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Bund-Länder-Streit beim Autobahnbau.
© Matthias Balk/dpa

Bundesautobahngesellschaft: Woran Dobrindts Straßenpläne kranken

Zielkonflikt beim Investitionshochlauf: Wie die Bundesregierung mit ihrem Vorhaben für eine Zentralisierung der Straßenbauverwaltung die eigenen Milliarden-Ausgaben gefährden könnte.

Alexander Dobrindt geht in die Vollen. Der Bundesverkehrsminister, mit seinem Maut-Projekt in der Defensive, will nun zumindest als Großmeister des Straßenbaus in ganz Deutschland punkten. Der CSU-Politiker bringt das auf den Begriff „mein Investitionshochlauf“. Dahinter steckt die deutliche Aufstockung der Mittel für Bau, Erhalt, Modernisierung und Betrieb der Autobahnen und Bundesstraßen. 2016 kann Dobrindt immerhin 19 Prozent mehr ausgeben als im vorigen Jahr, das sind 1,17 Milliarden Euro. Bis 2018 soll sein Investitionshochlauf insgesamt  40 Prozent ausmachen. Da die Straße im Vordergrund steht, wächst das Volumen der Straßenbaumittel sogar um 80 Prozent.

Das Problem ist nur: Wer so viel Geld in die Hand nimmt, muss sicherstellen, dass es am Ende auch vernünftig ausgegeben werden kann. Zwar gilt für die Straßenbaumittel im Bundeshaushalt mittlerweile die Überjährigkeit – Geld, das nicht abfließt, darf auf den nächsten Haushalt übertragen werden. Damit wurde ein Problem des bestehenden Systems angegangen – dass nämlich wegen Mängeln oder Zeitverzug bei der Planung oder Bauausführung Projekte stocken und die Mittel dann zunächst verfallen.

Kompletter Umbau

Aber das reicht der Bundesregierung nicht. Sie will das ganze System der Straßenverwaltung  komplett umkrempeln, um es effizienter zu machen. Das Zauberwort lautet „Bundesfernstraßengesellschaft“. Dobrindt will sie vor allem für die Autobahnen – Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fordern die Superbehörde des Bundes für alle Straßen, die der Bund finanziert. Bisher ist es so, dass aus Berlin das Geld und eine Art Grobplanung kommt, die Detailplanung und die Umsetzung der Projekte aber Sache der Länder ist. Allerdings unter stetiger Beteiligung der jeweils anderen Seite. Das System nennt sich Auftragsverwaltung – auf Bundesseite wird dieses Mischwesen allgemein als ineffizient beschrieben, weil es Reibungsverluste gibt, auf Länderseite dagegen als bewährtes Instrument bezeichnet, weil die gesamte Straßenverwaltung (inklusive Landes- und Kreisstraßen) so in einer Hand ist.

Dobrindt beklagt, dass Qualität und Leistung der Auftragsverwaltung je nach Bundesland sehr unterschiedlich sei – „bei manchen funktionieren die Abläufe besser, bei anderen schlechter“. Manche Länder, so der Bundesminister, seien „bei Planung und Umsetzung überfordert“. Sein Anliegen ist eine bessere Verwaltung in Bundeshand. Gabriel und Schäuble stehen dahinter, weil sie die Investitionsprojekte des Bundes stärker für die Beteiligung privaten Kapitals öffnen wollen. Kritiker des Vorhabens hegen den Verdacht, dass die Zentralbehörde nichts anderes ist als der Einstieg in die Privatisierung der Fernstraßen nach dem Vorbild der Deutschen Bahn AG.

Zeitraubendes Vorhaben

Mit ihrem Doppelplan, die Investitionen massiv auszuweiten und gleichzeitig die Bundesfernstraßengesellschaft auf den Weg zu bringen, sind Dobrindt, Gabriel und Schäuble freilich in einen Zielkonflikt geraten. Denn der Radikalumbau der Verwaltung bräuchte Zeit und würde genau in die Phase fallen, in welcher der milliardenschwere  Investitionshochlauf  wirken soll. Vorbedingung wäre zudem eine Grundgesetzänderung, für die man eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat braucht.

