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Frank Wehnau und Horst Buckmann.
© Georg Moritz

25 Jahre Deutsche Einheit: Wiedersehen nach langer Reise

Sie haben miterlebt, wie die Bahn zusammenwuchs. Ihre Wege trennten sich – und vereinten sich wieder.

Gleise, die 15 Zentimeter zu tief gelegt wurden, Schienenstücke, die einen halben Meter aneinander vorbei ragten: Die deutsche Einigung führte den Vermessungsingenieur Horst Buckmann und Frank Wehnau vom Bahn-Datenmanagement in abenteuerliche Zeiten. Eine gewöhnungsbedürftige Erfahrung. Beide sind schließlich Fachleute, die beim Gleisausbau auf millimetergenaue Anschlüsse, Kurvenkrümmungen im Promillebereich und kleinstmögliche Fahrthindernisse achten.

Bei der Vereinigung der westdeutschen Bundesbahn mit der DDR-Staatsbahn, die im Osten seit Anfang der Weimarer Republik ihren Namen Reichsbahn behalten hatte, wurden quer durch Deutschland Partnerdirektionen zwischen Ost und West gebildet. Die neuen Kollegen sollten sich gegenseitig unterstützen, um die Zusammenführung beider Bahnsysteme zu erleichtern.

Hannover, die Heimat von Horst Buckmann, wurde die Partnerdirektion für Berlin. Dort lernten sich Horst Buckmann und Frank Wehnau kennen. Den gebürtigen Ost-Berliner, der noch beim Reichsbahnausbesserungswerk in Friedrichshain seine Schlosserausbildung gemacht hatte. Auf eben jenem RAW-Gelände, in dessen Hallen heute Partys gefeiert und Designmärkte veranstaltet werden.

Perspektiven in der Bahn waren ungewiss

„Teilweise gab es bei der Bahn mehr Bundesbahner als Berliner“, erinnert sich der 55-jährige Wehnau. Die Perspektiven in der Bahn waren ungewiss. Der Großteil der ostdeutschen Ingenieure und Vermesser war in die Privatwirtschaft gewechselt. „Alles war in der Schwebe“, sagt Wehnau, jeder sah zu, irgendwo unterzukommen. Deshalb wurden im „Mitarbeitertausch“ bis 1995 verstärkt Fachkräfte aus Karlsruhe, Essen, München und Stuttgart für befristete Einsätze nach Berlin geholt.

Die mathematischen Formeln, mit denen man Fahrdynamik berechnet, waren im Osten und Westen dieselben, sagt Horst Buckmann. Und auch die Arbeitsweisen ähnelten sich im Groben, wie die Gleise in fast ganz Europa: 1435 Millimeter Normalspur. Richtlinien mussten allerdings angepasst werden, etwa wie viele Promille ein Gleis gebogen sein darf.

Probleme wurden schnell gelöst

In der DDR waren es vier, in der BRD nur ein Millimeter. Die technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL), die die DDR eingeführt hatte, wurden umgestellt. Die westdeutschen Eisenbahner seien aber mit einer bescheidenen Haltung nach Berlin gekommen, sagt Buckmann. „Wir sind eine Eisenbahn“, so sei das Verständnis gewesen.

Kollegen spielten gemeinsam Volleyball, abends lud man sich häufig zu „Suppenpartys“ ein. Dann trafen sich zwanzig bis dreißig Bahner aus West und Ost in einer kleinen Wohnung. Horst Buckmann lebte zu dieser Zeit in der Allee der Kosmonauten mit einem anderen Eisenbahner in einer WG. Die, die Ost-Berlin noch nicht kannten, setzten sich nach Feierabend auch gerne in die S-Bahn und unternahmen Entdeckungstouren durch Stadt und Umland.

Probleme wurden schnell und unkompliziert gelöst, für einen Neuzugang bis 12 Uhr Mittag desselben Tages eine Dienstwohnung organisiert. Auch Frank Wehnau denkt gerne an seine Einsatzzeit bei der Bundesbahn in Hamburg zurück. Er habe sich nie als „Ossi“ behandelt gefühlt, sondern einfach als Eisenbahner.

Am Abend mit Kollegen beraten

Die Auftragsvergabe an die privaten Bauunternehmen, die Qualitätskontrolle der Leistungen – das war für sie alle die gemeinsame Herausforderung dieser Jahre. Buckmann war als Teamleiter froh, sich am Abend mit Kollegen beraten zu können. Wenn sich etwa herausstellte, dass ein Auftragnehmer die unter Eisenbahnern gängige Abkürzung S.O. für „Schienenoberkante“ mit der „Schwellenoberkante“ verwechselt hatte.

Ergebnis: Gleise am S-Bahnhof Charlottenburg lagen 15 Zentimeter zu tief. Oder wenn man erfuhr, dass ein beauftragtes Unternehmen für die ICE-Umfahrung in Spandau keine eigenen Vermessungen vorgenommen, sondern sich auf ungenaue Pläne mit teils unterschiedlichen Koordinatensystemen verlassen hatte. Fast einen halben Meter baute man den Schienenstrang aneinander vorbei.

Das Eisenbahner-Paar, das die Wende zusammengeführt hat, wurde durch die Konzernumstrukturierung bald wieder getrennt. Die Deutsche Bahn AG spaltete viele Dienstleistungen in Tochterunternehmen auf. Auch Buckmanns und Wehnaus Abteilungen wurden mehrfach umbenannt und umgesiedelt.

Ohne den Ordner mit ihren Personalunterlagen können die beiden die Wechsel heute kaum rekonstruieren. Ein neuerlicher Abteilungsumbau und Personalwechsel führte sie wieder zusammen: Seit 2013 arbeiten beide im Datenmanagement für den Regionalbereich Ost, im selben Gebäude am Ostkreuz. Die riesige S-Bahn- Baustelle liegt direkt hinter ihrem Büro. Das Zusammenwachsen der Bahnstrecken dauert bis heute an, sagt Frank Wehnau.

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