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Sauber und teuer. Ein solches Modell kann sich nicht jeder leisten – für den langjährigen Autolobbyist Matthias Wissmann dürfte das kein Problem sein.
© Arne Dedert/picture-alliance/ dpa

CO2-Abgabe, Flugpreise, Parkgebühren: Wie unsozial ist die Klimapolitik?

Wer Ungleiche gleich behandelt, verschärft die Ungleichheit. Das ist das zentrale Problem einer Klimapolitik, die auf Lenkungswirkungen setzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Da ist der Millionär. Er hat sein Haus mit viel Geld energetisch saniert. Er fährt einen „Tesla Model S Facelift“, den er für knapp 100.000 Euro gekauft hat. Eine CO2-Bepreisung betrifft ihn nicht. Andere klimapolitische Maßnahmen, die eine so genannte Lenkungswirkung erzielen sollen - wie eine Erhöhung der Flugticketpreise, höhere Parkgebühren in der Innenstadt oder eine City-Maut, zahlt er aus der Portokasse.

Weil er reich ist, muss er auf nichts verzichten. Er kann ökologisch sauber leben, weil er das Geld dafür hat. Und er kann, etwa als Vielflieger, die Umwelt verpesten, ohne dass ihn die dadurch verursachten Kosten belasten würden.

Da ist der Fliesenleger. Er wohnt, wegen der hohen Mieten, außerhalb der Stadt, hat in deren Zentrum aber die meisten Aufträge. Also pendelt er mit seinem Lieferwagen, einem älteren Diesel-Fahrzeug. Er ist auf das Auto angewiesen, ein neues kann er sich nicht leisten, Carsharing kommt für ihn nicht in Frage. Eine Erhöhung der Parkgebühren trifft ihn ebenso hart wie eine Erhöhung der Flugbenzinsteuer. Seinen zweiwöchigen Urlaub im Jahr verbringt er mit seiner Familie traditionell auf Mallorca.

Wie sozial ist die Klimapolitik? Viele Menschen brauchen das Auto - Pendler, Senioren, Handwerker, Lieferanten, Paketzusteller. Weil eine CO2-Abgabe, ob beim Tanken, Fliegen oder Heizen, klimaschädliches Verhalten bestraft, müssen diese Menschen künftig tiefer in die Tasche greifen. Weil sie weniger haben als andere, trifft es sie härter. Trotzdem will die SPD-Spitze die CO2-Bepreisung noch erhöhen. Denkt sie dabei wirklich an ihre Klientel?

Eine CO2-Steuer ist eine Lenkungssteuer. Sie soll in erster Linie nicht Einnahmen generieren, sondern Verhaltensänderungen bewirken. Das heißt dann Lenkungswirkung. Gleicht man die Lenkungswirkung durch Entlastungen aus, entfällt ihr Sinn. Eine Abgabe, die nicht wehtut, verändert kein Konsumverhalten. Eine CO2-Abgabe soll wehtun. Das ist ihr Ziel. Der Schmerz darüber soll beim Verbraucher den Willen produzieren, sich klimafreundlich zu verhalten. Aber die Intensität des Schmerzes ist sozial ungleich verteilt. Der Arme leidet mehr als der Reiche.

Eine CO2-Steuer soll wehtun, das ist ihr Ziel

So ist das nun mal, sagen Klimaschützer und verbitten sich sozialpolitische Belehrungen. Plötzlich würden Konservative und Liberale ihr Herz für die kleinen Leute entdecken, heißt es höhnisch. Warnungen vor sozialem Unfrieden und einer deutschen Variante der „Gelbwesten“ seien übertrieben. Aber wird etwas Richtiges nur deshalb schon falsch, weil es die vermeintlich Falschen sagen?

Die Linken wiederum, die jetzt die Forderung plakatieren „Unsoziale Klimapolitik stoppen“, haben ein anderes Glaubwürdigkeitsproblem. Zum einen bieten sie keine Alternative an, zum anderen verschweigen sie, dass der real existierende Sozialismus als Wirtschaftsform noch weniger überzeugt hat als die freie Marktwirtschaft. Kurz bevor die Mauer fiel, lag die DDR beim Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen noch vor den USA und fast die Hälfte ihrer größeren Flüsse war biologisch tot. Man denke nur an Bitterfeld.

Die Grünen sollten verdammt aufpassen

Auf einer Karikatur sind die Bremer Stadtmusikanten zu sehen: Esel, Hund, Katze, Hahn. Sie stehen vor einem Baum. Die Lehrerin daneben sagt: „Aus Gleichheitsgründen werdet ihr alle nach demselben Maßstab bewertet. Die Aufgabe heißt: Klettert auf diesen Baum!“ Das Beispiel illustriert: Wer Ungleiche gleich behandelt, verschärft oft die Ungleichheit. Das ist das zentrale Problem einer Klimapolitik, die stark auf Lenkungswirkungen setzt.

Daher sollten die Grünen verdammt aufpassen. Längst kommen ihre Anhänger nicht mehr vorrangig aus der links-alternativen Ecke, sondern aus dem gut situierten Bürgertum. Teure Bioprodukte, Kerosinaufschläge, Benzinpreiserhöhungen, höhere Parkgebühren, höhere Strompreise – das alles verkraften sie auch ohne sozialen Ausgleich. Forsa-Chef Manfred Güllner zufolge ist das Haushaltseinkommen der Grünen-Wähler höher als das der Wähler anderer Parteien.

Für den Klimaschutz muss das Herz brennen. Es darf aber nicht kalt sein gegenüber den Armen, die am Ende womöglich die Zeche dafür zahlen. Diese Zeche mag in absoluten Zahlen nicht sehr hoch sein, doch ihre Bemessensgrundlage ist die klimapolitisch verlangte Mehrausgabe im Verhältnis zum Einkommen und Vermögen. Wenn es nicht gelingt, diesen Faktor zu berücksichtigen, könnte die Gesellschaft durch den Kampf gegen die Erderwärmung schneller gespalten werden als durch die Flüchtlingshilfe.

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