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Sichtbarer Unmut: In Mexiko demonstrieren wegen der verschwundenen Studenten immer mehr Menschen.
© Imago

Verschwundene Studenten: Zehntausende Mexikaner fordern Rücktritt des Präsidenten

Das Schicksal der 43 verschwundenen Studenten ist noch immer unklar. Nach der Festnahme eines Bürgermeisters werden die Proteste im Land immer größer. Viele machen den Staat für das Verbrechen verantwortlich.

Ein Tag nach der Festnahme der Hauptverdächtigen im Fall der 43 in Mexiko verschwundenen Studenten haben im ganzen Land erneut Massenproteste stattgefunden. An mehr als 100 Universitäten und Schulen wurde gestreikt, im ganzen Land gab es Protestmärsche, Messen und Straßenblockaden. In der Hauptstadt marschierten mehrere zehntausend Menschen zum zentralen Zocalo-Platz, an der Spitze die Eltern der Vermissten mit überlebensgroßen Porträts ihrer Söhne.

"Wir wollen sie lebend!", riefen die Demonstranten und forderten den Rücktritt von Präsident Enrique Peña Nieto von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI). Sie machten den Staat für das Verbrechen verantwortlich. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen; in der Hauptstadt setzten Vermummte einen Bus in Brand, in Veracruz versuchten Demonstranten, den Regierungspalast anzuzünden. Es war der dritte Protestmarsch seit dem Blutbad Ende September.

Im Hochsicherheitsgefängnis

Der am Vortag festgenommene Bürgermeister von Iguala, José Luis Abarca von der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), wurde unterdessen in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt, in dem die gefährlichsten Drogenbosse des Landes einsitzen. Ihm wird der Mord von sechs Menschen und die Entführung der 43 Studenten zur Last gelegt. Nach Angaben des Anwalts der Familienangehörigen der Verschleppten ergab Abarcas Verhör aber keine neuen Hinweise auf den Verbleib der Vermissten.

Der Bürgermeister hatte Ende September der Ortspolizei den Befehl zur Repression der linksradikalen Studenten erteilt, die zu seinen härtesten Kritikern gehörten und an dem Tag aus ihrer Universität in den Bergen zu einer Kollekte nach Iguala gekommen waren. Sie wollten eine politische Kundgebung von Abarcas Frau stören. Nach einer Verfolgungsjagd und Schießerei, bei der sechs Menschen starben, übergaben die Polizisten die 43 festgenommenen Studenten offenbar Killern eines befreundeten Drogenkartells, das von Abarcas Schwagern gegründet worden war.

Genproben sollen Aufklärung bringen

Auch gegen Abarcas Frau, die mit ihm zusammen festgenommen worden war, wird ermittelt. Wegen der Tat sitzen 59 Polizisten und Drogenkiller in Haft. Sie haben ausgesagt, dass sie die Studenten umgebracht und die Leichen verbrannt haben. Daraufhin wurden in der Gegend um Iguala Dutzende Massengräber mit menschlichen Überresten gefunden; verlässliche Ergebnisse der von ausländischen Experten entnommenen Genproben werden allerdings erst Mitte November erwartet.

Das Massaker brachte Abgründe der Korruption und Komplizenschaft zwischen Drogenbanden und Politikern ans Tageslicht und hat die Glaubwürdigkeit der staatlichen Institutionen stark beschädigt. Abarca war schon vorher als Mörder und Drogenpate justizbekannt, doch weder seine Partei, noch der deshalb inzwischen zurückgetretene Gouverneur des Bundesstaates, noch die Staatsanwaltschaft waren tätig geworden. In der Nacht des Massakers wollten weder Krankenhäuser, Taxifahrer, Militärs oder Nachbarn den Studenten helfen. Nach dem Vorfall dauerte es eine Woche, bis sich die Generalstaatsanwaltschaft und der Ombudsmann einschalteten, nachdem Peña Nieto zunächst abgewiegelt hatte, dies sei eine "lokale Angelegenheit". Erst nach internationalem Druck und Protesten änderte er seine Meinung.

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