Finanzministerium konkretisiert Pläne zur Erbschaftsteuer: "Wir wollen nicht die Erben reicher machen"
Privatvermögen soll stärker herangezogen werden, neue Regeln für kleine Betriebe: Wie sich das Bundesfinanzministerium die künftige Erbschaftsteuer bei Unternehmern vorstellt.
Das Bundesfinanzministerium hält ungeachtet der massiven Kritik aus Unternehmensverbänden und den Ländern an seinen Eckpunkten für die Reform der Erbschaftsteuer fest. In Regierungskreisen in Berlin hieß es am Mittwoch, man wolle nicht riskieren, auch mit dieser Reform in Karlsruhe zu scheitern Man werde zügig in die Gespräche mit den Koalitionsfraktionen und den Ländern eintreten, hieß es weiter. Dann wird sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) - neben der Ablehnung im Unternehmerlager - allerdings auch auf weitere Kritik aus den eigenen gefasst machen müssen. Neben dem hessischen Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) äußerten auch Vertreter des Wirtschaftsflügels der Union Bedenken gegen die Pläne des Ministeriums. Aber auch dem baden-württembergischen Finanzminister Nils Schmid (SPD) gehen Schäubles Vorstellungen zu weit. Näher beim Bundesfinanzminister steht dagegen Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). „Das jetzige Urteil ist bereits das zweite, mit dem ungerechtfertigte Privilegien bei der Erbschaftsteuer beseitigt werden sollen. Deshalb halte ich nichts von Experimenten, die sofort wieder vom Bundesverfassungsgericht gekippt würden“, sagte er dem Tagesspiegel. Auch der nordrhein- westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) kann mit den Berliner Vorschlägen leben. „Die Richter haben in ihrem Urteil Marksteine für die Neuregelung aufgestellt, die wir zu beachten haben“, sagte er dem Tagesspiegel. „Es geht um das Gleichgewicht zwischen Unternehmenssicherung und Sozialverpflichtung.“ Die von Schäuble vorgestellten Eckpunkte „sind dabei für die weitere Diskussion eine gute Grundlage“.
Streng nach Karlsruher Vorgaben
Das Erbschaftsteuerrecht muss im Fall der Unternehmensnachfolge neu geregelt werden, weil das Bundesverfassungsgericht im Dezember Teile des bisherigen Rechts als verfassungswidrig eingestuft hatte. Die Richter forderten vor allem, die Verschonung von der Steuer bei größeren Unternehmen strenger zu regeln. Interessant ist, dass das Finanzministerium seinen Überlegungen nun auch die abweichende Meinung von drei Verfassungsrichtern zugrunde gelegt hat. Diese stimmten zwar der Entscheidung im Dezember zu, machten zur Begründung aber auch das Sozialstaatsprinzip geltend. Sie hielten fest, dass die Erbschaftsteuer nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen diene, sondern auch ein Instrument des Sozialstaats sei, „um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst“. In den Regierungskreise hieß es zum Ansatz der Reform: „Wir wollen nicht die Erben reicher machen, sondern die Unternehmen und ihre Mitarbeiter schützen.“
Grenzwert für große Unternehmen bei 20 Millionen Euro
Im Ergebnis soll es nun eine Bedürfnisprüfung geben, wenn das übertragene Betriebsvermögen bei mehr als 20 Millionen Euro liegt. Das betreffe nach den Erfahrungen der letzten Jahre etwa zwei Prozent der Übertragungsfälle, hieß es. Hätte man den Wert höher angesetzt, laufe man Gefahr, wieder in Karlsruhe zu landen. Walter-Borjans sagte dazu: "Wenn die Angaben der Bundesregierung richtig sind, dass 98 Prozent der Fälle überhaupt nicht betroffen sind, dann verstehe ich ehrlich gesagt die ganze Aufregung nicht.“
Das Privatvermögen des Erben oder Beschenkten soll künftig zur Hälfte zur Begleichung der Steuerschuld herangezogen werden. Verschont werden soll grundsätzlich nur noch „betriebsbedingt notwendiges Vermögen“. Darunter sollen alle Wirtschaftsgüter fallen, die zu mehr als 50 Prozent dem Hauptzweck des Unternehmens dienen. Weiteres Betriebsvermögen, also etwa vermietete Immobilien oder Wertsachen wie Gemälde, müssen nach den Eckpunkten des Bundesfinanzministeriums wie das Privatvermögen zur Begleichung der Steuerschuld eingesetzt werden. Vorhandene Schulden werden dabei angerechnet, allerdings sollen sie anteilig auf das notwendige Betriebsvermögen und das nicht notwendige Verwaltungsvermögen verteilt werden. Um Grenzfällen vorzubeugen, ist für das nicht betriebsnotwendige Vermögen ein Abschlag von zehn Prozent vorgesehen. Reicht das nicht zur Begleichung der Schuld, wird der Rest erlassen, wenn das Unternehmen sieben Jahre weitergeführt und die Lohnsumme erhalten wird. Ein Erlass von 85 Prozent der Steuerschuld ist, wie bisher, nach fünf Jahren möglich.
