US-Präsident Biden in Polen: „Wir werden eine andere Zukunft haben, eine bessere Zukunft“
Präsident Biden beschwört in Polen die Nato-Bündnistreue als „heilige Verpflichtung“. Treffen mit Staatschef Duda, Kiewer Ministern, Flüchtlingen und Soldaten zeigen die Symbolkraft der Reise.
Die Pizza wird in Erinnerung bleiben. Als kleines Symbol im neuen Konflikt zwischen Ost und West. Als US-Präsident Joe Biden am Freitag amerikanische Soldaten im polnischen Rzeszow besuchte, setzte er sich zu den Militärs der 82. Luftlandedivision. Gemeinsam aßen sie Pizza aus Pappschachteln.
Er sei hier, „um danke zu sagen“, so der Präsident. „Danke, danke, danke für Ihren Dienst.“ Es blieb nicht die einzige Aktion mit großer Symbolkraft während seiner Reise.
Es dauerte nicht lange, bis im Internet jemand ein Foto des aktuellen Treffens mit einer bekannten Aufnahme im Kreml aus der ersten Kriegswoche zu einem Kommentar zusammenstellte. Das ältere zeigt Präsident Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Militärführer Waleri Gerassimow – sie sitzen getrennt, mit großem Abstand, an einem lächerlich langen Tisch.
Die Aussage ist klar: Ein Foto zeigt den russischen Diktator, der selbst seine Vertrauten auf Distanz hält und immer stärker isoliert ist. Das andere den – obwohl diese Beschreibung in den vergangenen Jahren gelitten hat– Anführer der freien Welt, ganz nah bei seinen Getreuen und bei seinen Verbündeten.
„Heilige Verpflichtung“
Zusammenhalt beweisen, das war ein wichtiges Ziel von Bidens Reise nach Europa. Nah war er nicht nur den Soldaten, die die Vereinigten Staaten kurz vor Kriegsbeginn aus North Carolina nach Polen verlegt hatten. Nach Treffen mit den Führern der Nato-, EU- und G7-Staaten in Brüssel ging es für Biden am Freitag nach Polen, Nachbarland der Ukraine. Von Rzeszow im Südosten Polens sind es nur noch etwa 90 Kilometer bis zur Grenze.
Am zweiten Tag seines Besuchs in Polen traf Biden Präsident Andrzej Duda in Warschau. Polen hofft, dass die Verstärkung der Nato-Ostflanke durch die US-Truppen von Dauer sein wird. Der US-Präsident sicherte seinem Amtskollegen angesichts wachsender Sicherheitsbedenken in Polen und anderen osteuropäischen Ländern zunächst vor allem grundsätzlichere Unterstützung zu: Den Artikel 5 des Nato-Vertrages über den Bündnisfall nannte Biden eine „heilige Verpflichtung“ seines Landes.
„Sie können sich darauf verlassen“, versprach er und griff eine Parole aus der Zeit des polnischen Kampfes gegen die russischen Besatzer im 19. Jahrhundert auf: „Für unsere und eure Freiheit.“ Putin, erklärte der US-Präsident weiter, habe „damit gerechnet, die Nato spalten zu können, die Ostflanke vom Westen trennen zu können“. Diese Spaltung werde es aber nicht geben.
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„Die Demokratie stranguliert“
Am Abend hielt Biden eine Rede vor dem Königsschloss. Bereits im Vorfeld wurde Historisches erwartet. In einer kämpferischen Ansprache schwor Biden die Welt auf einen langen Konflikt um die künftige internationale Ordnung ein. Es gehe um eine „große Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt wird“, sagte er.
„Wir müssen uns jetzt verpflichten, für diesen Kampf einen langen Atem zu haben. Wir müssen geeint bleiben - heute, morgen, übermorgen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten.“ Russland habe bereits „die Demokratie stranguliert“ und versuche dies auch anderswo, sagte Biden weiter.
Der Krieg in der Ukraine sei aber ein „strategischer Fehler“ Moskaus. Die russische Bevölkerung sei „nicht unser Feind“, versicherte der US-Präsident. Die Russen sollten vielmehr Putin für die harten Wirtschaftssanktionen des Westens verantwortlich machen.
Im Nationalstadion hatte der US-Präsident zuvor mit Geflüchteten gesprochen. Das Stadion war für die Fußball-Europameisterschaft 2012 erbaut worden, die Polen mit der Ukraine ausrichtete. Schon damals gab es in Polen die Hoffnung, dass diese gemeinsame Organisation einer Sportveranstaltung der Ukraine Öffnung und Fortschritt bringen könnte – und eine Hinwendung nach Westen.
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„Er ist ein Schlächter“
Überraschend traf Biden in Warschau auch den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Es war die erste persönliche Begegnung des US-Präsidenten mit hochrangigen Vertretern der Kiewer Regierung seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.
Kuleba und Resnikow waren trotz anhaltender Gefechte nach Polen gereist, wo sie auch mit US-Außenminister Antony Blinken und Pentagonchef Lloyd Austin zusammentrafen.
Den Menschen in der Ukraine rief Biden bei seiner Rede zu: „Wir halten zu euch.“ In Anspielung auf die einstigen Worte des polnischen Papstes Johannes Paul II. erklärte er: „Habt keine Angst.“ Er betonte: „Wir werden eine andere Zukunft haben, eine bessere Zukunft, die auf Demokratie und Prinzipien, Hoffnung und Licht beruht.“
Für den Kremlherrscher fand Biden andere Worte von Tragweite, als ihn am Nachmittag ein Journalist fragte, was er von Putin halte. „Er ist ein Schlächter“, sagte Biden. mit dpa, AFP