Tränengas und Gummigeschosse: Wieder Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten in Hongkong
Am Samstag geraten in Hongkong Demonstranten und Polizei aneinander. Nur einen Tag später gibt es wieder Proteste im Stadtzentrum.
Auf den Straßen Hongkongs ist es erneut zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Regierungsgegnern gekommen. Bereitschaftspolizisten feuerten am Sonntag Tränengas auf Demonstranten, die nach einem nicht genehmigten Protestmarsch an mehreren Stellen in der Stadt Barrikaden errichtet hatten. Trotz eines Verbots zogen erneut zehntausende Menschen friedlich durch das Zentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone.
Es war der zweite Tag in Folge mit gewaltsamen Auseinandersetzungen. Schon am Samstag waren nach Behördenangaben mehr als 20 Menschen bei Protesten verletzt und elf Demonstranten von der Polizei festgenommen worden.
In der Sonderverwaltungszone Hongkong kommt es seit Wochen immer wieder zu überwiegend friedlichen Protestmärschen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Auslöser für die Demonstrationen war ein umstrittener Gesetzentwurf zur Auslieferung beschuldigter Personen an China. Regierungschefin Carrie Lam hat das Gesetz mittlerweile zwar „für tot“ erklärt, allerdings ging sie nicht auf die Forderung der Demonstranten ein, den Gesetzentwurf formell zurückzuziehen.
Zu Zusammenstößen kam es am Sonntagabend (Ortszeit) in mehreren Teilen der Stadt. In der Nähe des Verbindungsbüros der chinesischen Führung feuerten Polizisten nach Warnungen Tränengas ab und setzte Gummigeschosse ein. Rund 200 Demonstranten hatten sich ihren Weg dorthin gebahnt, wo sie auf Einsatzkräfte der Elite-Truppe Raptor trafen. Über Lautsprecher rief die Polizei die Aktivisten zu einer Beendigung der „illegalen Versammlung“ auf, bevor sie schließlich hart durchgriff. Einige Demonstranten warfen Steine gegen die Einsatzkräfte. AFP-Journalisten beobachteten mehrere Festnahmen. Zwei verletzte Journalisten wurden medizinisch versorgt. Mindestens ein Demonstrant erlitt eine Kopfverletzung.
Das Verbindungsbüro war bereits in der Vorwoche zum Ziel wütender Protestler geworden, die es mit Eiern und schwarzer Farbe bewarfen. Der größere Teil der Demonstranten errichtete Absperrungen und besetzte Straßen in Causeway Bay, einer Einkaufsgegend im Herzen Hongkongs. Die Polizei hatte lediglich eine Kundgebung in einem Park genehmigt, den von den Veranstaltern beantragten Demonstrationszug jedoch verboten.
„Nieder mit dem bösen Gesetz“ und „Hongkong, gib Gas!“, riefen Tausende auf ihrem Weg durch die Stadt. Die frühere britische Kronkolonie Hongkong wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert.
Protestbewegung kritisiert Vorgehen der Polizei
Die Proteste richten sich auch gegen die Polizei, der vorgeworfen wird, bei den Demonstrationen in diesem Sommer zu hart vorgegangen zu sein. Ein Ende der Proteste ist nicht absehbar. Auch für die nächsten Wochen sind Demonstrationen geplant.
Bereits am Samstag war es zwischen Regierungskritikern und der Polizei im Hongkonger Außenbezirk Yuen Long zu Zusammenstößen gekommen. Die Beamten setzten Tränengas, Schlagstöcke, Gummigeschosse und Pfefferspray ein, nachdem Zehntausende Menschen trotz eines Verbots zunächst friedlich durch den Stadtteil gezogen waren. Die Lage eskalierte, als Bereitschaftspolizisten am Abend den Bahnhof von Yuen Long gewaltsam räumten.
Die Demonstranten hatten Yuen Long für ihren Marsch gewählt, weil am Bahnhof des abgelegenen Bezirks vergangenes Wochenende Regierungskritiker von Schlägern in weißen T-Shirts mit Eisenstangen und Stöcken angegriffen worden waren.
Die Protestbewegung kritisierte das Vorgehen der Polizei. „Was ist der Unterschied zwischen Pro-Peking-Banden und Polizisten?“, fragte der bekannte Hongkonger Aktivist Joshua Wong auf Twitter. Sowohl die Polizei als auch die Banden hätten nun innerhalb einer Woche am Bahnhof von Yuen Long unschuldige Bürger attackiert.
Die pro-demokratische Abgeordnete im Hongkonger Parlament Claudia Mo sprach angesichts der wiederholten Eskalation der Proteste von einem „Teufelskreis“. Friedliche, von der Regierung jedoch ignorierte Massendemonstrationen endeten immer häufiger mit Konfrontationen zwischen der Polizei und kleinen Gruppen an gewaltbereiten Demonstranten. „Es findet Gewalt auf beiden Seiten statt, allerdings mit einem großen Ungleichgewicht, weil die Polizei tödliche Waffen besitzt“, sagte Mo der Nachrichtenagentur AFP.
Chinas Garantien sollen 50 Jahre gelten
Die Regierung in Peking hat die Proteste in den vergangenen Wochen in zunehmend scharfem Ton verurteilt. Das chinesische Büro für die Beziehungen zu Hongkong und Macao in Peking kündigte für Montag eine Pressekonferenz an.
China hatte Großbritannien bei der Übergabe Hongkongs im Jahr 1997 zugesichert, dass in der ehemals britischen Kolonie Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft der Regierung vor, die Regelung „Ein Land, zwei Systeme“ zunehmend zu unterlaufen. (dpa, AFP)