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Was kann Jan Böhmermann dafür, dass die aktuelle Satire so doof ist?
© dpa

Newsblog Fall Böhmermann: ZDF sagt Böhmermann vollste Unterstützung zu

Angela Merkel gab dem Gesuch der Türkei auf Strafverfolgung von Jan Böhmermann statt. Der TV-Moderator zieht sich einstweilen zurück. Unser Newsblog.

Deutschland ist ein Rechtsstaat. Durch die kluge Entscheidung der Bundeskanzlerin können jetzt eine deutsche Staatsanwaltschaft und ein deutsches Gericht juristisch (und nicht politisch!) darüber entscheiden, beziehungsweise klären, ob die Anschuldigungen gegen Herrn Böhmermann justiziabel sind oder nicht.

schreibt NutzerIn medley

Aus einer Satire wird eine Staatsaffäre. Seit Tagen diskutiert Deutschland über das Schmähgedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann. Der türkische Staatspräsident Erdogan ist erbost und hat bei der Bundesregierung Strafverfolgung beantragt und selbst auch Anzeige wegen Beleidigung gestellt. Der Fall geht nun nach dem Plazet der Bundeskanzlerin in Deutschland vor Gericht. Unser Newsblog zum Fall Böhmermann.

ZDF sichert Böhmermann vollste Unterstützung zu. Laut ZDF sollen in den nächsten vier Wochen, bis zum 12. Mai, keine neuen Ausgaben von Böhmermanns Sendung "Neo Magazin Royale" produziert werden.

Jan Böhmermann legt Fernsehpause ein. Auf seiner Facebook-Seite verkündet der Fernsehmoderator, er habe sich entschlossen, "eine kleine Fernsehpause einzulegen, damit sich die hiesige Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann". Es gebe "möglicherweise bedeutsamere Themen, als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht". Wie lang die Pause sein soll, teilte Böhmermann nicht mit. Den gesamten Facebook-Post finden Sie hier.

FDP-Chef Christian Lindner kann die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ein Strafverfahren gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann zuzulassen, nicht nachvollziehen. "Auf der Grundlage eines Paragrafen zu entscheiden, den die Regierung im selben Moment abschaffen will, ist paradox", sagte Linder dem Tagesspiegel. "Der Dissens in der Regierung darüber zeigt, dass die Fliehkräfte enorm zugenommen haben. Dass Frau Merkel offenbar gegen das Justizministerium entschieden hat, ist ein wechselseitiges Misstrauensvotum."

FDP-Chef Christian Lindner versteht Merkel nicht.
FDP-Chef Christian Lindner versteht Merkel nicht.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die türkische Regierungspartei AKP begrüßt dagegen Merkels Vorgehen. „Diese Entscheidung ist zweifellos eine richtige Entscheidung“, sagte AKP-Sprecher Ömer Celik nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag in Ankara. „Eine Beleidigung unseres Präsidenten ist eine Respektlosigkeit gegenüber unserer Nation und unseres Staates.“ Erdogan-Anhänger freuen sich über Merkels Entscheidung im Netz.

Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kritisiert Merkel. „Ich kann die Entscheidung nur mit erheblichem Unverständnis zur Kenntnis nehmen“, teilte der Rechtsanwalt am Freitagabend mit. „Diese Verfolgungsermächtigung war völlig überflüssig und ohne Not.“ Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan habe bereits als Privatmann Strafantrag gestellt, so dass die Staatsanwaltschaft die Frage der Beleidigung ohnehin hätte prüfen müssen.

Es sei rechtlich wie rechtspolitisch höchst bedenklich, einerseits zu erklären, dass die rechtliche Überprüfung Sache der Staatsanwaltschaften und Gerichte sei, andererseits aber eine Verfolgungsermächtigung nachzuschieben. Dieses Verhalten passe zu der Aussage der Bundeskanzlerin, dass sie das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten bereits als „bewusst verletzend“ bewertet habe. „Damit hat sie die Definition der Schmähkritik benutzt und eine rechtliche Bewertung vorgenommen, obwohl das der Justiz vorbehalten ist“, erklärte Schertz.

Horst Seehofer lobt die Entscheidung der Bundesregierung. "Die Kanzlerin hat die Unterstützung der CSU-Minister", sagte Seehofer am Freitag in München. Merkel habe die Prüfung von Böhmermanns Äußerungen über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zurecht in die Hände der Justiz gegeben. Seehofer sagte, in einem Rechtstaat müsse gelten: "Die Justiz entscheidet und nicht die Politik." Er unterstütze deshalb Bestrebungen, den Sonderparagrafen über eine Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter abzuschaffen. Zudem habe Merkel so deutlich wie noch nie Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei geübt. "Das ist ausdrücklich auch die bayerische Haltung", sagte der Ministerpräsident.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
© REUTERS

So begründen Merkel und Steinmeier ihre Positionen. Die Regierungsentscheidung zum Fall Böhmermann spaltet die Große Koalition. Wir dokumentieren die jeweiligen Erklärungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hier.

