Asyl-Reform: Willkommenskultur braucht Steuerung
Angela Merkel empfängt Flüchtlinge in Deutschland, Thomas de Maizière schlägt strengere Regeln vor. Die große Koalition verfolgt eine Doppelstrategie. Ein Kommentar.
Wer sich bisher nur über die Öffnungssignale der Kanzlerin und die „Help us, Merkel“-Schilder der Flüchtlinge gefreut hat, dürfte die Strategie der deutschen Regierungschefin und die ihrer Regierungspartner nicht verstanden haben.
Denn trotz aller Willkommenskultur will die Koalition in der Flüchtlingskrise nicht den Kontrollverlust riskieren und versucht zu trennen zwischen solchen Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit als Asylbewerber anerkannt werden, und jenen, die kaum Aussicht auf ein Bleiberecht haben.
Das ist die andere Seite der Humanitätsmedaille, die sich Deutschland gerade verdient. Beide gehören zusammen. Vor mehr als zwei Wochen hatten Union und SPD im Koalitionsausschuss deshalb sowohl die Beschleunigung der Asylverfahren verabredet als auch die Einstufung von drei weiteren Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer und die Beseitigung von Fehlanreizen, die Menschen nach Deutschland locken, die sich über Lebens- und Bleibechancen hier falsche Vorstellungen machen.
Nicht Menschenfeindlichkeit, sondern politische Vernunft
Die Reform der Asylgesetze, auf die sich Union und SPD nun verständigt haben, ist das Ergebnis dieser Doppelstrategie. Allerdings wurde die Vorlage von Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einigen Punkten entschärft, was zwar die SPD, aber kaum die Opposition oder Menschenrechtsverbände beruhigen dürfte.
Das gilt vor allem für de Maizières Plan, bestimmten Flüchtlingen nicht mehr den vollen Katalog nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren, sondern sie nur noch mit eine Fahrkarte und etwas Reiseproviant auszustatten. Wegen der Rechtsprechung Karlsruhes zu den Asylbewerberleistungen birgt das Risiken. Nun soll so knapp nur noch versorgt werden, wer zur Ausreise verpflichtet ist oder offiziell einem anderen EU-Staat zugewiesen wurde.
Wer vehement eine europäische Lastenteilung einfordert und auch eine Willkommenskultur nach deutschem Standard in anderen EU-Ländern, der braucht auch Instrumente zur Steuerung. Sonst funktioniert die Aufgabenteilung nicht, die die deutsche Politik herbeisehnt. Es ist deshalb nicht Menschenfeindlichkeit, die hinter dem Vorschlag steht, sondern politische Vernunft.