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Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat dem Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt.
© Italian Presidential Press Office/Handout via Reuters
Update

Italien: Wirtschaftsexperte Cottarelli soll Weg zu Neuwahlen ebnen

Nach dem Scheitern einer populistischen Koalition macht Staatspräsident Mattarella den nächsten Schritt. Er beauftragt Carlo Cottarelli, eine Übergangsregierung zu bilden.

Nach dem Scheitern der geplanten populistischen Koalition in Italien steuert das Land auf Neuwahlen zu. Der Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli bekam den Auftrag zu einer Regierungsbildung bekommen. Präsident Sergio Mattarella erteilte dem ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds am Montag das Mandat, eine Übergangsregierung zusammenzustellen. Dieser kündigte vorgezogene Wahlen für Herbst, spätestens Anfang 2019 an. Die populistischen Parteien Fünf Sterne und Lega reagierten mit wütenden Attacken gegen Mottarella und gegen Cottarelli, den sie als Verkörperung der ihnen verhassten Sparpolitik betrachten.

Der 64-Jährige Cottarelli war von 2008 bis 2013 ranghoher Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und anschließend Sparkommissar der italienischen Regierung. In dieser Zeit verdiente er sich mit Sparmaßnahmen den Spitznamen "Herr Schere".

Cottarelli kündigte am Montag nach seiner Nominierung eine "neutrale" Expertenregierung an, die "entschieden europäisch" sein werde. Damit distanziert er sich klar von den europaskeptischen Populisten. Cottarelli sagte weiter, als Gründungsmitglied der Europäischen Union "bleibt unsere Rolle unentbehrlich, genauso wie die Fortsetzung unserer Mitgliedschaft in der Eurozone".

Der Übergangsministerpräsident will nun zunächst versuchen, einen Haushalt für das Jahr 2019 verabschieden zu lassen und dann Anfang kommenden Jahres neu wählen zu lassen. Sollte sich allerdings im Parlament keine Mehrheit dafür finden, was angesichts der Kräfteverhältnisse dort wahrscheinlich ist, könne es bereits nach der Sommerpause Wahlen geben.

Populisten haben laut Umfragen weiterhin die Mehrheit

Aktuelle Umfragen sehen weiterhin eine Mehrheit für die Populisten. Die Aussicht auf eine europafreundliche Übergangsregierung beruhigte die Finanzmärkte am Montag nicht: Die Mailänder Börse schloss mit einem Minus von mehr als zwei Prozent. Der "Spread", der vom italienischen Staat für Kredite zu zahlende Risikoaufschlag, stieg auf den höchsten Stand seit November 2013.

Die Chefs der populistischen Parteien nahmen umgehend Stellung gegen Cottarelli. Der Chef der rechtsextremen Lega, Matteo Salvini, schmähte ihn als "einen Herrn Niemand, der die internationale Finanz repräsentiert".

Der Fünf-Sterne-Vorsitzende Luigi Di Maio nannte ihn "einen dieser Experten, Besserwisser, die uns erdrückt haben, indem sie die Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft zurückgeschnitten haben". Die beiden Parteien hatten im hoch verschuldeten Italien den Sparkurs aufgeben wollen.

Mattarella hatte am Sonntag die Berufung des 81-jährigen Euro-Kritikers Paolo Savona zum Wirtschafts- und Finanzminister verweigert, auf dem die rechtsextreme Lega-Partei und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung bestanden hatten. Daraufhin gab der als Ministerpräsident nominierte Giuseppe Conte den Auftrag zur Regierungsbildung an Mattarella zurück. Wegen der umstrittenen Personalie Savona hatte die Regierungsbildung seit Tagen gestockt.

Lega-Chef Salvini richtet den Blick auf die Neuwahlen

Salvini richtete den Blick bereits auf die Neuwahlen: "Wählen wird das nächste Mal zehnmal mehr helfen. Es wird ein Referendum werden: Wir gewinnen oder wir sterben." Im italienischen Rundfunk kündigte der Lega-Chef am Montag an, er werde im Parlament umgehend die Debatte über eine Wahlrechtsreform anstoßen, um bei der nächsten Wahl eine klare Mehrheit ermöglichen zu können.

Di Maio hatte am Sonntagabend in einem Fernsehinterview erklärt, er werde unter Berufung auf Artikel 90 der Verfassung die Absetzung von Präsident Mattarella durch das Parlament fordern. In dem Verfassungsartikel geht es um die Möglichkeit, den Präsidenten vor dem Parlament wegen Hochverrats oder Verletzung der Verfassung anzuklagen. Anschließend solle es Neuwahlen geben, sagte Di Maio.

Die Börse in Mailand reagierte am Montag positiv auf Mattarellas Entscheidung gegen Savona. Unmittelbar nach Handelsbeginn stieg der Börsenindex FTSE Mib um zwei Prozent. Um 09.30 Uhr bewegte er sich mit gut einem Prozent bei 22.633 Punkten im Plus. (dpa, AFP)

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