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Ein Obdachloser in einer Unterführung in Budapest.
© Reuters/Bernadett Szabo

Obdachlosigkeit: Wohnungsloser in Ungarn wegen neuen Gesetzes vor Gericht

Ungarns Regierung geht mit einem neuen Gesetz gegen Obdachlose vor. Nun steht erstmals ein Mann ohne Wohnung vor Gericht.

Zum ersten Mal seit Inkrafttreten eines verschärften Gesetzes gegen das Leben auf der Straße ist in Ungarn ein Obdachloser vor Gericht gestellt worden. Polizisten hatten den wohnungslosen Mann auf einer Parkbank in der Kleinstadt Gödöllö bei Budapest angetroffen und festgenommen, berichtete das Nachrichtenportal „444.hu“ am Mittwochabend.

In Ungarn gilt seit Montag ein neues Gesetz, das Obdachlosigkeit kriminalisiert. Nur zwei Tage später sprach das Kreisgericht in Gödöllö gegen den in Handschellen vorgeführten Obdachlosen eine Verwarnung aus. Dem Gesetz zufolge werden Obdachlose, welche die Polizei im öffentlichen Raum antrifft, zunächst verwarnt. Nach drei Verwarnungen innerhalb von 90 Tagen eröffnet die Behörde ein Ordnungsstrafverfahren. Dieses kann mit einer Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit oder mit einer Haftstrafe enden.

In Budapest sind Obdachlose vorerst so gut wie verschwunden

Bei dem Fall in Gödöllö war unklar, ob die Polizisten den Obdachlosen tatsächlich dreimal verwarnt hatten, bevor sie ihn festnahmen, sagte der Pflichtverteidiger des Betroffenen dem Portal „444.hu“. In der Hauptstadt Budapest sind seit Montag die Obdachlosen aus den Unterführungen der Innenstadt so gut wie verschwunden. Die Polizei hatte sie zuvor vor den Auswirkungen des neuen Gesetzes gewarnt.

Zugleich sei aber kein signifikanter Anstieg der Bewohnerzahlen in den Obdachlosenasylen zu verzeichnen gewesen, berichtete das Portal „index.hu“ am Donnerstag. „Das neue Gesetz zwingt die Obdachlosen zum Herumwandern“, zitierte das Portal den Direktor der Zivilorganisation Menhely (Asyl), Zoltan Aknai. Sie würden einfach die von der Polizei derzeit stark kontrollierten Unterführungen meiden, fügte er hinzu.

Vereine, die Obdachlosen helfen, finden das Gesetz "unmenschlich"

Vereine, die Obdachlosen helfen, kritisieren das neue Gesetz als unmenschlich. Die Regierung des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban wolle damit lediglich erreichen, dass die Folgen der Armut und einer unsozialen Wohnungspolitik aus dem Stadtbild verschwinden, argumentieren sie. Die Regierung behauptet wiederum, dass sie die Obdachlosen von der Straße wegbekommen möchte, wo sie verschiedenen Gefahren und bald auch winterlichen Wetterverhältnissen ausgesetzt sind.

Stattdessen sollen Menschen ohne Unterkunft nach dem Regierungswillen in Obdachlosenasylen unterkommen. Die meisten Obdachlosen wollen aber nicht dorthin. Diese Unterkünfte seien überfüllt, andere Bewohner würden einen dort bestehlen und es fehle jeder Raum für Privatheit, führen sie aus.

Den Vereinen zufolge stünden außerdem - anders als die Regierung behauptet - gar nicht genügend Plätze in den Asylen zur Verfügung. Für geschätzte 30.000 Obdachlose seien nur 19.000 Asylunterkünfte vorhanden.

In Ungarn gibt es nur wenig sozialen Wohnraum. Schon in der kommunistischen Zeit hatte der Staat die Bürger zur Anschaffung privater Wohnungen und Häuser motiviert. In die Obdachlosigkeit rutschen deshalb nicht nur Angehörige der Unterschichten ab, sondern auch Menschen, die durch private Katastrophen wie Verlust des Arbeitsplatzes oder Scheidung aus dem Gleis geworfen werden.

Der Mann, der in Gödöllö vor Gericht gestellt wurde, steht als Beispiel für letztere Kategorie. Nach Angaben seines Verteidigers hatte er vor vielen Jahren als Ingenieur gearbeitet. Als er den Job und danach seine Wohnung verlor, landete er auf der Straße. (dpa)

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