Affäre in Thüringen: Wirtschaftsminister Machnig tritt ab - und managt SPD-Europawahlkampf
In Erfurt hatte der SPD-Politiker Matthias Machnig politisch wohl keine Chance mehr. Die Gehälteraffäre hat ihm zugesetzt. Jetzt soll er den Europawahlkampf seiner Partei managen. Der Linken-Politiker Bodo Ramelow fordert Neuwahlen in Thüringen.
Die SPD rüstet sich für den Europawahlkampf. Die engere Führung um Parteichef Sigmar Gabriel hat Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig zum Wahlkampfleiter für die Europawahl-Kampagne ernannt. Machnig soll bereits Anfang Dezember ins Berliner Willy-Brandt-Haus wechseln. Auf einer Pressekonferenz am Montag in Erfurt bestätigte er, dass er Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) um seine Entlassung gebeten habe - am Freitag wird sein letzter Arbeitstag in Erfurt sein.
Der Wechsel war mit großer Diskretion vorbereitet worden. Allerdings hatte Machnig wichtige Parteifreunde wie Martin Schulz, der im kommenden Jahr vom Europaparlamentspräsidenten zum EU-Kommissionspräsident aufsteigen will, schon vorab unterrichtet. Auch der SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie wusste seit Tagen Bescheid. Lieberknecht selbst allerdings soll erst am Montag unterrichtet worden sein.
Machnig sagte zu "Spiegel online", es gebe die "einmalige Chance, dass mit Martin Schulz wieder ein Deutscher EU-Kommissionspräsident wird". Diese Chance wolle er unterstützen. Die Personalie geht auf eine Initiative von Schulz zurück. Er sagte: "Es soll ein Europa-Wahlkampf werden, der sich von den bisherigen deutlich unterscheidet." Vor Journalisten in Erfurt wollte Machnig nicht sagen, welche Rolle der Streit um seine Doppelbezüge als ehemaliges Mitglied der Bundesregierung und heutiger Wirtschaftsminister in Thüringen für seine Rücktrittsentscheidung gespielt hat. Er hoffe, dass sein Rückzug zu einer Versachlichung der Diskussion um seine Bezüge führen werde, betonte er. Zu seiner Rolle nach der Europawahl, die in Deutschland am 25. Mai 2014 stattfindet, wollte sich Machnig nicht äußern. Das werde man sehen, sagte er.
Linke: Zerfallsprozess der Landesregierung greifbar
Machnig gilt unter Sozialdemokraten als einer der besten und erfahrensten Wahlkämpfer in der Partei. Er war bei den Bundestagswahlen 1998 und 2002 maßgeblich an den Erfolgen von Gerhard Schröder beteiligt. Im vergangenen Bundestagswahlkampf gehörte er zum Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.
Für den früheren Staatssekretär im Bundesumweltministerium kommt das Angebot gerade recht. In Thüringen steht er seit längerem unter Druck. Wegen der Affäre um doppelte Gehalts- und Versorgungsbezüge hätte er politisch wohl keine Chance mehr gehabt. Machnig hatte sich zu seinem Ministergehalt jahrelang Versorgungsbezüge aus seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesumweltministerium ausbezahlen lassen. Möglicherweise war das sogar rechtmäßig, weil die CDU-geführte Landesregierung sich dem Problem nicht hinreichend angenommen hat.
Wegen der Affäre um die Entlohnung von ehemaligen oder noch aktiven Ministern und Staatssekretären in Thüringen hatte Linksfraktionschef Bodo Ramelow schon vor einigen Wochen Neuwahlen zum Landtag gefordert. „Wir haben die höchste staatsanwaltschaftliche Ermittlungsdichte in ganz Deutschland in Bezug auf eine Landesregierung“, sagte er damals. Die Landesregierung sei „fertig“, Ministerpräsidentin Lieberknecht solle den Weg zu Neuwahlen frei machen. Am Montag erklärte Ramelow dem Tagesspiegel: "Mit Machnig verliert diese Landesregierung das letzte bisschen Profil. Damit ist der Zerfallsprozess der Landesregierung greifbar." Offenkundig habe die Lieberknecht-Regierung die Vorgänge rund um die Doppelbezüge von Ministern und Staatssekretären "nicht im Griff".
Am Rande des Leipziger Bundesparteitages der SPD erregte Thüringens SPD-Landesvorsitzender Christoph Matschie, zugleich Vize-Regierungschef in seinem Bundesland, vorvergangene Woche Aufsehen mit seiner Ankündigung, er könne sich in Thüringen auch die Wahl eines Linken-Ministerpräsidenten vorstellen. Laut Umfragen zur Landtagswahl 2014 können Linke, SPD und Grüne derzeit - so wie bereits 2009 - eine Regierung stellen, allerdings liegt die Linke deutlich vor der SPD.