Mietpreisbremse wirkt nicht: Wohnungen in Berlin 31 Prozent teurer als zulässig
Laut einer Studie sind die Mieten in Berlin um 31 Prozent höher als zulässig. "Die Mietpreisbremse wird von den Vermietern nicht ernst genommen", sagt der Mieterverein. Bausenator Andreas Geisel (SPD) sieht es genau so.
Große Hoffnungen wurden in die sogenannte Mietpreisbremse gesetzt, doch inzwischen erweist sie sich offenbar als weitgehend nutzlos. Vor allem in Berlin steigen die Mieten nach einer neuen Studie kräftig weiter. Die Mietpreise in der Hauptstadt sind im Schnitt um 31 Prozent höher als zulässig, stellt das auf Wohnraum- und Wirtschaftsförderung spezialisierte private Forschungsinstitut "Regio Kontext" in seiner Untersuchung fest. Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag des Berliner Mietervereins. Regio Kontext wertete dabei aktuelle Wohnungsangebote aus. Eine Sprecherin des Berliner Senators für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel (SPD), bestätigte am Dienstag die Ergebnisse der Studie. "Wir sehen es genau so", sagte sie. "So, wie die Mietpreisbremse jetzt aufgestellt ist, greift sie nicht ausreichend." Der Senator will deshalb über den Bundesrat weitere Verschärfungen durchsetzen.
Auch die SPD im Bundestag fordert zügige Konsequenzen. „Es braucht mehr Mieterschutz - insbesondere in Großstädten. Dafür ist und bleibt die Mietpreisbremse richtige politische Maßnahme“, sagte der Berliner SPD-Abgeordnete Matthias Schmidt dem Tagesspiegel. „Die vorliegende Studie sollte jetzt schnellstmöglich ausgewertet werden, um rasch Schlüsse daraus zu ziehen, wie die Mietpreisbremse verbessert werden kann.“ In den aktuellen Vorschlägen zur Mietrechtsreform von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fehlt eine Neujustierung der Mietpreisbremse. Man will in seinem Ressort erst eine Auswertung im kommenden Jahr abwarten. Die SPD-Fraktion hat gerade erst das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus gestoppt - sie will bei Neubauten eine Mietpreisobergrenze, was die Union jedoch ablehnt.
Mietpreisbremse gilt in Berlin seit 2015
Vor knapp einem Jahr war das Land Berlin noch optimistisch vorgeprescht. Es führte die Mietpreisbremse als erstes Bundesland flächendeckend im gesamten Stadtgebiet ein. "Das ist ein Meilenstein für den Mieterschutz", freute sich Stadtentwicklungssenator Geisel Anfang Juli 2015. Zu diesem Zeitpunkt war das Bundesgesetz "zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten" gerade mal einen Monat alt.
Seit es am 1. Juni in Kraft trat, können die Bundesländer bestimmte Gebiete, in denen Mieterverdrängung droht, zu angespannten Wohnungsmärkten erklären und dort die Mieten entsprechend dem Gesetz deckeln. Auf den ersten Blick scheint dies ganz einfach zu funktionieren. Wer eine schon bestehende Wohnung neu vermietet, darf maximal zehn Prozent mehr Miete verlangen, als am Markt sonst üblich. Wieviel das genau ist, lässt sich im Mietpreisspiegel für das jeweilige Stadtgebiet nachlesen.
Drei Ausnahmen
Es gibt allerdings drei Ausnahmen, die von Mietervertretern bereits seit der Verabschiedung des Gesetzes als "Konstruktionsfehler der Mietpreisbremse" heftig kritisiert und als Grund für den weiteren nahezu ungebremsten Mietenanstieg angesehen werden.
