zum Hauptinhalt
 Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz: „Wir müssen als Politik auf die Höhe der Realitäten kommen, was wir derzeit nicht sind.“
© dpa
Update

Röttgen erklärt Kandidatur für CDU-Vorsitz: „Wir haben eine Mehrheit bei den über Sechzigjährigen. Sonst nirgendwo“

Norbert Röttgen begründet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz mit dem Blick auf eine schwierige Weltlage - und will Land und Partei Orientierung bieten.

Norbert Röttgen hat alle überrascht – und das Rennen um den CDU-Vorsitz spannender gemacht.

Mit seiner offiziellen Ankündigung, Parteichef werden zu wollen, ist der CDU-Außenpolitiker mitten in all die taktischen Gesprächsrunden der Merz', Laschets, Spahns geplatzt.

Zur Begründung seiner Kandidatur verweist der 54-Jährige jetzt in einem Interview auf das Unvermögen der deutschen Politik, den Problemen der Welt auf Augenhöhe zu begegnen: „Weltfinanzkrise, Euro-Krise, Flüchtlingskrise: Die Welt ist im Umbruch, und wir hinken im Reparaturmodus hinterher“, sagte Röttgen im „Morgenbriefing“ von Journalist Gabor Steingart. „Wir müssen als Politik auf die Höhe der Realitäten kommen, was wir derzeit nicht sind.“

In einem Interview mit der Wochenzeitung „Zeit“ macht Röttgen vor allem einen eklatanten Mangel an Orientierung aus. In der CDU, aber auch im Land gebe es ein Orientierungsvakuum. „Das ist auch der Kern der Krise der westlichen Demokratien. Sie ist mit tiefen Spaltungen und Polarisierungen verbunden. Und ganze Parteien sind schon verschwunden, weil sie mit alten Ritualen auf diese neue Situation geantwortet haben“, sagte Röttgen – eine subtile Warnung vor dem möglichen Absturz seiner CDU in die politische Bedeutungslosigkeit.

Auch seine Kandidatur begründet er mit einem Orientierungsbedürfnis in der Partei, das bisher nicht bedient werde: „Der Raum für meine Kandidatur ist das Bedürfnis der CDU-Mitglieder nach Orientierung.“ Seit dem Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer seien drei Bewerber im Rennen, aber es habe sich kein Konsens herausgebildet, dass mit einem der drei oder allen dreien die Lösung der personellen und inhaltlichen Probleme der CDU verbunden wird.“

Röttgen für Mitgliederbefragung zum CDU-Vorsitz

Nach einem etwa einstündigen Treffen mit der scheidenden Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer in Berlin, brachte Röttgen am Mittwoch erneut eine Mitgliederbefragung zum künftigen CDU-Vorsitz ins Gespräch. „Ich glaube, dieser Wunsch in der Partei wird immer stärker und hörbarer werden“, sagte er.

Röttgen fordert ein außenpolitisches Engagement der Bundesrepublik, das sich nicht in Deklarationen und Treueschwüren erschöpft – und eigene Interessen nachdrücklich zu formulieren weiß.

„Der Reden sind jetzt genug. Wir brauchen Taten in einem europäischen Format", sagte Röttgen im Gespräch mit Gabor Steingart und machte klar: „Wir müssen in der Welt unsere Interessen und unsere Werte vertreten.“ Ihm schwebe ein modernes Deutschland vor, das in der Lage sei, seine Identität zu bewahren.

Auch das Thema Sicherheit sieht er in einem europäischen Kontext - und geht auf Distanz zu Abschottungsideen der AfD. „Wir machen eine Politik, die den Einzelnen schützt, so gut das möglich ist (...) und wir setzen darauf, dass wir uns europäisch verbünden. Das ist die wahre Alternative.“

Wer wie die AfD die Illusion anbiete, man könne sich abschotten, verrate „in Wahrheit die Nation, weil der Staat so schutzlos wird für seine Bürger“. Hier sehe er Handlungsbedarf. Das Schutzversprechen des Staates seinen Bürgern gegenüber sei etwas, „an dem wir arbeiten müssen.“ Aber nicht mit den alten Methoden des Nationalstaates, sondern den neuen für die globale Welt, so Röttgen.

Um Deutschland zukunftsfest zu machen, setzt Röttgen auf drei Schwerpunkte.

Erstens will er Europa beschleunigen. „Wir brauchen eine Gruppe von Willigen und Fähigen, die bereit sind, einfach anzufangen und zu machen. Denn wir brauchen Ergebnisse.“

Röttgen scheint der Einzige der vier Kandidaten zu sein, der seine Kandidatur mit einer politischen Vision begründen kann. Man kann seine Ideen gut oder schlecht finden, aber immerhin hat er welche.

schreibt NutzerIn Gophi

„Klimaaußenpolitik müsste ein Markenzeichen der Union werden“

Zweitens will er die Technologieführerschaft zurückgewinnen: „Wenn die Arbeitnehmer nicht in zwei, drei, vier Jahren über die notwendigen digitalen Fähigkeiten für neue Jobs verfügen, werden wir sowohl volkswirtschaftlich wie individuell Misserfolg haben.“

Drittens begreife er Klimaschutz als Außenpolitik: „Wir brauchen Innovationen, die der Welt ein Beispiel geben, dass erfolgreiche Wirtschaft und ökologische Ressourcenschonung verbindbar sind. Klimaaußenpolitik müsste ein Markenzeichen der Union werden.“ Er habe in letzter Zeit von fast keinem CDU-Verantwortlichen gehört, dass es ohne ökologische Kompetenz keine Zukunftskompetenz geben kann, sagte Röttgen der "Zeit". „Das müssen wir aber, weil wir andernfalls eine ganze Generation verlieren. Wir haben derzeit die Mehrheit bei den über Sechzigjährigen. Sonst nirgendwo.“ Das zu benennen sei sein Verständnis von Führung. Weil damit auch klar werde: „Wenn wir es nicht tun, hat das Konsequenzen.“

Politik müsse nicht nur zum Mitmachen einladen, sondern sagen, wo sie etwas bewirken kann. „Das geht. Das ist möglich. Und das fehlt“, sagte Röttgen im „Morningbriefing“.

Zur Startseite