UN-Generalsekretär Jan Eliasson: "Wir brauchen Deutschland für globale Aufgaben"
Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson ist nach Deutschland gekommen, um die Deutschen davon zu überzeugen, dass sie mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müssen. Als Argumentationshilfe hat er ein Stück Berliner Mauer mitgebracht.
Jan Eliasson hat etwas ganz Besonderes mitgebracht nach Berlin. Er greift in seine Hosentasche und zieht ein kleines transparentes Kätschen heraus, in dem sich ein kleines Stück der Berliner Mauer befindet. „Das steht bei mir in New York auf dem Schreibtisch“, sagt der stellvertretende Generalsekretär der Vereinten Nationen bei seinem Treffen mit deutschen Journalisten. „Es erinnert mich immer daran, dass man Konflikte auch mit friedlichen Mitteln lösen kann“, fügt er hinzu. Eliasson hat in seiner langen Karriere als schwedischer Diplomat und Mitarbeiter der Vereinten Nationen nur zu oft erlebt, dass es auch anders laufen kann. In den 1980er Jahren versuchte er, im Krieg zwischen Iran und Irak zu vermitteln, später, als UN-Untersekretär für Humanitäre Angelegenheiten, sah er die Folgen der Bürgerkriege in Somalia, Sudan, Mosambik und auf dem Balkan.
Gerade kommt er von einer Nahostreise zurück, hat sich unter anderem ein Bild von der Lage im Irak gemacht. Darüber und über die vielen anderen Krisenherde weltweit führt er in Berlin nun unter anderem Gespräche im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt. Auf Einladung der „Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung“ hielt er am Dienstagabend außerdem eine Rede an der Berliner Humboldt Universität.
Eliassons Botschaft für seine Zuhörer in Deutschland ist klar: Deutschland soll sich mehr engagieren in der Welt, in Friedensmissionen und bei der Prävention von Konflikten. „Sie haben nicht nur eine nationale Identität, sondern auch eine regionale und eine globale“, sagt er an die Adresse der Deutschen. „Wir brauchen Deutschland für globale Aufgaben.“
In seiner Rede wurde er noch deutlicher. „Wir leben in Zeiten großer Turbulenzen und Herausforderungen“, sagte Eliasson an der Humboldt Universität. Dazu gehörten Krisen im Irak, in Syrien, in der Zentralafrikanischen Republik und Südsudan ebenso wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Staaten, die ungleiche Verteilung von Wohlstand und auch der steigende Ausstoß von Treibhausgasen. „Zu viele Staaten sind nicht in der Lage oder nicht bereit, die Grundrechte und Grundbedürfnisse ihrer Bürger zu erfüllen“, so seine Analyse. Auch eine „Brutalisierung“ von Konflikten hat er beobachtet.
„Das Datum des Mauerfalls in Berlin ist gerade erst zwei Tage vergangenen. Es erinnert uns daran, dass die Welt keine neuen Mauern zwischen Menschen und Staaten akzeptieren kann, egal ob im Nahen Osten oder in Europa.“ Deutschland sei durch seine geschichtlichen Erfahrungen dazu aufgerufen, an einer friedlichen Zukunft mitzuarbeiten. „Manchmal denken wir, der Fall der Mauer ist unumkehrbar, doch in der Ukraine-Krise sind die Geister des Kalten Krieges wieder aus dem Schatten hervorgetreten.“ Man müsse permanent an der Erhaltung des Friedens arbeiten.
Schon jetzt, so lobte der stellvertretende UN-Generalsekretär, bringe sich Deutschland in vielen Friedensmissionen ein. „Die Deutschen wissen um den Preis eines Krieges. Ihr Land ist aus der Asche des Zweiten Weltkrieges aufgestiegen zu einem globalen Akteur und respektierten Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Diese Transformation ist bemerkenswert und öffnet Perspektiven für eine noch größere internationale Rolle für Deutschland“.