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Der Prozess gegen den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel (hier mit seiner Frau Dilek) soll im Juni fortgesetzt werden.
© Can Erok/DHA-Depo Photos/AP/dpa

Türkei: Yücels Gesprächspartner unter Terrorverdacht

Die türkische Staatsanwaltschaft stuft Oppositionelle, Anwälte und Journalisten als potenzielle Staatsfeinde ein - weil sie mit Deniz Yücel telefonisch Kontakt hatten.

Kurz vor dem Gipfeltreffen von EU und Türkei im bulgarischen Varna an diesem Montag gibt es neue Probleme in den türkisch-europäischen Beziehungen. Wie die Zeitung „BirGün“ berichtet, weitet die türkische Staatsanwaltschaft ihren Terror-Verdacht gegen den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel auf die türkischen Gesprächspartner des Korrespondenten aus. Damit werden 59 Oppositionspolitiker, Anwälte und Journalisten in der Türkei als potenzielle Staatsfeinde eingestuft, weil sie mit Yücel telefoniert haben.

In Varna soll über eine Wiederannäherung zwischen EU und Türkei gesprochen werden. Doch der Krieg im syrischen Afrin, Spannungen mit Griechenland und Zypern sowie der verstärkte Druck der türkischen Behörden auf die Medien führen zu neuem Streit.

Milliarden für die Flüchtlinge

Eigentlich galt der Fall Yücel, der die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland ein Jahr lang belastete, seit der Freilassung des Journalisten Mitte Februar als beendet. Nun aber zeigt der „BirGün“-Bericht, dass die türkische Justiz die Vorwürfe der Terror-Propaganda und der Volksverhetzung gegen den Reporter zum Anlass nehmen könnte, auch Yücels Kontakte unter die Lupe zu nehmen.

Die Polizei habe auf dessen Telefon die Nummern von regierungskritischen Journalisten und Politikern gefunden, bei denen daher „Verbindungen zu einer Terrororganisation“ angenommen würden. Der Prozess gegen Yücel soll am 28. Juni weitergehen.

In Varna wollen die Spitzen der EU mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan über eine Wiederannäherung reden. Ein wichtiges Thema ist die Zukunft des Flüchtlingsabkommen zwischen beiden Seiten, das seit 2016 den Ansturm von Schutzsuchenden aus der Türkei nach Europa stark reduziert hat.

Die EU-Kommission will Ankara weitere Milliardenzahlungen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in Aussicht stellen. Erdogan fordert zudem die Visafreiheit für Türken bei Reisen nach Europa, was in der EU aber auf Vorbehalte trifft.

Scharfe Kritik am Militäreinsatz in Syrien

Zusätzliche Belastungen sind durch türkische Störmanöver bei der Suche nach Gasvorräten des EU-Mitglieds Zypern im Mittelmeer und neue Grenzstreitigkeiten zwischen Ankara und Athen in der Ägäis entstanden. Zudem haben die Europäer die türkische Militärintervention in Afrin scharf kritisiert. Kanzlerin Angela Merkel nannte Ankaras Vorgehen in Syrien „inakzeptabel“. Das türkische Außenministerium warf Merkel deshalb vor, die Lage in Syrien „aus dem Blickwinkel von Terroristen“ zu betrachten.

Vor dem Varna-Gipfel appellierten 75 Abgeordnete des EU-Parlaments in einem Brief an EU-Präsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Erdogan zur Freilassung von Journalisten und anderen angeblichen Regierungsgegnern zu drängen. Engere Beziehungen müssten zudem von der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit abhängig gemacht werden, forderte die Grünen-Politikerin Rebecca Harms.

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