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„Amerika ist zurück“: US-Präsident Joe Biden am Donnerstag im State Department.
© SAUL LOEB/AFP

Vereint gegen China und Russland: Wie US-Präsident Biden autoritäre Staaten zurückdrängen will

In seiner ersten außenpolitische Rede begründete Biden geschickt, warum die USA wieder eine internationale Führungsrolle übernehmen sollen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Gleich zu Beginn hat Joe Biden selbst den Hinweis gegeben: „Es ist gut, zurück im State Department zu sein.“ Für ihn ist die gewaltige Themen-Bandbreite der amerikanischen Außenpolitik kein Neuland, der Politikveteran bearbeitet sie seit Jahrzehnten unablässig: als Senator, als Vizepräsident und zuletzt als wahlkämpfender Präsidentschaftskandidat. Bahnbrechend Neues war von ihm in seiner ersten außenpolitischen Rede als US-Präsident daher auch nicht zu erwarten.

Und dennoch: Die Welt will hören, was der Staatschef der wohl immer noch mächtigsten Nation ihr zu sagen hat. Biden enttäuschte nicht: Zurück sei auch Amerika, sagte er selbstbewusst, und zurück sei die Diplomatie, die wieder eine bedeutende Rolle in der Außenpolitik spielen werde.

Trotz Zweifel am derzeitigen Zustand der amerikanischen Demokratie, die nur mit Mühe den Attacken des populistischen Wahlverlierers Donald Trump widerstanden und immer noch mit seinem Erbe zu kämpfen hat, melden sich die Vereinigten Staaten auf der Weltbühne zurück. Denn: Amerika könne es sich nicht länger leisten, ihr fernzubleiben, erklärte der Präsident.

Gemeinsam mit anderen statt „America first“

Es sei zwingend, dass sich die USA wieder ihre Führungsrolle verdienten, sowie „Glaubwürdigkeit und moralische Autorität“ zurückgewännen. Kein ganz leichtes Unterfangen: nach vier erratischen Jahren und wenn man bedenkt, dass vor nur einem Monat ein wütender Mob den friedlichen Machtwechsel verhindern wollte, das Fundament der Demokratie.

Dabei verstand es Biden in seiner Rede durchaus, die offenbar gewordenen Schwächen seines eigenen Landes für seine Mission einzuspannen. Niemals dürfe akzeptiert werden, dass Kräfte in einem Land versuchten, ein legitimes Wahlergebnis zu übergehen. Gesagt hat er dies mit Blick auf den Putsch in Myanmar, aber klar war, dass er damit auch Amerika meinte, das diesen Versuch gerade noch abwehren konnte.

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Weil die Amerikaner dies geschafft hätten, könnten sie nun erst recht für demokratische Werte auch anderswo eintreten, so die Argumentation, über die sich bestimmt streiten lässt. Aber Biden betonte auch, dass dies am besten zusammen mit den Partnern gelingen könne, die dieselben Werte teilen. „America first“ soll der Vergangenheit angehören. Stattdessen soll Amerika andere anführen.

Amerikanische Stärke - um China in Schach zu halten

Dass dies keine rein selbstlose Strategie ist, wurde in Bidens Rede indes auch deutlich. Wenn Amerika seine Allianzen repariere und in der Welt wieder Einfluss nähme, gehe es nicht um die Vergangenheit. Sondern um die Herausforderungen der Zukunft.

Eine der derzeit größten Herausforderung stellt demnach der sich ausbreitende Autoritarismus dar - auch wenn er in den USA gerade abgewählt wurde. In China und Russland werde er immer stärker, so Biden, und beide Länder könnten dabei den Vereinigten Staaten schwer schaden. China mit seinem Bestreben, Amerika als globale Führungsmacht abzulösen, und Russland, weil es die amerikanische Demokratie zerstören wolle.

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So wird aus oft gehörten Bekenntnissen zu internationaler Zusammenarbeit unter amerikanischer Führung, die bei vielen, durch zermürbende Kriege müde gewordenen Amerikanern nicht mehr ankommen, auf einmal eine handfeste Strategie für die nächsten Jahrzehnte.

Der Anspruch ist formuliert

Dass China ein gefährlicher Rivale ist, dessen skrupelloser Wachstumsstrategie man besser mit vereinten Kräften entgegen tritt, und dass Russland Interesse an einer Schwächung des alten Gegners hat: Das alles lässt sich vergleichsweise leicht vermitteln.

Auch anderen Herausforderungen wie der Corona-Pandemie und den Gefahren durch den Klimawandel könne Amerika besser zusammen mit anderen Nationen begegnen, machte Biden klar. Eine Erkenntnis, die banal klingt, aber nach vier Jahren Trump offenbar doch neu betont werden muss.

Nein, es waren keine revolutionären Neuigkeiten, die Biden am Donnerstag verkündete. Aber es waren die Grundzüge einer außenpolitischen Doktrin. Ob sich Amerika unter ihm den Titel „Anführer der freien Welt“ wieder erarbeiten kann, wird die Zukunft zeigen. Der Anspruch zumindest ist da.

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