an Geld, dann sollte die Sache eigentlich in fünf, sechs Konferenzen und Gipfeln mit der Kanzlerin zu erledigen sein.
Und wenn das Grundgesetz unbedingt geändert werden soll, dann doch einfach im zweiten Teil „Der Bund und die Länder“ um einen neuen Artikel. Ganz kurz und wegweisend: „Jeder macht seins.“ Denn kooperativer Föderalismus, so schön die Floskel klingt, neigt dazu, im Gemurkse zu enden.
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