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Die Angeklagte Beate Zschäpe steht bei der Fortsetzung des NSU-Prozesses neben ihrem Anwalt Mathias Grasel im Gerichtssaal.
© dpa/ Matthias Schrader

NSU-Prozess: Zschäpe will sich vor Urteil noch einmal äußern

Im Juli will das Oberlandesgericht München das Urteil im NSU-Prozess verkünden. Die Hauptangeklagte will nach Angaben ihrer Verteidiger zuvor fünf bis sechs Minuten das Wort haben.

Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München wird vermutlich im Juli das Urteil verkündet. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl verschob am Dienstag die letzten Worte der Angeklagten auf den 3. Juli. Danach muss der Senat gemäß Strafprozessordnung spätestens elf Tage später das Urteil verkünden. Einen Termin nannte Götzl allerdings nicht. Theoretisch könnte der Urteilsspruch schon nächsten Mittwoch oder Donnerstag erfolgen, zu vermuten ist jedoch eher eine Verkündung in der zweiten Juli-Woche.

Von den fünf Angeklagten wollen bis auf André E. alle die Gelegenheit nutzen, ein letztes Wort zum Verfahren zu sagen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe will nach Angaben ihrer Verteidiger fünf bis sechs Minuten reden. Es wäre erst das zweite Mal in dem mehr als fünf Jahre dauernden Prozess, dass Zschäpe spricht. Das erste Mal war eine überraschende Erklärung im September 2016, die allerdings kurz ausfiel. Zschäpe sagte, sie habe sich früher mit „Teilen des nationalistischen Gedankenguts“ identifiziert, hege dafür aber keine Sympathie mehr. Ihre umfangreiche Einlassung zu den Tatvorwürfen der Bundesanwaltschaft hatte Zschäpe von Dezember 2015 an von ihrem Anwalt Mathias Grasel verlesen lassen.

Sein Co-Verteidiger Hermann Borchert gab im April 2018 in seinem Plädoyer zu, Zschäpes Aussage gemäß seinen „literarischen Fähigkeiten“ formuliert zu haben. In der Einlassung bestreitet Zschäpe, an den zehn Morden, zwei Sprengsstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen des NSU beteiligt gewesen zu sein.

Der mitangeklagte Ralf Wohlleben, ehemals Vizechef der NPD in Thüringen, will sein letztes Wort im Prozess auf eine Minute begrenzen. Wohlleben hatte in seiner Aussage, die er von Dezember 2015 an selbst vortrug, ebenfalls die Tatvorwürfe der Bundesanwaltschaft bestritten. Die Ankläger werfen ihm vor, die Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 eingefädelt zu haben. Mit der Pistole erschossen die NSU-Terroristen neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft.

Ebenfalls nur eine Minute will Holger G. kommenden Dienstag sprechen. Er hatte zu Beginn des Prozesses zugegeben, den NSU unter anderem mit zwei Reisepässen und einem Führerschein unterstützt zu haben. Nach dem Geständnis sagte Holger G. jedoch nichts mehr.

Einzig André E. will Schweigestrategie bis Ende des Prozesses durchhalten

Eine bis zwei Minuten möchte sich Carsten S. äußern. Er ist der einzige Angeklagte, der im Prozess umfassend gestanden hat. Carsten S. hatte im Frühjahr 2000 die Pistole Ceska 83 nach Chemnitz zu Böhnhardt und Mundlos gebracht. Unter Tränen berichtete er im Gericht zudem von einem Sprengstoffanschlag des NSU, der noch nicht bekannt war. Im Juni 1999 hatten Böhnhardt und Mundlos in Nürnberg in einem türkischen Lokal eine präparierte Taschenlampe abgestellt. Als der Pächter sie anknipste, kam es zur Explosion. Der Mann erlitt zahlreiche Schnittwunden.

Einzig der Angeklagte André E. wird seine Schweigestrategie bis zum Ende des Prozesses durchhalten. Die Bundesanwaltschaft hält E. vor, den NSU unterstützt zu haben. Der Neonazi soll unter anderem das Wohnmobil gemietet haben, mit dem Böhnhardt und Mundlos im Dezember 2000 nach Köln fuhren, um einen Sprengstoffanschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft zu verüben.

Der Anwalt von André E. ergänzte allerdings am Dienstag sein Plädoyer vom Mai mit schweren Vorwürfen gegen die Bundesanwaltschaft. Die oberste Anklagebehörde lasse „derart an Objektivität vermissen“, dass es schon an einen Versuch der Demontage des Rechtsstaates grenze, sagte Michael Kaiser. Bundesanwalt Herbert Diemer hatte im September 2017 am Schluss seines Plädoyers überraschend zwölf Jahre Haft für André E. und die erneute Festnahme gefordert. Richter Götzl ließ den Neonazi in Gewahrsam nehmen und stellte einen Haftbefehl aus. Kaiser appellierte nun an den Strafsenat, „denken Sie an Ihren richterlichen Eid, dass Sie nur Wissen und Gewissen unterworfen sind“. Kaiser und Co-Verteidiger Herbert Hedrich hatten für André E. Freispruch gefordert.  

Verteidiger Zschäpes thematisierten Brand in Zwickau

Nur einen Teilerfolg erzielten am Dienstag Zschäpes Altverteidiger Wolfgang Heer und Anja Sturm mit ihrem Versuch, nach dem Abschluss der Plädoyers in der vergangenen Woche nochmal den Brand in Zwickau ausführlich zu thematisieren. Zschäpe hatte am 4. November 2011 in der  Wohnung in der Frühlingsstraße 26, in der sie gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos lebte, zehn Liter Benzin verschüttet und angezündet. Es kam zu einer Verpuffung, dann brach ein Großbrand aus.

Ein von den Anwälten beantragter Brandsachverständiger des Landeskriminalamts Bayern äußerte sich am Dienstag zu dem Risiko, dass die Flammen auf die zweite Haushälfte übergegriffen hätten. Dort lebte damals die gebrechliche Nachbarin Charlotte E., die durch das Feuer in Gefahr geriet. Gutachter Christian Setzensack erläuterte nun, die Trennwand zur Wohnung der Rentnerin hätte standgehalten, aber die Flammen wären  an der Dachrinne und dem hölzernen Dachüberstand entlang ohne das rasche Eingreifen der Feuerwehr zu der anderen Haushälfte vorgedrungen.

Setzensack war bereits im Januar 2014 im Prozess aufgetreten und hatte gesagt, die Minuten bis zur Rettung seien für Charlotte E. nicht gefährlich gewesen. Der Sachverständige betonte damals aber auch, „wäre die Explosion etwas anders verlaufen, wäre der Explosionsdruck größer gewesen, hätte die Wand fallen können, da hat nicht viel gefehlt“. Außerdem sei das Dachgeschoss durch die Explosion mit einer Wucht von 150 Tonnen auf 50 Quadratmetern „gelupft“ worden.  

Die Verteidiger Heer und Sturm wollten jetzt auch noch einen Gutachter zum Brandschutz in der Frühlingsstraße geladen bekommen, konnten sich aber gegen Richter Götzl nicht durchsetzen. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe im Fall Zwickau eine besonders schwere Brandstiftung in Kombination mit dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und versuchten Mord an Charlotte E,. und zwei Handwerkern vor, die im November 2011 das Dachgeschoss des Hauses renovierten. Schon für dieses Delikt droht Zschäpe lebenslange Haft.

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