Die Mietpreisbremse war als politische Show gedacht und hat ja auch entsprechend öffentlichkeitswirksam für eine Weile funktioniert - aber eben nicht bis zur Abgeordnetenhaus-Wahl. Dass sie nie ernst gemeint war, sieht man doch an den Ausnahmeregelungen - und an den fehlenden Sanktionen von Anfang an.
schreibt NutzerIn Beroliner0815
Zum einen gelten die Regelungen nicht für Neubauten. Das betrifft rückwirkend alle Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals angeboten wurden. Des weiteren sind "umfassend modernisierte" Gebäude von der Deckelung ausgenommen. Beides soll verhindern, dass Modernisierungen und vor allem der dringend benötigte Wohnungsneubau ins Stocken geraten.
Und zum dritten dürfen Hauseigentümer Mieten oberhalb der gesetzlichen Grenze kassieren, falls die Wohnung schon vor Abschluss des Mietvertrages zu solchen Preisen vergeben wurde. Zieht der Vormieter aus, bleibt es also bei der überhöhten Forderung. Sie darf nur nicht noch weiter angehoben werden. Wenn also zum Beispiel die Obergrenze für eine Wohnung bei 1000 Euro liegt, aber der frühere Mieter schon 1200 Euro bezahlt hat, kann der Eigentümer das auch vom Nachfolger verlangen - nicht aber 1400 Euro.
Wenig Interesse an Überprüfung
Der Berliner Mieterverein bietet Wohnungssuchenden seit einem Jahr an, geforderte Mieten vor Vertragsabschluss auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Doch obwohl dieser Service gratis ist, melden sich bislang nur wenige Interessenten. Die Vize-Geschäftsführerin des Vereines, Wiebke Werner, wundert das nicht. "Na ja, wer sucht schon die Konfrontation mit einem Vermieter, wenn er froh ist, überhaupt eine Wohnung zu ergattern", Äußerst fragwürdig sind aus ihrer Sicht vor allem die Modernisierungsklausel und der Schutz schon bestehender Miethöhen. Als umfassend gilt eine Modernisierung, wenn mehr als ein Drittel der Mittel aufgewendet wurde, die ein vergleichbarer Neubau gekostet hätte. "Behauptet ein Vermieter fälschlich, dies sei geschehen, ist er erstmal auf der sicheren Seite", sagt Werner. "Wie soll ein Wohnungsinteressent dies nachprüfen?" Die Hauseigentümer müssten deshalb zu mehr Transparenz verpflichtet werden.
Gänzlich abschaffen sollte der Bund hingegen den Bestandsschutz für schon längere Zeit überhöhte Mieten, meint der Verein. "Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar." Belohnt würden dadurch all jene Vermieter, die vor dem Inkrafttreten der Mietpreisbremse bereits zu viel Geld gefordert hätten. Außerdem lade die Regelung zum Tricksen ein. Wird die Vormiete in falscher Höhe angegeben, um eine überzogene Forderung durchzusetzen, können Mieter solche Behauptungen ausschließlich per Rüge und Klageverfahren überprüfen lassen. Denn bislang müssen Vermieter nur vor Gericht frühere Mietverträge offenlegen. Bausenator Geisel will dies nun mit einer Bundesratsinitiative ändern, für die er bereits in Hamburg und anderen Bundesländern wirbt. Er will Vermieter verpflichten, schon bei einer Neuvermietung die zuvor verlangten Preise und Verträge auf Anfrage anzugeben.
In allen Einzelheiten will der Berliner Mieterverein die Studie erst am 30. Mai der Presse vorstellen. Schon jetzt rügt er aber auch noch einen weiteren Punkt. Sollte sich ein Mieter bei einer Klage wegen überhöhter Forderungen durchsetzen, so muss der Vermieter das zu viel kassierte Geld erst ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung zurückzahlen. "Warum nicht ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses?" fragt der Verein.
Anmerkung: In einer früheren Version schrieben wir, bei der dritten Ausnahme könnten die Vermieter so viel Miete verlangen, wie sie wollten. Das ist so nicht korrekt - siehe oben.