„Finanzspritze für eigene Interessen“: Wird der Corona-Hilfsfonds zweckentfremdet?
750 Milliarden Euro umfasst der Corona-Hilfsfonds der EU. Doch die Konrad-Adenauer-Stiftung hat Zweifel an der sinnvollen Verwendung der Milliarden.
EU-Staaten wie Italien oder Spanien, die besonders unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise leiden, wollen die Gelder aus dem milliardenschweren Wiederaufbaufonds der EU in erster Linie einsetzen, um eine drohende Massenarbeitslosigkeit abzuwenden. Dies geht aus einer Zusammenschau der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) aus den 27 EU-Staaten hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Nach Ansicht der Autoren der Studie ist allerdings fraglich, ob die einzelnen Pläne zur Umsetzung des Corona-Fonds mit einem Volumen von insgesamt 750 Milliarden Euro tatsächlich in eine gesamteuropäische Konjunkturpolitik münden.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Juli bei einem viertägigen Marathon-Gipfel in Brüssel darauf geeinigt, einen Wiederaufbaufonds einzurichten, der rückzahlbare Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro und Zuschüsse mit einem Volumen von 390 Milliarden Euro vorsieht. Den größten Anteil kann dabei Italien erwarten - an Krediten und Zuschüssen bekommt das Land insgesamt 209 Milliarden Euro.
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Sämtliche EU-Länder sollen ab 2021 mit Geldern aus dem Corona-Fonds bedacht werden. Damit sie an die Mittel kommen, müssen sie nationale Investitions- und Reformpläne bei der EU-Kommission vorlegen.
Die Brüsseler Behörde überprüft anschließend, ob die Pläne den Vorgaben entsprechen, denen zufolge die Gelder vor allem der Digitalisierung der EU und dem Klimaschutz zugutekommen sollen. Als Rahmen gilt dabei das so genannte „europäische Semester“, mit dem die Brüsseler Behörde schon jetzt die Wirtschafts- und Finanzpolitik in den EU-Ländern zu steuern versucht.
Lammert fordert Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Norbert Lammert (CDU), sagte dem Tagesspiegel, dass die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds „nicht in die Erhaltung überkommener Strukturen, sondern in eine europäische Kraftanstrengung zur Ertüchtigung unserer Wettbewerbsfähigkeit“ fließen müssten.
Allerdings äußerte Lammert Zweifel, dass die EU-Kommission anhand der Beurteilung im Rahmen des „europäischen Semesters“ tatsächlich entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Gelder nehmen könne.
Vielmehr nutzten die einzelnen EU-Länder den neuen Corona-Fonds „als willkommene Finanzspritze für die Regelungen eigener Interessen“. „Zwischen der großzügigen Dimensionierung des Hilfsfonds und der absehbaren Effizienz klafft eine ärgerlich große Lücke“, sagte Lammert.
Wie sich aus der Zusammenschau der KAS ergibt, haben Staaten wie Italien, Frankreich, Polen oder Slowenien, die sich für eine möglichst großzügige Ausstattung des Wiederaufbaufonds stark gemacht hatten, seit dem EU-Gipfel vom Juni ambitionierte Zeitpläne für die Erstellung ihrer jeweilen Investitions- und Reformpläne aufgestellt.
„In Südeuropa stehen im europäischen Vergleich insgesamt soziale Fragestellungen bei der geplanten Mittelverwendung stärker im Vordergrund“, schreiben die Autoren.
Nur ein „Label“ für grüne und digitale Initiativen?
Allerdings wird in der Studie kritisiert, dass die abstrakte Festlegung auf die Prioritäten Klimaschutz und Digitalisierung nicht unbedingt dazu führe, dass die Hilfsgelder am Ende tatsächlich auch in diese Bereiche fließen: „So besteht nicht nur die Gefahr, dass bestimmte Projekte lediglich mit einem „Label“ für grüne oder digitale Initiativen versehen werden, die erwünschte Wirkung aber gar nicht erbringen.“
Zielführender wäre laut der KAS-Studie ein Katalog mit klar zu erfüllenden Maßgaben gewesen, wie beispielsweise eine konkrete Reduktion des CO2-Ausstoßes in einem bestimmten Bereich.