Neue Bagatellgrenze
Auch für kleinere Unternehmen ändern sich die Regeln. Karlsruhe hatte moniert, dass bei Betrieben von bis zu 20 Arbeitnehmern der Erhalt der Beschäftigung nicht nachgewiesen werden musste, um von der Steuer verschont zu werden. Das Finanzministerium hat das zum Anlass genommen, eine grundsätzliche Änderung vorzunehmen. Künftig soll die Bagatellgrenze nicht mehr an der Zahl der Arbeitsplätze festgemacht werden, sondern bei einem Unternehmenswert von einer Million Euro. Damit wolle man kleinere Betriebe von Bürokratiekosten entlasten, hieß es.
Ob durch die Reform die Summe der Erbschaftsteuer steigt (bislang liegt das Volumen jährlich bei etwa 4,5 Milliarden Euro) ist unklar. In den Regierungskreisen geht man davon aus, dass der Ertrag weder deutlich sinke noch stark steigen werde. Den Vorwürfen aus den Verbänden, dass die Familienunternehmen nun stärker belastet würden, obwohl gerade sie sich durch eine hohe Kapitalbindung auszeichneten, die Gesellschafter also nicht ohne weiteres Geld aus dem Unternehmen abziehen könnten, wird in Berlin entgegengehalten, dass es gerade das Ziel der Reform sei, deutliche Anreize zu setzen, „Vermögen im Unternehmen zu halten statt es zu entnehmen“.
Kritik und Zustimmung aus den Ländern
Schäfer, derzeit auch Vorsitzender der Finanzministerkonferenz, hat Schäubles Vorstellungen in einem wesentlichen Punkt zurückgewiesen. Der Grenzbetrag zwischen mittleren und großen Betrieben von 20 Millionen Euro je Erbfall sei „deutlich zu niedrig“. Zudem will er bei kleineren Betrieben weiter am Kriterium der Arbeitsplätze festhalten. Bei bis zu drei Arbeitsplätzen solle es genügen, den Betrieb einfach weiterzuführen, um von der Steuer verschont zu werden. Bei bis zu 20 Arbeitnehmern solle die Lohnsummenvorschrift geringer ausfallen als beiden größeren. Auch Schmid in Stuttgart sieht Schäubles Ansatz kritisch. Er hält es für ungeeignet, statt der Arbeitnehmerzahl den Unternehmenswert als entscheidende Größe zu nehmen. Die Grenze zwischen mittleren und großen Unternehmen will er bei 100 Millionen Euro ziehen. Kolatz-Ahnen sagte, „für die Äußerungen einiger Minister-Kollegen, die sich für möglichst großzügige Regelungen zugunsten von Erbinnen und Erben von Betriebsvermögen einsetzen, fehlt mir jedes Verständnis“. Auch der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) sieht sich durch Schäubles Eckpunkte eher bestätigt. Er verweist darauf, dass die Länder auf ein berechenbares Steueraufkommen angewiesen seien. „Einnahmeausfälle können sich die Länder nicht leisten.“