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Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe steht im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München neben ihrem neuen, vierten Anwalt Mathias Grasel.
© Peter Kneffel/dpa

223. Tag im NSU-Prozess: Wurden brisante Unterlagen bewusst vernichtet?

Nach dem Willen von Nebenklageanwälten soll das Schreddern von Verfassungsschutz-Dokumenten im November 2011 nun im NSU-Prozess noch einmal aufgerollt werden.

Die Geschichte war für den Verfassungsschutz peinlich, jetzt wird sie möglicherweise nochmal ein größeres Thema. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München wollen die Anwälte von 29 Nebenklägern die Schredder-Affäre des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) aufrollen. Im November 2011 hatte ein Referatsleiter des BfV wenige Tage nach dem Ende der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ Unterlagen zu rechtsextremen V-Leuten der Behörde vernichten lassen. Als der Fall im Juli  2012 bekannt wurde, trat der damalige BfV-Präsident Heinz Fromm zurück.

Der Inhalt der Akten zu den Ende der 1990er Jahre in Thüringen angeworbenen Spitzeln konnte allerdings weitgehend rekonstruiert werden. Die Opfer-Anwälte aus dem NSU-Prozess wollen das Material nun in das Verfahren eingeführt bekommen und selbst sichten. Für die Anwälte ist der Verdacht, im BfV seien 2011 brisante Kenntnisse zum NSU, dessen Mitglieder aus Thüringen stammten, vorhanden gewesen und deshalb geschreddert worden, nicht ausgeräumt.

Entsprechend scharf ist der Beweisantrag formuliert, den die Vertreter der Nebenkläger am Montag beim 6. Strafsenat einreichten. Die Anwälte verlangen nicht nur, Unterlagen zu sehen, sondern auch den für das Schreddern verantwortlichen Referatsleiter als Zeugen im Prozess auftreten zu lassen. „Zu dem Beweis der Tatsachen“, er habe die Akten bewusst „in einem irregulären Verfahren“ vernichten lassen – um Hinweise zu den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, zu ihrer mutmaßlichen Komplizin Beate Zschäpe und zu möglichen Unterstützern der Terrorzelle den „strafrechtlichen Ermittlungen zu entziehen“. In dem Antrag werden neben Zschäpe die vier Mitangeklagten im NSU-Prozess genannt.

„Staatliche Stellen“ hätten die Aufklärung der zehn Morde und weiteren Verbrechen des NSU durch die Aktenvernichtung „gezielt behindert“, heißt es in einer Presseerklärung der Anwälte zu dem umfangreichen Antrag. Ein Sonderermittler des Bundesinnenministerium, selbst ehemals Mitarbeiter des BfV, wie auch die Staatsanwaltschaft Köln hatten allerdings keine Hinweise entdecken können, der Verfassungsschutz habe Erkenntnisse zum NSU vertuscht. Die Staatsanwaltschaft sah im Juni 2013 in den bis dahin rekonstruierten Inhalten keine Hinweise auf Mitglieder der Terrorzelle.

Dann  wurde allerdings die mysteriöse Geschichte eines früheren V-Mannes des BfV mit dem Decknamen „Tarif“ bekannt. Auch Akten von „Tarif“ waren 2011 im Reißwolf gelandet. Der Ex-Spitzel behauptete Anfang 2014 gegenüber Medien, ein mutmaßlicher Unterstützer des NSU habe ihn 1998 nach einer Unterkunft für die flüchtigen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gefragt. Das BfV soll die Chance, an die drei heranzukommen, jedoch nicht genutzt und den V-Mann angewiesen haben, nichts zu unternehmen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Geschichte dementiert. Ein Antrag von Nebenklage-Anwälten im NSU-Prozess, den früheren V-Mann als Zeugen zu hören, liegt seit März 2014 beim Strafsenat.      

Frank Jansen

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