Papst Franziskus in Kuba und Amerika: Wo jedes Wort wiegt
Es ist Vorwahlkampf in Amerika, und Franziskus wird der erste Papst überhaupt sein, der vor beiden Häusern des Kongresses spricht. Seine Worte werden in der polarisierten Stimmungslage einen riesigen Resonanzraum finden. Ein Kommentar.
Für die meisten Papst-Reisen gilt: Der Pontifex hat für jeden etwas dabei. Für die Linken das Soziale und die Kapitalismuskritik, für die Rechten den Lebensschutz und die Religionsfreiheit. Bei Franziskus kommt die Botschaft der Barmherzigkeit hinzu und seine Sorge um den Klimawandel, für die beispielhaft seine jüngste Umweltenzyklika „Laudato si“ steht. Und doch ist diesmal vieles anders. Eine Spannung liegt in der Luft, die über gewöhnliche Papst-Reisen weit hinausgeht. Franziskus ist das erste Oberhaupt der katholischen Kirche, das aus Lateinamerika stammt und Kuba besucht. Nähe verbindet. Er war es, der im Sommer 2014 durch einen Brief an Barack Obama und Raúl Castro die historische Annäherung der jahrzehntelang verfeindeten Staaten auf den Weg brachte. Dafür feiern ihn die Kubaner, und das verleiht seinem Wort in dem kommunistischen Land, das Regimekritiker und Gläubige weiterhin schikaniert und diskriminiert, ein besonderes Gewicht.
Noch spannungsgeladener ist der zweite Teil seiner Reise
Noch spannungsgeladener ist der zweite Teil seiner Reise, die ihn ab Dienstag in die USA führt. Es ist Vorwahlkampf in Amerika, und Franziskus wird der erste Papst überhaupt sein, der vor beiden Häusern des Kongresses spricht. Diese Ehre wurde noch keinem Religionsführer zuteil. Seine Worte werden in der polarisierten Stimmungslage einen riesigen Resonanzraum finden. Papst Franziskus steht für friedliche Konfliktlösungen (siehe Kuba), er unterstützt das Atomabkommen mit dem Iran (was konservative Katholiken empört), er wird auch wegen der prekären Lage in Nahost für einen Dialog plädieren, der die diplomatische Aufwertung Wladimir Putins zur Folge haben könnte (erneutes Wutschnauben der Republikaner). Kurzum: Es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende Franziskus und Obama wie ein Herz und eine Seele wirken.
Zwei Drittel der Amerikaner haben eine positive Meinung vom Papst, unter Katholiken sind es sogar 90 Prozent, mehr als die Hälfte ist der Ansicht, die katholische Kirche solle sich mehr auf Gerechtigkeitsfragen konzentrieren als auf Fragen der Sexualmoral. Franziskus wird von einer Woge der Sympathie getragen und muss sein Kapital in die Waagschale werfen. Dem gespaltenen Land könnte er zurufen: Verfeindet euch nicht über den richtigen Weg, kümmert euch lieber um die Notleidenden!