Irreguläre Kämpfer in der Ukraine: Zu den Waffen
Anhänger der alten Machthaber in der Ukraine finanzieren Freiwilligenarmeen. Doch auch die demokratischen Parteien unterstützen solche Truppen. Wie viele es sind, weiß niemand. Aber es dürften ein paar Tausend Kämpfer sein.
Anwälte, Manager, Multimillionäre und sogar Politiker schließen sich in der Ukraine sogenannten Freiwilligen-Bataillonen an. Seit der Annektion der Krim im März dieses Jahres haben sich im ganzen Land Männer und Frauen zum Dienst an der Waffe gemeldet. Wie viele Kämpfer es sind, weiß niemand so genau. Es dürften aber ein paar Tausend sein, denn allein bei der Gründung des Donbass-Bataillons war schon von 600 Kämpfern die Rede. Mittlerweile haben einige dieser Kämpfer eine Art Pop-Star-Status.
Das Donbass-Bataillon
Zum Beispiel der Chef des Donbass-Bataillons, Semen Sementschenko. Obwohl der Mann bislang immer nur mit Sturmhaube aufgetreten ist, ist er durch viele Auftritte in TV-Talkshows einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Wer er tatsächlich ist, wollten oder konnten auch die sonst sehr hartnäckigen Reporter der liberalen Zeitung „Ukrainska Prawda“ nicht herausfinden. Einer der bekanntesten TV-Journalisten des Landes, Mustafa Naidem, strich tagelang mit Sementschenko und seinen Kämpfern durch die Vororte der Stadt Slowjansk und lieferte seinem Publikum Anfang Juli eine Hautnah-Reportage über die Befreiung der von pro-russischen Rebellen besetzten Stadt.
Das Bataillon Donbass hat sich verhältnismäßig spät gegründet. Erst Mitte Mai wurde begonnen, via Facebook um Freiwillige zu werben. Bislang wird immer noch behauptet, die Truppe würde sich ausschließlich durch Spenden finanzieren. Doch nach Informationen des ukrainischen Innenministeriums zählt das Freiwilligenheer aus Donbass zu den zehn stärksten Truppen von insgesamt 30 Bataillonen. Der Gouverneur von Dnipropetrowsk und Oligarch Igor Kolomoiskjy macht keinen Hehl daraus, dass er die Männer von Dnipro I und II finanziert.
Das Asow-Bataillon
Die Männer der Asow-Truppe standen im Winter größtenteils auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz und haben sich Auseinandersetzungen mit den berüchtigten Sondereinheiten des damaligen Innenministeriums, Berkut und Alpha, geliefert. Der Parlamentsabgeordnete und Anführer der Radikalen Partei, Oleg Lyaschko, hat sich den Asow-Kämpfern angeschlossen und einige Wochen mit ihnen gekämpft. Lyaschkos Partei führt derzeit die Umfragen an und kommt auf 32 Prozent, weit vor den demokratischen Parteien. Die Radikale Partei wird vom Oligarchen Sergej Lewotschkin finanziert, der bis Januar 2014 Chef der Präsidialadministration des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitschs gewesen ist. Lyaschko ist ein ehemaliger Journalist und im Fernsehen sehr präsent.
Vitali Klitschko verteilt Schutzwesten, Julia Timoschenko gründet eine "Widerstandsarmee"
Doch auch die pro-westlichen Kräfte haben erkannt, dass sich mit der Unterstützung der Freiwilligen-Bataillone nicht nur Wählerstimmen holen lassen, sondern auch die Machtbasis in der Ost-Ukraine gefestigt wird. Der Kiewer Bürgermeister und Chef der Udar-Partei, Vitali Klitschko, verteilt regelmäßig Schutzwesten, Stahlhelme und Proviant an die großen Bataillone. Die Vaterlands-Partei der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat ihr eigenes Bataillon. Schon vor Monaten hatte Timoschenko zur Gründung einer „Widerstandsarmee“ aufgerufen. Die Männer und Frauen des Bataillons Vaterland kämpfen in den Regionen Lugansk und Donezk. Obwohl die Vaterlandspartei behauptet, die Truppen aus Spenden zu finanzieren, gilt es als ausgemacht, dass Timoschenko den Großteil der Truppe finanziert. Obwohl die 53-Jährige seit Jahren in keiner Vermögensstatistik des Landes auftaucht, gilt sie als einzige Milliardärin der Ukraine. Timoschenko selbst nimmt zu Finanzfragen des Vaterlands-Bataillons öffentlich keine Stellung.
Die Regierung will die Milizionäre in die Polizei eingliedern
Zwei Ziele verfolgen Maskenmann Sementschenko und Timoschenko gemeinsam: Beide wollen bei den vorgezogenen Parlamentswahlen gewählt werden. Sementschenko will erstmals ins Parlament einziehen. Zudem sollen die Freiwilligen-Heere dazu dienen, einen neuen Sicherheitsapparat aufzubauen. Der Berater von Präsident Petro Poroschenko, Anton Gerschtschenko, wird nicht müde zu wiederholen, dass die Männer und Frauen, „die ihre Heimat derzeit vor den russischen Terroristen im Donbass verteidigen, die erste Wahl beim Aufbau einer neuen Polizei sind“. Die Regierung versucht zudem, Teile der Freiwilligen in die regulären Streitkräfte zu holen. Allerdings ist das bisher nicht sehr erfolgreich, weil viele Freiwilligen-Bataillone nach wie vor besser ausgestattet sind als die regulären Kräfte. Timoschenkos Armee berichtete am Wochenende, es sei in einer Geheimmission gelungen, das pro-russische Separatisten-Corps „Ghost“ in Lugansk vollständig zu zerschlagen.