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Der Liedermacher Wolf Biermann
© dpa

Protest gegen Rot-Rot-Grün in Thüringen: Wolf Biermann: "Eine kleine friedliche Konterrevolution"

Gegen die für Freitag geplante Wahl eines Linkspartei-Politikers zum Ministerpräsidenten in Thüringen formiert sich Protest. Am Donnerstagabend soll in Erfurt demonstriert werden. Auch Liedermacher Wolf Biermann war eingeladen. Der wird zwar nicht kommen, doch seinem Frust über Rot-Rot-Grün ließ er in einem Brief freien Lauf.

Von Matthias Schlegel

Vor zwei Wochen hat sich Wolf Biermann im Bundestag mit der Linkspartei heftig angelegt und sie als die "Reste der Drachenbrut" bezeichnet. Nun, da die Linke sich anschickt, in Thüringen den Ministerpräsidenten zu stellen, legt er mit seiner Kritik nach - und weil der Linkspolitiker Bodo Ramelow mit Hilfe der SPD und der Grünen ins Amt gehoben werden soll, kriegen diese beiden Parteien auch ihr Fett weg.

Eigentlich sollte Biermann, der Liedermacher und erbitterte Widersacher des alten SED-Regimes, in Erfurt dabei sein, wenn sich am Donnerstagabend ein letztes Mal vor der Ministerpräsidenten-Wahl die Kritiker von Rot-Rot-Grün in Erfurt versammeln. Doch in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief an Matthias Büchner, einen in Thüringen ansässigen Mitbegründer des Neuen Forum und Urgestein der DDR-Bürgerrechtsbewegung, begründet Biermann, warum er die Reise in den Freistaat nicht antreten wird. "Nein, ich mache mich nicht auf die Reise zu Eurer Demonstration nach Erfurt am 4. Dezember", schreibt Biermann. "Ich will weder ansingen noch anreden gegen diese rot-rot-grüne Gespensterhochzeit! Das falsche Ding ist da gelaufen. Sollen doch die linksalternativen Thüringer Würstchen sich von Gysi & Co in die Pfanne hauen lassen!"

Verbittert ist Biermann vor allem über die SPD. Zu seinen Helden zählt er den Sozialdemokraten Otto Wels, der im Reichstag einst die Zustimmung der SPD zu Hitlers Ermächtigungsgesetz verweigerte. "Das waren zehn Wörter, die eingraviert sind in mein Gedächtnis: ,Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht'", schreibt Biermann. Und fügt hinzu: "Heute passiert es umgekehrt, man könnte sarkastisch sagen, es sei ein Fortschritt: Ja, Freiheit und Leben kann den Sozialdemokraten in der Demokratie zum Glück keiner mehr nehmen. Und nur noch sie sich selbst: die Ehre."

"Mensch, Büchner," schreibt Biermann, "hättest Du Dir das je träumen lassen, als Ihr 1989 mit dem Neuen Forum in Erfurt die Stasi-Zentrale stürmtet? Ein Albtraum! Nach der großen Friedlichen Revolution 1989 erleben wir jetzt also eine kleine friedliche Konterrevolution."

Zu der Kundgebung, die am Donnerstagabend vor dem Thüringer Landtag stattfinden soll, hat erwartet die Polizei bis zu 4000 Menschen. An einer Demonstration am 9. November hatten ebenfalls einige Tausend Menschen teilgenommen.

Den Brief Wolf Biermanns an Matthias Büchner finden Sie im Wortlaut hier.

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