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Auftritt in Oberhausen: Der türkische Ministerpräsident Yildirim.
© AFP/ Sascha Schuermann
Update

Türkischer Ministerpräsident in Deutschland: Yildirim wirbt vor tausenden Türken in Oberhausen für Präsidialsystem

Ministerpräsident Yildirim buhlt bei in Deutschland lebenden Türken für die Reform von Präsident Erdogan. Der Zeitpunkt seines ohnehin kontroversen Auftritts ist heikel.

Bei einem umstrittenen Auftritt vor tausenden Landsleuten in Deutschland hat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei geworben. "Seid ihr für eine große Türkei? Eine starke Türkei? Für Stabilität, Ruhe und Frieden?", fragte Yildirim bei der Kundgebung in Oberhausen am Samstag. "Dann gebt eine Antwort, die ganz Europa, die ganze Welt hören kann!"

Die Veranstaltung wurde von der Ingewahrsamnahme des Korrespondenten der „Welt“, Deniz Yücel, durch die türkische Polizei überschattet. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte angesichts Yildirims Auftritts die Türkei zur Achtung demokratischer Grundrechte auf. "Wer bei uns Meinungsfreiheit beansprucht, sollte auch selbst Rechtsstaat und Pressefreiheit gewährleisten", erklärte er am Samstag mit Blick auf die Festnahme des deutsch-türkischen Korrespondenten in Istanbul.

Yildirim warf Deutschland implizit vor, der Gülen-Bewegung Zuflucht zu gewähren. Ankara werde "in der Türkei und dem Rest der Welt" weiter vorgehen gegen "die Terroristen, die Unterstützer des Terrorismus und jene, die Terroristen aufnehmen". Er wandte sich zugleich gegen Kritik an seiner Regierung: "Die Tage sind vorbei, da man der Türkei Lehren erteilen konnte." Die Kundgebung in Oberhausen stand unter dem Motto "Wer sein Land liebt, sagt Ja". Das geplante Präsidialsystem würde Staatschef Recep Tayyip Erdogan mehr Macht einräumen und das Parlament schwächen.

Scharfe Kritik an Veranstaltung

Die Veranstaltung vom Samstag, die von der Ankara-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten organisiert wurde, hatte im Vorfeld für scharfe Kritik hierzulande gesorgt. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen rief die Bundesregierung auf, Yildirims "Werbefeldzug für die Diktatur" zu verbieten. Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu warnte, Yildirim werde als "Strohmann" Erdogans "seine Propaganda verbreiten". Zudem wurde gewarnt, der Auftritt werde die Türken in Deutschland polarisieren. Die Bundesregierung hatte Yildirim deshalb vor im Vorfeld zur Zurückhaltung gemahnt.

Yildirim rief bei dem Auftritt die Türken in Deutschland auf, "die deutsche Sprache besser als die Deutschen" zu lernen, aber auch Türkisch zu bewahren. "Ihr seid zugleich Bürger der Türkei und Deutschlands", sagte Yildirim. Erdogan hatte in den vergangenen Jahren mit der Warnung vor "Assimilation" der Türken in Deutschland wiederholt für Kontroversen gesorgt.

Die Rede Yildirims wurde von mehreren Gegendemonstrationen begleitet. Die Proteste verliefen nach Angaben der Polizei friedlich. An einem Demonstrationszug zum Veranstaltungsort beteiligten sich demnach rund 750 Menschen. Eine Polizeisprecherin sprach von einem ruhigen Verlauf.  Einem Journalisten der Zeitung „taz“ wurde der Zutritt zu der Veranstaltung trotz Akkreditierung verweigert. Die „taz“-Chefredaktion sprach von einer „politischen Maßregelung“.

Das türkische Volk soll am 16. April über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei abstimmen. Wahlberechtigt sind auch im Ausland lebende Türken. In Deutschland sind das 1,41 Millionen Türken.

Deutsche Politiker fordern Freilassung von "Welt"-Korrespondent

Deutsche Politiker forderten unterdessen die Freilassung Yücels. „Herr Yildirim wäre gut beraten, auch aus Deutschland heraus für Klarheit und die Freilassung des Journalisten zu sorgen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nach Angaben die Redaktion der „Welt“ stellte sich Yücel am Dienstag der Polizei in Istanbul. Seinen Anwälten sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wegen Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt werde. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 lässt Erdogan rigoros gegen Oppositionelle und Medien vorgehen.

Das Auswärtige Amt appellierte an die Türkei, rechtsstaatliche Regeln sowie Fairness einzuhalten. „Natürlich tun wir alles, was wir können, um Deniz Yücel zu unterstützen“, sagte ein Sprecher.

„Das Notstandsdekret erlaubt Erdogan nicht nur kritische türkische Journalisten zu inhaftieren, sondern nun auch Druck auf ausländische Journalisten auszuüben“, kritisierte der Grünen-Chef Cem Özdemir. Yücel besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Für die Türkei ist er damit kein ausländischer Journalist.

Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, forderte „ein faires und rechtsstaatliches Verfahren“. Die Journalistengewerkschaft dju verlangte die Freilassung Yücels. „Er hat (...) über einen Hackerangriff auf den türkischen Energieminister Albayrak recherchiert“, sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. „Das ist kein Verbrechen, sondern seine Arbeit." (dpa/ AFP)

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