EU-Gipfel in Brüssel: Zähe Verhandlungen zwischen Griechenland und Gläubigern
Merkel macht beim EU-Gipfel in Brüssel deutlich, dass sie Griechenland im Euro-Raum halten will. Doch bei den Detailverhandlungen zwischen Athen und den Geldgebern gibt es noch keinen Durchbruch.
Den einen oder anderen Gipfelteilnehmer wird am Mittwoch ein gewisses Déjà-vu-Gefühl beschlichen haben. Wieder stand ein EU-Spitzentreffen mit den Vertretern zahlreicher Drittstaaten an – aber das Interesse der Öffentlichkeit galt vor allem dem Geschehen am Rande und dem griechischen Premier Alexis Tsipras. Zuletzt hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande Ende Mai am Rande eines EU-Gipfels mit osteuropäischen Staaten wie der Ukraine und Georgien in einem Hotel in Riga mit Tsipras getroffen. Hinterher erklärte Tsipras, man werde „bald“ zu einer Einigung in der Schuldenkrise kommen. Der Optimismus des Chefs des Linksbündnisses Syriza war verfrüht. Denn als am Mittwoch Delegationen aus 61 Ländern in Brüssel zum nächsten Gipfel – diesmal mit den Staaten Lateinamerikas – zusammenkamen, war das Griechenland-Problem immer noch nicht gelöst. Und wie seinerzeit in Riga sollte es auch diesmal wieder am Rande um Hellas’ Schuldenkrise gehen.
Allerdings blieb zunächst offen, ob es wie in der lettischen Hauptstadt zu einem Treffen zwischen Merkel, Hollande und Tsipras kommen würde. Während Tsipras’ Syriza-Leute am Nachmittag davon ausgingen, dass es am Abend zu der Begegnung kommen würde, hielt man sich in den deutschen und französischen Delegationen zunächst bedeckt. In EU-Diplomatenkreisen hieß es, die „Chefs“ – also Merkel und Hollande – wollten nicht alle naselang Krisentreffen abhalten, bei denen nichts herauskomme.
Tatsächlich hatte es bei dem nächtlichen Treffen zwischen den dreien in Riga kein greifbares Ergebnis gegeben. Bewegung kam erst in die Sache, als Merkel vor eineinhalb Wochen im Kanzleramt ein Krisentreffen organisierte und die Gläubiger anschließend einen neuen Forderungs-Katalog vorlegten. Er enthielt unter anderem abgeschwächte Vorgaben bei dem von Griechenland erwarteten Primärüberschuss, bei dem der Schuldendienst ausgeklammert wird. Tsipras legte dann seinerseits eine 47-seitige Reformliste vor. Sie unterschied sich von den Forderungen der Gläubiger unter anderem dadurch, dass der Primärüberschuss in diesem Jahr nicht bei einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen soll, sondern nur bei 0,6 Prozent.
Die Höhe des Athener Primärüberschusses bleibt umstritten
Diese Zahlen gehörten auch am Mittwoch weiterhin zu den Streitpunkten bei den zähen Griechenland-Verhandlungen. Zwar hatte Tsipras seinen Vorschlag zwischenzeitlich nachgebessert und angeboten, dass der angepeilte Überschuss in diesem Jahr bei 0,75 Prozent liegen könne. Doch in Brüssel wurde das Angebot abgelehnt. Ein Kommissionssprecher erklärte, dass EU-Währungskommissar Pierre Moscovici den griechischen Vertretern klar gemacht habe, „dass ihre jüngsten Vorschläge nicht den Stand der Gespräche zwischen Präsident Juncker und Ministerpräsident Tsipras“ von der vergangenen Woche widerspiegelten. Offenbar aus Verärgerung über das mangelnde griechische Entgegenkommen sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ein Treffen mit Tsipras am Mittwoch in Brüssel ab.
Merkel: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Von einem Zerwürfnis war aber beim EU-Lateinamerika-Gipfel zumindest in der Öffentlichkeit nichts zu spüren. Juncker begrüßte den griechischen Regierungschef mit einem Schulterklopfen. Und Merkel machte bei ihrem Eintreffen in der belgischen Hauptstadt angesichts der Causa Griechenland von einem Satz Gebrauch, den sie vor kurzem auch schon in Gegenwart des britischen Regierungschefs David Cameron benutzt hatte, dessen Land in ihren Augen EU-Mitglied bleiben soll: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Merkel sagte weiter: „Wir wollen Griechenland im Euroraum halten.“
Wie ein möglicher Kompromiss gestaltet wird, dürfte von den technischen Gespräche abhängen, die unterhalb der Chefebene stattfinden. „Unsere Finanzexperten sind bereit, nun Tag und Nacht an den technischen Details zu arbeiten – aber wir brauchen dafür ein Signal von der politischen Entscheidungsebene“, verlautete aus der Europäischen Zentralbank (EZB). „Merkel, Hollande und Tsipras müssen ihr heutiges Treffen nutzen, um den Weg für eine schnelle Einigung zu ebnen“, sagte Gabi Zimmer, Fraktionschefin der Linken im EU-Parlament, dem Tagesspiegel. Sie plädierte für ein wirtschaftspolitisches Entgegenkommen: „Die griechische Bevölkerung braucht endlich wieder Luft zum Atmen.“
Es gebe „eine 50:50-Chance, dass es noch klappt“, sagte ein hochrangiger Vertreter der Euro-Gruppe am Mittwoch dem Tagesspiegel, „aber nicht wegen heute Abend“. Wo die aus seiner Sicht entscheidenden Verhandlungen stattfinden, sagte er jedoch nicht – denn auch die technischen Gespräche zwischen Athen und den Institutionen der Gläubiger in Brüssel fanden in den vergangenen Tagen nicht mehr statt.
Dafür wurden am Mittwoch in Frankfurt am Main neue Fakten in der Griechenland-Krise geschaffen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Bankeninsider berichtete, stockte die EZB ihren Rahmen für Notfall-Liquiditätshilfen (Ela) an griechische Banken um 2,3 Milliarden Euro auf 83,0 Milliarden Euro auf.
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