Oppermann (SPD) über den Koalitionsausschuss: "Wir stoßen an die ideologischen Grenzen der Union"
Der bevorstehende Bundestagswahlkampf wirkt sich offenbar auch auf den Koalitionsausschuss aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann wirft der Union Blockadehaltung bei wichtigen Projekten vor.
Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann der Union Blockade bei wichtigen Projekten vorgeworfen. Die CDU verhindere eine Solidarrente und mache einen Kompromiss beim Recht auf Rückkehr aus der Teil- in die Vollzeitbeschäftigung unmöglich, sagte Oppermann in Berlin. Es seien zwar wichtige Entscheidungen getroffen worden wie das Verbot von Kinderehen und Strafverschärfungen für Wohnungseinbrüche. „Bei allen Fragen, die mehr Gerechtigkeit betreffen, stoßen wir allerdings jetzt an die ideologischen Grenzen der Union.“ Alles, was bei diesem Koalitionsausschuss nicht auf den Weg gebracht worden sei, habe praktisch keine Chance mehr, noch in das Gesetzgebungsverfahren zu kommen, sagte Oppermann. „Wir werden diese Dinge in der nächsten Bundesregierung unter einem Bundeskanzler Martin Schulz umsetzen.“
Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl war die schwarz-rote Koalition um Signale der Handlungsfähigkeit bemüht. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer einigten sich in sechseinhalbstündigen Beratungen auf Kompromisse bei in einer Reihe kleinerer Streitthemen. In wesentlichen Punkten blieb es aber beim Dissens. Darunter waren die Begrenzung von Managergehältern, die Ehe für alle, die von der SPD geforderte Solidarrente und das Recht auf Rückkehr aus der Teil- in die Vollzeitbeschäftigung.
Die Union setzte sich beim Thema Wohnungseinbrüche durch
Die Stimmung in der Runde um Merkel und ihren Herausforderer Schulz wurde von Teilnehmern als kollegial und sachorientiert beschrieben. Es gab demnach aber auch ein Ringen um Kompromisse und Formulierungen. Die Koalition habe sich als arbeitsfähig erwiesen, hieß es von Teilnehmern. Über Seehofer war zu hören, er sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis des Treffens. Der bayerische Ministerpräsident wurde mit den Worten zitiert, die Runde habe viel erreicht. "Es war der Wille zu spüren, die Fragen zu klären", resümierte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) das Treffen am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin".
Schulz nahm erstmals an einer Koalitionsrunde teil. Er wollte ursprünglich wegen einer zeitgleichen Preisverleihung der SPD-Fraktion nicht an dem Treffen teilnehmen. Schulz sagte sein Kommen erst zu, nachdem ihm vorgehalten wurde, er wolle sich aus wahltaktischen Gründen nicht in die Koalitionsarbeit einbinden lassen.
Die Union setzte sich einer im Anschluss an das Treffen am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichten Erklärung zufolge mit ihren Forderungen nach härteren Strafen für Wohnungseinbrüche sowie einem schärferen Vorgehen gegen Sozialbetrug durch Asylbewerber durch. Künftig soll die Mindeststrafe für Wohnungseinbrüche ein Jahr Haft betragen. Mit einer Einstufung als Verbrechen soll verhindert werden, dass Verfahren rasch eingestellt werden können. Außerdem soll in diesen Fällen die sogenannte Verkehrsdatenabfrage erlaubt werden, mit der es möglich werden soll zu erkennen, wo und wann sich Einbrecher ins Mobilfunknetz eingeloggt haben.
Mehr Ausnahmen beim Familiennachzug
Zur Aufdeckung von Sozialleistungsbetrug durch Asylbewerber sollen die Sozialbehörden das Recht bekommen, auf das sogenannte Kerndatensystem zuzugreifen und Fingerabdrücke zur Identitätsprüfung einzusetzen. Innen- und Justizministerium bekamen den Auftrag, sich "kurzfristig" auf einen Gesetzentwurf zu verständigen, um "missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen" zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis zu verhindern, heißt es in dem Beschluss der Koalitionsrunde.
Beim Familiennachzug von Asylbewerbern soll es wie von der SPD gefordert mehr Ausnahmen geben, damit Kinder bei ihren Eltern sein können. Die im Aufenthaltsgesetz enthaltene Härtefallklausel soll "in Einzelfällen unter besonderer Berücksichtigung der Kinderrechtskonvention" genutzt werden. Union und SPD planen zudem gesetzliche Regelungen zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften.
Präventionsprogramm gegen Islamisten vereinbart
Die Koalitionspartner bestätigten eine erzielte Einigung zum Verbot von Kinderehen. Mit der Neuregelung sollen Ehen unter 16 Jahren stets als nichtig eingestuft werden. Ehen zwischen 16 und 18 Jahren sollen durch Familiengerichte aufgehoben werden können. Hintergrund ist, dass durch die stärkere Zuwanderung auch mehr Ehepaare ins Land gekommen sind, bei denen ein Partner, in der Regel die Frau, noch minderjährig ist.
Ebenfalls bestätigt wurde eine Einigung zur Zahlung von Kindergeld für im EU-Ausland lebende Kinder von in Deutschland Beschäftigten. Demnach will das Bundeskabinett zunächst nur ein Eckpunktepapier vorlegen. Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium sah vor, die Zahlungen je nach Heimatland zu reduzieren. "Die gesetzliche Umsetzung erfolgt, sobald die erforderlichen Voraussetzungen im EU-Recht geschaffen sind", heißt es in dem Koalitionsbeschluss.
Union und SPD vereinbarten ein nationales Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus. Dafür seien in den Eckwerten für den Bundeshaushalt 2018 weitere 100 Millionen Euro vorgesehen. Es reiche nicht aus, dem islamistischen Extremismus "allein durch repressive Maßnahmen" zu begegnen. "Wir müssen ansetzen, bevor Radikalisierungsprozesse in Terrorgefahr umschlagen. Darum müssen Prävention und Repression Hand in Hand gehen", heißt es in der Programmbeschreibung.
"Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben"
Eine Privatisierung der geplanten Fernstraßengesellschaft des Bundes und ihrer regionalen Töchter wird ausgeschlossen. „Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben“, heißt es in dem Ergebnispapier. Die Koalition will umstrittene Straßenbauprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP), also mit Beteiligung von Investoren, nur bei Einzelprojekten erlauben. „Das bedeutet, dass ÖPP im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen ist.“
Nicht durchsetzen konnte sich die SPD mit ihren Forderungen, die Ehe für alle, eine Reform der Teilzeitarbeit mit Recht auf Rückkehr zur Vollzeitstelle sowie eine Begrenzung der Managergehälter. Kauder sagte dazu im ZDF, ein Verzicht auf die Ehe für alle sei aus Sicht der Union "keine Diskriminierung", weil es stattdessen die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle gebe. Das Recht auf Rückkehr in Vollzeit habe die Union bei Betrieben ab 200 Beschäftigten testen wollen, was die SPD aber abgelehnt habe. Managergehälter wiederum sollten der Eigentümerversammlung vorbehalten bleiben. Unerwähnt bleibt im Beschluss auch das Anliegen der Union, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten.
An diesem Donnerstagmorgen wollen die Koalitionsspitzen ab 8 Uhr in getrennten Sondersitzungen die Fraktionen von Union und SPD über die Ergebnisse der nächtlichen Beratungen informieren. (dpa, AFP)