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Peer Steinbrück steht wegen seiner Nebeneinkünfte in der Kritik.
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SPD-Kanzlerkandidat: Wie viel hat Peer Steinbrück dazuverdient?

Peer Steinbrück steht wegen seiner Nebeneinkünfte in der Kritik. Bei der Haushaltsdebatte des Bundestags im Januar 2010 fehlte er - trat aber am gleichen Tag bei einer "exklusiven Abendveranstaltung" auf. Ist er seinen Pflichten als Abgeordneter nachgekommen?

Nebentätigkeiten von Politkern. Wie viel darf ein Abgeordneter dazuverdienen?

Der designierte SPD–Kanzlerkandidat ist ein Mann der Worte. Als Bundestagsabgeordneter hielt er so viele Reden wie kein anderer – allerdings nicht vor bezahlten Volksvertretern, sondern vor zahlenden Gästen.

Wie viel verdiente Peer Steinbrück mit seinen Reden?

Rund 80 Reden hat Peer Steinbrück seit Beginn der Legislaturperiode 2009 gehalten. Für fast alle wurden ihm jeweils mehr als 7000 Euro Honorar überwiesen. Macht insgesamt mindestens 609 000 Euro, die er neben seinem regulären Abgeordnetensold von etwa 10 000 Euro monatlich verdient hat. Eine genaue Angabe ist nicht möglich. Zwar sind Parlamentarier verpflichtet, ihre Einkünfte offenzulegen, wenn sie mehr als 1000 Euro pro Monat oder 10 000 Euro pro Jahr betragen. Doch konkret angegeben werden müssen die Einkünfte nicht, es reicht, sie in eine von drei Pauschalstufen einzuordnen. Die höchste gilt bisher für Einkommen ab 7000 Euro – nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Ein Vortrag des ehemaligen Finanzministers kann laut Medienberichten bis zu 20 000 Euro kosten.

Die Agentur „Celebrity Speakers“, die im März 2011 im Düsseldorfer Wirtschaftsclub einen „exklusiven Vortrags-Abend“ für „hochrangige Gäste“ mit Steinbrück ausgerichtet hat, erteilt auf Nachfrage keine Auskunft. „Wir lesen uns ungern in der Presse, weil wir in einem sehr sensiblen Bereich arbeiten“, lässt Sprecherin Annette Gerling wissen. Roland Vestring vom „The London Speaker Bureau“, das neben Steinbrück auch Joschka Fischer, Hans-Dietrich Genscher und Richard von Weizsäcker vermarktet, lässt sich zwar nicht in seine Honorarlisten blicken. Aber er bestätigt, dass ein Betrag von 15 000 bis 20 000 Euro für einen hochkarätigen Redner durchaus realistisch sei. „In der Euro-Krise sind Experten mit Fachwissen und einem Gesamtüberblick besonders gefragt“, sagt er. Klare Kante und klare Aussagen: Mit dieser Kombination komme man auf dem Markt gut an. Diese Beschreibung trifft auf Peer Steinbrück zu – freilich ohne dass Vestring dessen Namen nennt.

Welche anderen Nebeneinkünfte hat der designierte SPD-Kanzlerkandidat?

Die Liste von Steinbrücks bezahlten Nebeneinkünften wird noch länger durch die Veröffentlichung zweier Bücher und durch seine beiden Tätigkeiten im Aufsichtsrat der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA sowie der ThyssenKrupp AG. Für Letztere soll er nach Recherchen des Online-Portals „abgeordnetenwatch.de“ zwischen 130 000 und 230 000 Euro jährlich erhalten. Mit einem Garantiehonorar von geschätzten 250 000 Euro pro Buch hat Steinbrück demnach seit 2009 etwa eine Million Euro verdient. Sein Aufsichtsratsmandat bei ThyssenKrupp will Steinbrück nach eigenen Aussagen zukünftig niederlegen.

Welche Folgen hat die Diskussion um Steinbrück?

Peer Steinbrück steht wegen seiner Nebeneinkünfte in der Kritik.
Peer Steinbrück steht wegen seiner Nebeneinkünfte in der Kritik.
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Kommt Steinbrück trotzdem seinen Pflichten nach?

Steinbrück fehlte bis April 2012 bei 17 von 62 Abstimmungen. Bei der Haushaltsdebatte im Januar 2010 weist ihn das Plenarprotokoll als entschuldigt – also fehlend – aus. Am gleichen Tag trat er als „fachkundiger Gastredner“ bei einer „exklusiven Abendveranstaltung“ in Bielefeld auf. Im April 2010 hielt Steinbrück in Mannheim beim Finanzforum für die Wirtschaft ein Gastreferat über die „Finanzkrise 2.0“, als der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in Berlin eine Regierungserklärung abgab und das Parlament anschließend über Wachstum, Arbeitsplätze und Mindestlöhne diskutierte. Für beide Tage erhielt Steinbrück zwar kein Sitzungsgeld – stattdessen aber mindestens jeweils 7000 Euro Honorar.

„Das Problem bei den Nebentätigkeiten Steinbrücks ist, dass seine Abgeordnetentätigkeit nicht mehr im Mittelpunkt steht. Er kann sich nicht mehr in vollem Umfang seinem Mandat widmen“, sagt Martin Reyher von „abgeordnetenwatch.de“ dem Tagesspiegel. Auffallend sei: Steinbrück habe sich 2012 zu einer Art Vorzeige-Abgeordneten entwickelt. Anwesenheit bei allen wichtigen Abstimmungen, deutliche Reduzierung seiner bezahlten Vorträge von mehr als 40 im Jahr 2010 auf knapp 30 im Jahr 2011 und keine zehn im laufenden Jahr. „Man könnte vermuten, dass sich Steinbrück durch die Wahlperiode geschleppt hat, um seine Chancen auf eine Kanzlerkandidaten-Kür zu wahren“, interpretiert Reyher die Zahlen. Steinbrück hingegen begründete in einer Antwort auf eine Tagesspiegel-Anfrage die Reduzierung seiner Vorträge mit „zeitaufwendigen Aufträgen der Bundestagsfraktion der SPD und terminlichen Kollisionen mit anderen Verpflichtungen“.

Hat die Diskussion um Steinbrück Folgen für die gesetzlichen Vorschriften?

Möglicherweise ja. Seit längerem herrscht Unzufriedenheit über die derzeitige dreistufige Veröffentlichungsregel. SPD und Grüne machen sich für eine Verschärfung stark. Bei Union und FDP gab es bis vor kurzem noch Vorbehalte. Jetzt heißt es, man sei auf einem guten Weg, sich zu einigen. Eine komplette Offenlegung ist zwar nicht im Gespräch, aber es soll mehr Stufen als bisher geben – insbesondere nach oben. Eine Staffelung könnte in sieben Schritten erfolgen: 3000, 7000, 10 000, 25 000, 50 000, 75 000 und 100 000 Euro.

Diese Einteilung gilt als Favorit, eine Einigung darauf gibt es aber noch nicht. Schon vor einigen Monaten gab es einen Anlauf, ein solches Stufenmodell aufzustellen. Da war sogar noch von 150 000 Euro als Obergrenze die Rede. Doch es gab keine Einigung. Nun heißt es, dass sich die Koalitionsvertreter zusammengesetzt hätten und man einer Lösung nahe sei. Verhandelt wird das Ganze in der Rechtsstellungskommission des Ältestenrates im Bundestag. Das Gremium kann zwar nur Empfehlungen abgeben, aber diese werden im Allgemeinen auch angenommen und in Gesetzesform gegossen.

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