De Maizière verteidigt Merkels Böhmermann-Entscheidung. "In einem gewaltenteiligen Rechtsstaat halte ich es aber für ganz besonders wichtig, dass die Frage der Strafbarkeit dort entschieden wird, wo sie hingehört. Und das heißt: nicht durch die Bundesregierung, sondern durch die unabhängige Justiz", sagte der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Dafür ist der Weg jetzt frei."

Justizminister hält Ermächtigung für unnötig. Justizminister Heiko Maas (SPD) hält die von der Bundesregierung erteilte Ermächtigung zur Strafverfolgung aufgrund von Paragraf 103 für unnötig. Der türkische Präsident Erdogan hatte Böhmermann auch aufgrund Paragraf 185 wegen Beleidigung angezeigt. "Strafbare Beleidigung wird ohnehin von den Gerichten entschieden, unabhängig davon, ob eine Ermächtigung erteilt wird oder nicht", sagte Heiko Maas. Paragraf 103 werde ohnehin abgeschafft. "Der Gedanke einer Majestätsbeleidigung passt nicht mehr in unser Strafrecht", sagte Heiko Maas.

Außenminister Steinmeier: Kanzlerin hat entschieden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) machte in einer Stellungnahme deutlich, dass die CDU-geführten Minister für eine Ermächtigung gestimmt hätten, die SPD-geführten hingegen dagegen. "Wir sind der Auffassung, dass die Ermächtigung nicht hätte erteilt werden sollen", sagte Steinmeier, "Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit sind höchste Schutzgüter unserer Verfassung." Letztlich habe die Stimme der Kanzlerin den Ausschlag gegeben.

Horst Seehofer (CSU, rechts) lobt Kanzlerin Merkel für ihre Entscheidung. Die SPD sprach sich gegen die Zulassung der Klage aus.
Horst Seehofer (CSU, rechts) lobt Kanzlerin Merkel für ihre Entscheidung. Die SPD sprach sich gegen die Zulassung der Klage aus.
© dpa

Ex-Justizministerin nennt die Entscheidung "widersprüchlich". Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnet die Entscheidung in einer von der Naumann-Stiftung verbreiteten Stellungnahme als "Kniefall vor Erdogan". "Der antiquierte Paragraf 103 soll zu Recht abgeschafft werden", erklärte Leutheusser-Schnarrenberger. "Jetzt trotzdem noch einmal aus politischen Gründen die Strafverfolgung zu ermöglichen, ist absolut widersprüchlich."

Das ZDF bewertet die Zustimmung als "politische Entscheidung". Das ZDF hat die Zustimmung der Bundesregierung für ein gesondertes Strafverfahren gegen TV-Moderator Jan Böhmermann als „politische Entscheidung“ bewertet. Inhaltlich nahm der Sender am Freitag keine Stellung dazu und verwies auf das Justizverfahren. „Die Bundesregierung hat nach Paragraf 104a Strafgesetzbuch eine politische Entscheidung getroffen“, teilte das ZDF auf Anfrage mit. „Voraussetzung einer Strafbarkeit ist aber die Erfüllung des Beleidigungstatbestands. Dazu trifft die Entscheidung der Bundesregierung keinerlei Wertung. Das ist Aufgabe der Justiz.“
Sahra Wagenknecht (Linke) spricht von "unerträglichem Kotau". Die Fraktionschefin der Linken hat die Entscheidung der Bundesregierung auf Twitter heftig kritisiert. "Unerträglicher Kotau: Merkel kuscht vor türkischem Despoten Erdogan und opfert Pressefreiheit in Deutschland", schreibt Sahra Wagenknecht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan - hier auf einem Archivbild vom 25.02.2013 in Ankara.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan - hier auf einem Archivbild vom 25.02.2013 in Ankara.
© dpa

Berlins Innensenator lobt die Kanzlerin. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat sich lobend zu der Entscheidung der Bundesregierung geäußert. "Die Bundeskanzlerin hat in einer unglaublich komplizierten Situation klug gehandelt", sagte Henkel. "Sie hat deutlich gemacht, dass in unserem Land die unabhängige Justiz entscheidet, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, und nicht die Politik." Das sei kein Kniefall vor der Türkei, sondern ein selbstbewusstes Eintreten für unsere Werte und unseren Rechtsstaat. "Herr Böhmermann kann schon jetzt für sich als Erfolg verbuchen, dass eine überholte Strafrechtsnorm abgeschafft wird", sagte Henkel, "das ist mehr, als es sich jeder Satiriker erträumen lassen dürfte."

Kritik kommt vom DJV: Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall hat kein Verständnis für die Entscheidung der Bundesregierung in der Böhmermann-Affäre. „Ich finde das absurd“, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung hatte dem Wunsch der Türkei nach einem gesonderten Strafverfahren gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan stattgegeben. „Die Kanzlerin hat zwar betont, wie wichtig ihr Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit seien - allein mir fehlt der Glaube“, sagte Überall.

