Verfassungsschutzpräsident: Maaßen soll unveröffentlichte Informationen an AfD gegeben haben
Ein AfD-Politiker behauptet, vom Geheimdienst-Chef vorab Zahlen bekommen zu haben. Auch die Hinterbliebenen des Breitscheidplatz-Anschlags kritisieren Maaßen.
Laut Recherchen des ARD-Magazins "Kontraste" soll Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 bereits Wochen vor der Veröffentlichung an die AfD-Bundestagsfraktion weiter gegeben haben. Gegenüber "Kontraste" bestätigte der AfD-Politiker Stephan Brandner, dass Maaßen ihm bei einem persönlichen Treffen am 13. Juni 2018 Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht" genannt habe, der "noch nicht veröffentlicht" gewesen sei. "Wir haben uns da über verschiedene Zahlen unterhalten, die da drinstehen", so Brandner. Dabei sei es um die Zahl islamistischer Gefährder und den Haushalt des Verfassungsschutzes gegangen.
Der Termin lag etwa fünf Wochen vor der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts.
Maaßen hat die Vorhaltungen zurückweisen lassen. „Das ist selbstverständlich nicht der Fall“, teilte ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) am Donnerstag mit. Inhalt der auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministeriums geführten Gespräche mit Abgeordneten aller Bundestagsparteien sei regelmäßig die Information über die aktuelle Sicherheitslage etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus. Das Amt bestätigte gegenüber "Kontraste", dass Treffen von Maaßen mit Politikern auf "ausdrücklichen Wunsch des BMI" stattfinden würden.
Andere Bundestagsfraktionen bezeichnen Vorgehen als "üblich"
Einer Recherche von Zeit Online zufolge ist das Vorgehen der Sicherheitsbehörden nicht ungewöhnlich. Ein Unions-Innenpolitiker bezeichnete demzufolge Maaßens Vorgehen als "üblich und zulässig". Aus der SPD-Fraktion erfuhr die Zeitung dagegen, man habe noch nicht erlebt, dass Zahlen des Verfassungsschutzes vorab zur Kenntnis gegeben wurden. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz beklagte gegenüber Zeit Online die exklusive Behandlung der AfD-Fraktion. "Es passt ins Bild und scheint all die Befürchtungen zu bestätigen, dass der Präsident des Bundesamtes eine zu große Nähe zur AfD hat", so der Politiker.
Wenn das BMI Maaßen tatsächlich solche Gespräche erlaube, habe man tatsächlich einem Beamten "einen Freibrief für politisches Handeln erteilt, den man so nicht hätte erteilen dürfen", sagte der Staatsrechtler Professor Joachim Wieland gegenüber der ARD. Maaßens Vorgehen lasse Zweifel "an der gebotenen politischen Neutralität" des BfV-Präsidenten aufkommen. Gerade der BfV-Präsident müsse den "bloßen Anschein" vermeiden, er agiere politisch.
Kritik von den Hinterbliebenen des Breitscheidplatz-Anschlags
FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser forderte aufgrund dieser Recherche Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Handeln auf. Das "Bild der direkten Politikberatung der AfD" durch Maaßen konkretisiere sich mit den Kontraste-Recherchen.
Maaßen steht wegen verschiedener Dinge seit Wochen in der Kritik. Jetzt werfen ihm die Hinterbliebene des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz Falschaussage in Bezug auf die Aktivitäten seiner Behörde vor. In einem offenen Brief vom 11. September, den der „rbb“ veröffentlicht hat, kritisieren sie den Verfassungsschutzchef dafür, „den Bundestag und die Öffentlichkeit über die Aktivitäten seiner Behörde wissentlich falsch informiert“ zu haben. Ende August war bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz einen V-Mann in Amris Umfeld platziert hatte. Das sollte offenbar nicht öffentlich werden. Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hatte die die Bundesregierung im Januar 2017 erklärt, im Umfeld des Attentäters keine V-Leute eingesetzt zu haben. Die Verfasser des Briefs fordern Maaßen auf, „sich kurzfristig und umfänglich“ dazu zu erklären. „Für uns ist es unerträglich, wie sich die Aufklärung um den Terroranschlag hinzieht und sich über Jahre zu einem Drama entwickelt, dessen Ende nicht abzusehen ist.“
Nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz forderten Politiker der SPD, Linken, Grünen und FDP seinen Rücktritt oder alternativ seine Entlassung. Maaßen hatte die Echtheit eines Videos angezweifelt und später seine eigene Aussage relativiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach Maaßen jedoch am Donnerstag bei einer Bundestagsdebatte erneut sein Vertrauen aus und beließ ihn im Amt. (Tsp, mit dpa)