Rechtsextremismus: Zahl rechtsextremer Verdachtsfälle in der Bundeswehr deutlich gestiegen
Der Fall des Oberleutnants Franco A. hat eine Debatte um rechtes Gedankengut in der Bundeswehr ausgelöst. Seither prüft der Militärgeheimdienst so viele Meldungen aus der Truppe wie lange nicht.
Seit der Affäre um den rechtsextremen Oberleutnants Franco A. geht der Militärgeheimdienst MAD so vielen mutmaßlichen Rechtsextremisten in der Bundeswehr nach wie seit Jahren nicht mehr. 2017 seien 400 neue Verdachtsfälle hinzugekommen, teilte die Behörde der Deutschen Presse-Agentur mit. In den Jahren seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 waren es im Schnitt 300 pro Jahr.
Ein Auslöser war den Angaben zufolge der Fall des rechtsextremen Oberleutnants Franco A., der einen Anschlag geplant haben soll. Im Zuge dessen habe der MAD „einen Anstieg des Meldeaufkommens im Phänomenbereich Rechtsextremismus“ verzeichnet, berichtete ein Sprecher. Der Zuwachs sei „Ausdruck einer gestiegenen Sensibilität hinsichtlich möglicher rechtsextremistischer Verhaltensweisen“. Sechs der 400 Soldaten stufte der Geheimdienst als rechtsextrem ein.
Vor Aussetzung der Wehrpflicht lagen die Zahlen noch deutlich höher. In den Jahren 2008 bis 2011 hatte der Militärische Abschirmdienst im Schnitt knapp 600 rechtsextremistische Verdachtsfälle jährlich überprüft. Pro Jahr hatten sich damals der Behörde zufolge durchschnittlich gut 40 Fälle bestätigt.
"Gestiegene Sensibilität in der Truppe"
Die Zahl mutmaßlicher Linksextremisten sei seit Aussetzung der Wehrpflicht deutlich zurückgegangen und spiele nur eine untergeordnete Rolle in der Truppe, erklärte der MAD-Sprecher. Gegen jegliche Erscheinungsformen von Extremismus werde entschlossen vorgegangen. „Extremismus wird in der Bundeswehr grundsätzlich nicht geduldet.“
„Die gemeldeten Verdachtsfälle sind sicher ein Anzeichen für eine gestiegene Sensibilität in der Truppe, aber für sich noch kein Indikator für rechtsextremistische Umtriebe in der Bundeswehr“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Verdachtsmeldungen reichten von fehlerhaften Meldungen, falschen Verdächtigungen bis hin zu ernstzunehmenden Vorfällen. Entscheidend sei die Anzahl der bestätigen Fälle, diese sei in den vergangenen Jahren auf gleichbleibend niedrigen Niveau gewesen.
Der Fall des Franco A. hatte im Frühjahr 2017 eine Debatte über Rechtsextremismus in der Bundeswehr entfacht. Der aus Offenbach stammende Oberleutnants soll den Ermittlungen zufolge einen Anschlag vorbereitet haben, bei dem er den Verdacht auf Flüchtlinge lenken wollte.
Der Fall hatte auch deshalb für breite Debatten gesorgt, weil es dem Offizier gelungen war, sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfolgreich als syrischer Flüchtling auszugeben, obwohl er nicht einmal Arabisch spricht. Der Soldat war Ende November aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat Anklage unter anderem wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erhoben.
"Kein Kavaliersdelikt"
Der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu führt den Anstieg der Verdachtsfälle nicht nur auf den Fall Franco A. zurück. „Wir beobachten in Deutschland und Europa einen gesellschaftlichen Rechtstrend, der wirkt auch in die Bundeswehr hinein“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wenn dieser Trend weiter anhalte, werde auch die Zahl der Verdachtsfälle weiter steigen. Jeder Fall müsse geprüft werden. „Das ist kein Kavaliersdelikt, da kann man nicht die Augen zudrücken.“
Der MAD soll Bundeswehr und Verteidigungsministerium gegen Sabotage, Zersetzung und Spionage schützen. Bewerber für die Truppe werden vom MAD auf Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen überprüft. Seit Juli 2017 muss sich jeder Bewerber wegen seines späteren Umgangs mit Kriegswaffen einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterziehen.
Wer etwa an Artilleriegeschützen, Panzern oder Maschinengewehren ausgebildet wird, musste zuvor nur ein Führungszeugnis vorlegen und sich zum Grundgesetz bekennen. Mit der restriktiveren Handhabe will sich die Bundeswehr gegen Extremisten in den eigenen Reihen wappnen. Auch Erkenntnisse der Verfassungsschützer oder des Bundeskriminalamts werden nun vor der Einstellung herangezogen.
Im Jahr 2017 führte der MAD 7400 Sicherheitsüberprüfungen von Bewerbern durch. Vier Personen sei der Eintritt in die Truppe aufgrund der neuen Gesetzeslage verwehrt worden - aus Zweifeln am Bekenntnis zum Grundgesetz, heißt es in der Behörde. Der personell unterbesetzte MAD erhält 40 Dienstposten mehr, um die Überprüfungen durchzuführen. Der Geheimdienst gilt seit Längerem als unterbesetzt. (dpa)