Russland und Nato: Wladimir Putin: Krisenkommunikation eines Traumatisierten
Angela Merkel deutet die russischen Luftmanöver als "eine Art Krisenkommunikation". Die Wurzeln der Provokationen von Wladmir Putin reichen weit zurück. Ein Kommentar.
Es ist wie zu Zeiten des Kalten Krieges, als gäbe es weder das von allen OSZE-Staaten 1994 unterschriebene „Wiener Dokument“, in dem man sich zu gegenseitiger Information über Manöver bereit erklärte, noch die Nato-Russland-Grundakte von 1997, in der sich die Staatengemeinschaft gegenseitig Transparenz zusicherte. Russische Langstreckenbomber fliegen zwischen Nord- und Ostsee und bis zum Schwarzen Meer Luftmanöver, halten keinen Kontakt zur zivilen Luftüberwachung und schalten die Transponder aus, durch die die Maschinen identifizierbar würden. Die Bundeskanzlerin aber reagiert kühl, sie nennt das „eine Art der Krisenkommunikation der Russen“, deren Botschaften man genau verfolgen und entsprechende Präventivmaßnahmen treffen müsse. Gesprächskanäle offen halten, ist ihre Empfehlung.
Russische Bomber fliegen Manöver, die Kanzlerin bleibt kühl und abwägend. Das ist richtig.
Damit zeigt die deutsche Regierungschefin genau jenes Maß an Kühle und Abgewogenheit, das man sich auch auf russischer Seite wünschte. Denn unstrittig ist, dass unangemeldete Manöver unter verdeckter Identität eine gefährliche Stufe der Eskalation sind, weil sie die Gegenseite, die Nato, ihrerseits zu Reaktionen zwingen, die dann das russische Militär seinerseits auf entsprechende politische Weisung beantworten wird. Seit der russischen Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim und der anhaltenden Destabilisierung von Teilen der Ostukraine versucht vor allem die Bundeskanzlerin, den Gesprächsfaden zu Putin nicht abreißen zu lassen, wiewohl sie die Notwendigkeit der Sanktionen betont, so lange Russland kein Signal des Spannungsabbaus aussendet. Sie steht damit in einem gewissen Gegensatz zu Matthias Platzeck, der in seiner Eigenschaft als Chef des deutsch-russischen Forums gerade Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit dessen Satz zitiert, auch der Westen habe in den vergangenen Monaten und Jahren nicht alles richtig gemacht. Der Grundfehler sei, sagt Platzeck, dass beide Seiten der jeweils anderen alle Schuld an der Krise geben.
Putin unterstellt den USA ein Vormachtstreben in Osteuropa
Wladimir Putin hat Platzeck bei einer Tagung in Sotschi indirekt bestätigt, als er den USA ein Vormachtstreben in Osteuropa unterstellte. Dahinter steckt das Trauma des Verlustes jeden Einflusses in den früheren Ostblockstaaten, vor allem auch deren Beitritt zur Nato und des Auseinanderfallens der Sowjetunion. Nach russischer Darstellung, die Michail Gorbatschow bis heute pflegt, hat der Westen der damaligen UdSSR 1990 versprochen, dass es keine Ausdehnung der Nato über die zum wiedervereinigten Deutschland gehörende, ehemalige DDR hinaus geben werde. Sehr wahrscheinlich haben sich sowohl Helmut Kohl als auch Hans-Dietrich Genscher und US-Außenminister James Baker in dieser Richtung geäußert. Aber bis auf eine Notiz Bakers gibt es dazu keine schriftliche Fixierung, die US-Regierung hat ein solches Zugeständnis stets dementiert.
Russland ist noch immer verärgert über den Nato-Beitritt der Mittel- und Osteuropäer
Es würde auch, so oder so, nichts daran ändern, dass der Nato-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten ab 1999 auf deren Drängen und aus der Angst vor russischen Destabilisierungen erfolgte. Und zu Putins persönlicher Tragödie wurde vermutlich, dass sein von ihm 2001 im Bundestag vehement vorgetragenes Angebot einer engen europäisch-russischen Kooperation keine drei Wochen nach 9/11 einfach vom globalen Terrorschock überdeckt wurde.