Juso-Chef Kevin Kühnert: „Wir haben uns viel zu lange von der AfD treiben lassen“
Juso-Chef Kevin Kühnert fordert, die SPD müsse die Koalition aufkündigen, wenn Maaßen Verfassungsschutzchef bleibt. Und er sagt: keine Angst vor Neuwahlen.
Herr Kühnert, Sie fordern SPD-Chefin Andrea Nahles auf, die große Koalition aufzukündigen, wenn Maaßen Verfassungsschutzchef bleibt. Warum wollen Sie die Groko sprengen?
Klar ist doch: Maaßen ist als Verfassungsschutzpräsident nicht mehr tragbar. Er hat sich an Spekulationen beteiligt, ohne seine Beamten nach ihren Erkenntnissen zu fragen. Er hat Hetzjagden in Chemnitz geleugnet, obwohl diese in den Polizeiprotokollen dokumentiert sind. Er hat eine politische Agenda, obwohl er als Behördenleiter neutral sein sollte. Das sind keine Lappalien. Als oberster Verfassungsschützer wird er seiner Stellenbeschreibung nicht gerecht. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Kanzlerin findet endlich zu einer Haltung und entlässt Maaßen oder die SPD muss mit dem Abbruch der Koalition drohen. Es geht auch um das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.
In der SPD-Spitze fordern viele eine Entlassung Maaßens. Macht sich die SPD unglaubwürdig, wenn sie das nur fordert, aber im Ernstfall keine Konsequenzen folgen lässt?
Die SPD hat sich die letzten Wochen über sehr standhaft präsentiert. Sie hat klare Worte zu den Ausschreitungen in Chemnitz und zum Schweigen des Innenministers gefunden. Andrea Nahles hat Anfang der Woche von Maaßen Beweise für seine steilen Thesen gefordert. Er konnte sie nicht belegen. Wenn jetzt keine Konsequenzen folgen, war es nur Säbelrasseln. Wer politischen Druck aufbauen will, muss konsequent handeln. Ich kann ja noch zähneknirschend verstehen, dass wir versucht haben, den Migrationsstreit im Juni zu befrieden. Aber jetzt müssen wir der Union einen Riegel vorschieben.
Sonst?
Sonst haben wir künftig überhaupt keine Handhabe mehr, den Eskapaden von Seehofer und Co. Einhalt zu gebieten. Der Bundesinnenminister hält sich ja überhaupt nicht mehr zurück, das zeigen seine Äußerungen zur Migration als „Mutter aller Probleme“. So etwas färbt auch auf uns ab. Deshalb müssen wir bereit sein, für unsere Haltung einen Preis zu bezahlen.
Aber wäre der Preis für die SPD bei Neuwahlen nicht zu hoch? Ihre Partei steht bei 17 Prozent.
Das darf nicht die Frage sein. Die SPD wird immer mehr als eine Partei wahrgenommen, die politische Entscheidungen nur nach taktischen Erwägungen ausrichtet. Jetzt zeigt sich, ob das stimmt oder ob wir für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten. Wenn wir Haltung zeigen, müssen wir uns auch vor den Wählern nicht verstecken.
Die AfD könnte die SPD aber sogar überholen. Das können Sie ja nicht wollen.
Wir haben uns schon viel zu lange von der AfD treiben lassen. Wir agieren ängstlich – mit der Folge, dass die Rechtspopulisten immer stärker werden. Damit muss Schluss sein.
Müssten Sie nicht, wenn Sie konsequent sind, auch die Entlassung Seehofers fordern?
Ich habe das schon im Migrationsstreit gefordert. Aber bis Mitte Oktober werden wir ihn wohl noch ertragen müssen. Mittlerweile haben ja alle eingepreist, dass die CSU Seehofer dann selbst absägt. Wenn das Wahlergebnis bei der Landtagswahl in Bayern so schlecht wird wie derzeit erwartet, brauchen sie ja mindestens einen Sündenbock.