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Verständigungsprobleme. Brexit-Minister David Davis (links) und EU-Verhandlungsführer Michel Barnier am Donnerstag in Brüssel.
© AFP/Emmanuel Dunand

Brexit-Gespräche: Zocken mit dem "No deal"

Der schleppende Fortgangs der Brexit-Gespräche steigert das Risiko eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens. Dass beide Seiten von einem "No-deal-Szenario" sprechen, gehört auch zum Brexit-Poker.

„Da sind wir wieder.“ Mit diesen Worten begrüßte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Donnerstag die Journalisten im Brüsseler Pressesaal. Es war inzwischen schon das fünfte Mal, dass Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis eine Verhandlungsrunde bei den zähen Gesprächen über Großbritanniens Austritt aus der EU hinter sich gebracht hatten. Auch diesmal waren die beiden kaum vorangekommen. Wegen der dürftigen Ergebnisse könne er dem EU-Gipfel am Ende der kommenden Woche nicht empfehlen, dass die Brexit-Gespräche in die nächste Verhandlungsphase eintreten könnten, kündigte Barnier an. Vor allem bei den Verhandlungen über die britische Austrittsrechnung hakt es. „Wir sind in einer Sackgasse“, sagte Barnier.

Angesichts des schleppenden Verhandlungsverlaufs steigt auch das Risiko, dass Großbritannien Ende März 2019 in einem ungeordneten Verfahren aus der EU ausscheidet. Beide Seiten bereiten sich schon auf dieses Worst-Case-Szenario vor. So hatte die britische Regierung in dieser Woche ein Positionspapier verbreitet, in dem davon die Rede war, dass nach dem Austrittstermin am 29. März 2019 Zollkontrollen im britischen Hinterland jenseits der Fährhäfen stattfinden könnten. Dass indes auf beiden Seiten von einem möglichen „No-deal-Szenario“ für den Austrittstermin in 18 Monaten überhaupt die Rede ist, gehört allerdings auch zum Verhandlungspoker. Beide Seiten spekulieren offenbar darauf, dass sich die Gegenseite bewegt, wenn das „No-deal-Szenario“ zeitlich näherrückt.

Gespräche kommen seit Monaten kaum voran

Seit Monaten kommen die Verhandlungen über die Austrittsvereinbarung kaum voran, in der die Bedingungen des Ausscheidens Großbritanniens aus der EU geregelt werden sollen. Barnier machte deutlich, dass er von den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten den klaren Auftrag erhalten habe, zunächst einen ausreichenden Fortschritt in den drei Punkten der Austrittsvereinbarung zu erzielen. Diese umfassen die britische EU-Austrittsrechnung, den Status der EU-Bürger in Großbritannien und umgekehrt die Rechte der Briten auf dem Kontinent sowie das Nordirland-Problem. Erst wenn die Gespräche über die Austrittsvereinbarung in ausreichendem Maße vorangekommen sind, so sieht es Barniers Mandat weiter vor, können die Brexit-Gespräche in die nächste Phase eintreten.

Briten wollen schon jetzt über künftige Handelsbeziehungen reden

Die Briten akzeptieren diese Reihenfolge aber nicht. Beim bevorstehenden Gipfel am Ende kommender Woche sollten die Staats- und Regierungschefs den bisher bei den Gesprächen erzielten Fortschritt anerkennen und einen Schritt nach vorn machen, forderte Brexit-Minister Davis am Donnerstag. Die Strategie dahinter: Die Regierung in London setzt – unter Umgehung des Chefverhandlers Barnier – darauf, dass ihr die Staats- und Regierungschefs den Weg in die nächste Verhandlungsphase ebnen. In dieser Phase soll darüber verhandelt werden, wie eine mehrjährige Übergangsperiode unmittelbar im Anschluss an den Brexit sowie eine künftige Handelsvereinbarung zwischen der EU und Großbritannien gestaltet werden könnte. „Wir müssen über die Zukunft sprechen“, forderte Davis am Donnerstag in Brüssel.

Nach der Ansicht von Barnier ist die Zeit allerdings noch nicht reif dafür. „In dieser Woche hat Großbritannien uns gesagt, dass sie die Zahlungen nicht benennen können“, sagte er mit Blick auf den Streit um die britische Austrittsrechnung. Mit ironischem Unterton charakterisierte der Franzose die Finanz-Gespräche in der zurückliegenden fünften Verhandlungsrunde folgendermaßen: „nützlich, aber technisch“.

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