Ukraine: Wahlkampf mit Söldnern
Der Wahlkampf in der Ukraine wird immer militanter. Etliche Oligarchen und Bewerber für das Präsidentenamt bauen Söldnergruppen auf - zum Teil mit Zehntausenden Männern unter Waffen.
Das Wahlplakat mit dem Slogan: „Auf neue Art leben“, begegnet den Ukrainern derzeit fast landesweit. Mit weißer Schrift auf rotem Hintergrund, wirbt so der in Umfragen führende Kandidat Petro Poroschenko. Der 48-Jährige ist siegessicher und hofft, bereits in der ersten Runde die absolute Mehrheit einzufahren. Meinungsforschungsinstitute prognostizieren dem Multimilliardär zwischen 28 bis 45 Prozent. Poroschenkos größte Konkurrentin ist die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Laut Umfragen liegt sie jedoch weit hinter Poroschenko zurück, ihr sagen die Experten neun bis 17 Prozent voraus. Etliche weitere Kandidaten sind bereits aus dem Rennen ausgestiegen, am Wochenende auch Kommunistenchef Petro Simonenko. Dennoch wird der Wahlkampf hart geführt. Hauptthema: Die Lage in der Ost-Ukraine.
Kandidaten im Kampfanzug
Der frühere Verteidigungsminister Anatoli Gritsenko, der sich ebenfalls um das Präsidentenamt bewirbt, ließ sich im Kampfanzug ablichten und verkündete, sein Sohn habe sich freiwillig bei der Nationalgarde zur „Verteidigung der Ukraine“ gemeldet. Oleg Lyaschko von der Radikalen Partei, war tagelang mit ukrainischen TV-Teams unterwegs und behauptete, er kämpfe bei einem Freiwilligen Bataillon in der besetzten Stadt Slowjansk gegen die pro-russischen Rebellen.
Julia Timoschenko besucht im Wahlkampf ihre Truppen
Auch Julia Timoschenko setzt auf diese Karte. Mitte April rief sie zur Gründung einer Nationalen Widerstandsbewegung auf. Vor allem Menschen mit einer Ausbildung bei der Polizei und der Armee sollten sich melden. Angeblich haben sich bisher 8000 Freiwillige eingefunden. Timoschenko sah man fortan auf „Truppenbesuch“, im ganzen Land suchte sie Camps mit den Männern und Frauen auf, die in Ausbildungslagern trainiert werden, auch an schweren Kampfgeräten.
Die reguläre Armee gilt als untauglich
Das Aufstellen von sogenannten Volksmilizen hat in der Ukraine derzeit Hochkonjunktur. Angefangen hatte es mit der Krim-Annektion. Seit Mitte März wird den Ukrainern täglich eingebläut, dass ihre Armee untauglich sei. Die Regierung hat per Gesetz ganz offiziell die Bildung einer Nationalgarde beschlossen, der Aufbau läuft. Parallel dazu bilden sich jedoch landesweit Bataillone, die mit Freiwilligen gefüllt werden, die Finanzierung ist oft undurchsichtig. Wichtige Geldgeber sind Oligarchen und Parteien.
1000 Dollar für einen Soldaten
Der frühere Sicherheitsschutz des Maidan, die Samobarona, von denen etwa 450 Männer und Frauen für den Kampf in der Ost-Ukraine bereitstehen, ist genauso vertreten, wie die vom reichsten Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, finanzierte „Achmetow Gruppe“, die sich aus Stahlarbeitern und Bergwerkskumpeln speist. Schätzungen zufolge sollen der Gruppe bis zu 34 000 Mann angehören.
Der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Igor Kolomoiskjy, finanziert das „Bataillon Dnepr“, dort sucht man vor allem Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren mit Kampferfahrung. Zusammen mit dem Innenministerium bewachen diese Leute strategisch wichtige Orte und Gebäude in der Rüstungshochburg Dnipropetrowsk. „Gehälter zwischen 1000 Dollar für Soldaten bis zu 5000 Dollar für einen Kommandeur machen den Dienst attraktiv“, sagte Gennadi Korban, stellvertretender Leiter der Gebietsverwaltung von Dnipropetrowsk ukrainischen Medien.
Oligarchen finanzieren die Militarisierung
Nach dem Vorbild von Dnipropetrowsk hat sich in der Krisen-Region Donezk ein „Donbass Bataillon“ gebildet. Offiziell soll die Truppe auf Initiative von Semyon Semtschenko (38), Armeehauptmann der Reserve, gegründet worden sein. Nachdem er im April einen Aufruf via Facebook gestartet hatte, sollen sich innerhalb eines Tages 100 Freiwillige gemeldet haben, 600 stünden auf der Warteliste. Die Truppe trägt einheitliche schwarze Uniformen. Auf dem rechten Oberarm prangt in goldener Farbe der Dreizack, das Hoheitszeichen der Ukraine. Angeblich finanziert sich die Truppe allein aus Spenden, ukrainische Medien vermuten, dass auch hinter ihr Oligarchen stehen.
Ein Hoffnungsträger ist nicht in Sicht
Die zunehmende Militarisierung spaltet die Ukraine. Vor allem die Menschen, die im vergangenen Herbst und Winter monatelang für eine europäische Integration der Ukraine auf die Straße gegangen waren, sind enttäuscht. Die Revolution hat keinen neuen Hoffungsträger hervorgebracht, die alten Politiker machen weiter wie bisher. Ukrainische Medien wie die liberalen Internetportale „Ukrainiska Prawda“ oder „Lewij Bereg“ kritisieren die politische Vergangenheit Poroschenkos und Timoschenkos. Beide hätten in der Vergangenheit hohe politische Ämter bekleidet. Poroschenko war Wirtschafts- und Außenminister, Timoschenko gar Ministerpräsidentin.
Im Osten ist die Wahl kaum durchsetzbar
Vieles deutet indes darauf hin, dass in etlichen Regionen der Ost-Ukraine die Präsidentschaftswahlen nicht stattfinden werden. Die Zentrale Wahlkommission in Kiew räumte letzte Woche ein, dass in den meisten der Donezker und Lugansker Wahlkommissionen bislang keinerlei Vorbereitungen für die Abstimmung stattfinden. In Lugansk stahlen Separatisten die kompletten Wahllisten. Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht auch Russland in der Pflicht, ein Scheitern der Präsidentschaftswahlen zu verhindern. Russland müsse dazu beitragen, dass am 25. Mai die Wahl in der Ukraine stattfinde und das Ergebnis dann von allen akzeptiert werde, bekräftigte Gabriel. Andernfalls müsse Moskau mit neuen Wirtschaftssanktionen rechnen.