Recht habe die Kanzlerin allerdings damit, dass diese Entscheidung keine Vorverurteilung sei. „Ich hoffe, dass es gar nicht erst zu einer Anklage kommt“, so der DJV-Vorsitzende. Und selbst wenn, bedeute dass nicht, dass Böhmermann zwangsläufig verurteilt werde. „Am Ende glaube ich, dass die Presse- und Meinungsfreiheit höher wiegt.“

Die SPD sieht das anders: Angela Merkel hat es offen angesprochen - zwischen Union und SPD gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Entscheidung Merkels. Die SPD war gegen eine Ermächtigung. DAs kritisiert auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. "Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wg "Majestätsbeleidigung" passt nicht in moderne Demokratie.@janboehm", schreibt er auf Twitter:

Paragraf 103 soll abgeschafft werden: Angela Merkel spricht spricht sich auch für eine Abschaffung des Paragrafen 103, auf dessen Grundlage die Strafverfolgung jetzt stattfinde, aus. Die Bundesregierung wird laut Merkel einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Paragrafen vorlegen.

Merkel begründet die Entscheidung: Merkel erklärte, dass die Türkei ein enger Partner Deutschlands sei und man großen Wert auf die Freiheit der Presse und Meinung lege. Dies verfolge man auch in der Türkei genau. Merkel betont, dass diese Entscheidung für eine Ermächtigung keine Vorverurteilung Böhmermanns sei. Es sei aber eben Aufgabe der Gerichte zu entscheiden, ob die Persönlichkeitsrechte von Erdogan verletzt worden seien oder ob die Kunst- beziehungsweise Meinungsfreiheit höher zu bewerten sei.

Angela Merkel erteilt Ermächtigung: Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt dem Gesuch der Türkei nach Strafverfolgung gegen Jan Böhmermann nach. Der Weg für eine Strafverfolgung nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches ist damit frei. Merkel betont, dass es über diese Entscheidung unterschiedliche Auffassungen zwischen Union und SPD gibt.

Streit in der Koalition? Wie wird sich Angela Merkel entscheiden? Möglicherweise gibt es über diese Frage Streit innerhalb der Koalition, weil die SPD von der Kanzlerin verlangt, das Gesuch aus der Türkei abzulehnen. Sie selbst, so berichten Medien, soll eher geneigt sein, diesem Gesuch stattzugeben.

Angela Merkel gibt Pressekonferenz um 13 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt um 13 Uhr eine Pressekonferenz zur Causa Böhmermann. Das gab Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag bekannt. Zum Inhalt der Erklärung äußerte er sich nicht, es wird allerdings eine Entscheidung der Bundesregierung über den türkischen Wunsch nach Strafverfolgung für den Satiriker erwartet.

Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte zuvor dafür, den Streit um das Erdogan-Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann juristisch klären zu lassen. „Im Fall Böhmermann sollten jetzt einfach die Gerichte entscheiden, ob die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit überschritten worden sind oder nicht“, sagte der CDU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“. „Satire darf alles. Aber nicht jede Herabwürdigung ist noch Satire.“

Peter Altmaier verteidigt lange Wartezeit: Derzeit prüft die Bundesregierung den Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung Böhmermanns. Dieser hatte in seiner satirischen TV-Show „Neo Magazin Royale“ beleidigende Formulierungen für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan benutzt.
Merkel hatte am Donnerstag gesagt, dass noch nichts entschieden sei. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte die lange Bedenkzeit. „Wir werden diese Entscheidung dann treffen, wenn wir ganz sicher sind, dass es die richtige Entscheidung ist - und wir werden sie sehr sorgfältig treffen“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. Es werde „in absehbarer Zeit“ ein Ergebnis geben.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht im Fall Böhmermann die Gerichte am Zug.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht im Fall Böhmermann die Gerichte am Zug.
© dpa/Kay Nietfeld

Nach eigener Darstellung wollte Böhmermann den Unterschied zwischen erlaubter Satire und Schmähkritik aufzeigen. Dazu trug er ein Gedicht vor, das unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie handelte und Klischees über Türken transportierte. Außerdem wurde an einer Stelle die Unterdrückung von Minderheiten erwähnt. Um die Strafverfolgung wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts zu ermöglichen, braucht es eine sogenannte Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.

„Nach der Rechtslage in unserem Land muss immer zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit auf der einen und dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite abgewogen werden“, sagte Kauder. „Jemand, der sich wie der türkische Staatspräsident persönlich beleidigt fühlt, hat selbstverständlich das Recht, dagegen juristisch vorzugehen. Und allein mit dem Vorspann „Achtung, jetzt kommt Satire!“ wird man sich nicht automatisch rechtlichen Konsequenzen entziehen können.“ (mit Agenturen)

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