NSU-Prozess in München: Womöglich entkam Zschäpe nur knapp der Explosion
Im NSU-Prozess im Oberlandesgericht München ging es am Dienstag um die Explosion der gemeinsamen Wohnung der Terror-Gruppe in Zwickau. Beate Zschäpe hatte einen Brandsatz gelegt, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt am selben Tag getötet hatten.
Sie lebten komfortabel und sie waren gerüstet wie ein paranoider Mensch, der Scharen von Einbrechern befürchtet. Drei Kameras an den Fenstern der Wohnung, eine vierte an der Eingangstür, dazu je ein Funkkontaktmelder an den zwei Kellertüren – das Versteck von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe war eine Art privater Hochsicherheitstrakt. In dem Platz für einen Sportraum und ein Zimmer für die zwei Katzen Zschäpes war, mit Kratzbaum. Ein Brandursachenermittler der sächsischen Polizei hat am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München mehrere Skizzen vorgelegt, in denen die Räume beschrieben sind, die die Terrorgruppe im 1. Stock der Frühlingsstraße 26 bewohnt hat. Bis Zschäpe die Unterkunft am 4. November 2011 in Brand setzte, nachdem sich am selben Tag Mundlos und Böhnhardt nach einem Banküberfall in Eisenach getötet hatten.
Beate Zschäpe hatte zehn Liter Ottokraftstoff in der Wohnung verteilt
Der Kriminalhauptmeister hatte nach dem Feuer die Ruine inspiziert und erläuterte dem 6. Strafsenat das vorgefundene Szenario. Wände waren herausgebrochen und auf die Straße gefallen, in der Wohnung selbst habe es „sehr nach Benzin gerochen“. Zschäpe hatte laut Bundesanwaltschaft am 4. November gegen 15 Uhr in den Räumen zehn Liter Ottokraftstoff verteilt und angezündet. Das Benzin-Luft-Gemisch in der Wohnung explodierte, die Druckwelle zerstörte das halbe Haus. Es folgte ein heftiger Flächenbrand. Zschäpe ist mit ihren beiden Katzen womöglich nur knapp davon gekommen. Der Brandursachenermittler zeigte auch Fotos vom Feuer, die ersten hatte ein Passant mit seinem Handy gemacht. Flammen schossen aus der aufgerissenen Hausfront und den Fensterhöhlen, die Feuerwehr brauchte mehrere Stunden, um den Brand komplett zu löschen. Dennoch konnte die Polizei danach erstaunlich viele Spuren sichern.
Die Polizei fand in der Ruine die Handschellen der Polizistin Michèle Kiesewetter
Am Tag nach dem Brand sei im Schutt des Schlafzimmers die erste Waffe gefunden worden, sagte der Beamte. Im selben Zimmer habe in einem geöffneten Tresor eine weitere Waffe gelegen „und eine Handfessel mit Nummerierung“. Es handelte sich um Handschellen der Polizistin Michèle Kiesewetter. Mundlos und Böhnhardt hatten die Beamtin im April 2007 in Heilbronn erschossen und ihren Kollegen lebensgefährlich verletzt.
Im Flur seien die dritte Waffe und im Brandschutt vor der Ruine „die Waffen vier bis elf“ entdeckt worden, sagte der Kriminalhauptmeister. Gesichert wurden unter anderem auch ein angebranntes Bündel Geldscheine und ein Computer, den die Polizei später auswerten konnte. Das Ergebnis: an dem PC sei am 4. November 2011 „bis 14 Uhr 23 gearbeitet worden“, sagte der Beamte.
Die Zeitangabe könnte für die Rekonstruktion des Tages, an dem der NSU aufflog, von besonderem Interesse sein. Möglicherweise hat Zschäpe erst nach 14 Uhr mitbekommen, dass zwei Stunden zuvor Mundlos und Böhnhardt in Eisenach gestorben waren. Vorher hatten die beiden oder einer auch Feuer gelegt, in dem von ihnen genutzten Wohnmobil.
Zschäpe selbst folgte den Angaben des Brandursachenermittlers so, wie sie häufig im Prozess zu sehen ist - verschränkte Arme, starrer Blick. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr wegen des Feuers in Zwickau besonders schwere Brandstiftung vor, in Tateinheit mit versuchtem Mord in drei Fällen. Aus Sicht der Ankläger bestand für eine alte, gebrechliche Nachbarin und für zwei Handwerker Lebensgefahr. Die beiden Männer, die im Obergeschoss Dachwohnungen ausbauten, befanden sich allerdings während des Feuers wegen einer Kaffeepause nicht im Haus.
Frank Jansen