Skeptisch sieht die Bundespläne daher der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD). Dem Tagesspiegel sagte er: „Jede zentralistische Lösung bedeutet einen Zeitverlust, den wir uns nicht leisten können. Der Vorschlag des Bundes läuft auf eine Übergangsphase von mindestens zwei Legislaturperioden hinaus, denn mit der nötigen Grundgesetzänderung ist es ja nicht getan.“ Er glaube nicht, „dass wir die vom Bund geplante Ausweitung der Verkehrsinvestitionen stemmen können, wenn wir gleichzeitig an einen solch grundlegenden Umbau der Straßenverwaltung herangehen.“

Machtprobe mit den Ländern

Bodewig ist Akteur in dieser Machtprobe zwischen Bund und Ländern. Der Ex-Bundesminister hat den moderierenden Vorsitz in einer Kommission übernommen, welche die Verkehrsminister der Länder im Vorjahr eingesetzt haben, um der Bundesverwaltung etwas entgegenzusetzen. Die größeren Länder zumindest haben eine klare Haltung – sie wollen die Auftragsverwaltung beibehalten, allen voran Bayerns Verkehrsminister Joachim Hermann (was Dobrindt in eine pikante Position bringt). Die Landtage haben sich entsprechend positioniert. Allenfalls in den schwächeren Ländern gibt es Sympathien für eine Bundeslösung.

Mittlerweile haben sich die Länder ein Stück auf den Bund zubewegt. Schon Anfang Dezember hatte die Bodewig-Kommission einen Bericht vorgelegt, in dem drei Szenarien beschrieben wurden: erstens eine Reform der Auftragsverwaltung, zweitens eine Reform inklusive einer zentralen Finanzierungsgesellschaft, drittens eine reine Bundesverwaltung. Szenario zwei kam am besten weg. In der darin vorgesehenen „Kapitalsammelstelle“ des Bundes würden Mauteinnahmen und Haushaltsmittel zusammenlaufen, er könnte Kredite aufnehmen und auch private Gelder einsammeln – wobei die Länderverkehrsminister das nur bei Einzelprojekten wünschen. Die Finanzierung des Fernstraßenbaus wäre aus ihrer Sicht längerfristig gesichert und weniger abhängig von Planungsschwankungen oder parlamentarischen Launen.

Vorschlag zur Optimierung

Jetzt legte die Bodewig-Kommission einen weiteren Bericht vor, der dem Tagesspiegel vorliegt. In ihm wird eine Optimierung des bisherigen Verfahrens vorgeschlagen. Eines der Kernprobleme ist bisher die lange Phase bis zum endgültigen Genehmigen eines Projekts durch das Bundesverkehrsministerium. Das kann gut und gerne zweieinhalb Jahre dauern, gefüllt durch ein Hin und Her zwischen den Bürokratien. Stattdessen wollen die Länder nun dem Bund zu Beginn einer Projektphase mehr Macht zugestehen, selber aber in der Ausführungsphase freiere Hand bekommen, wenn auch unter Bundesaufsicht. Die Kernsätze in dem „Prozessoptimierungsbericht“ lauten: „Der Bund wird zum Beststeller, Finanzier und Kontrolleur. Die Länder avancieren zum eigenverantwortlichen Umsetzer. Aus der Auftragsverwaltung wird so eine Auftragsverantwortung.“  Auch ein Anreizsystem ist vorgesehen: Länder, welche die Bundesvorgaben schnell und effizient ausführen, sollen belohnt werden, Trödler hätten Nachteile. 

Ob der Bund diese Entzerrung im System mitmacht, ist offen. Am 23. Februar will die Bodewig-Kommission einen Abschlussbericht vorlegen. Mitte März kommen die Ministerpräsidenten zusammen und dürften sich dann auf eine gemeinsame Haltung verständigen. Sollte der Bund auf seinem Modell bestehen (und Schäuble hat es in den Verhandlungen um einen neuen Finanzausgleich zur Bedingung gemacht), werden die Länder wohl dagegenhalten, dass er dann alle relevanten Mitarbeiter übernehmen müsse – etwa 30000 an der Zahl. Das könnte für den Bund teuer werden. „Eine Bundesfernstraßengesellschaft brächte ungewöhnlich hohe Transaktionskosten durch die Übertragung von Personal und Pensionslasten von den Ländern auf den Bund“, sagt Bodewig. „Ich schätze, dass eine Bundesverwaltung am Ende zehn Prozent teurer wäre als das optimierte bestehende System.“

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