Gesetzesentwurf im Mai: Wie Sozialminister Heil die Grundrente durchsetzen will
Im Mai will Hubertus Heil seinen Gesetzentwurf für die Grundrente vorlegen. Eine Bedürftigkeitsprüfung hält er nicht für notwendig.
Bei seinem neuen Lieblingsprojekt macht Hubertus Heil Tempo: Noch im Mai will der Sozialminister einen Gesetzentwurf für eine Grundrente vorlegen. Und auch mit Blick auf die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner gibt der SPD-Mann sich kampfeslustig: „Ich werde die Grundrente durchsetzen“, verspricht Heil vollmundig. Er wolle eine Grundrente, „die den Namen auch verdient“.
Mit der Grundrente haben die Sozialdemokraten ein Thema gefunden, mit dem sie in der Bevölkerung punkten wollen, nicht zuletzt in Ostdeutschland, wo im Herbst drei Landtage neu gewählt werden. Die Idee: Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, sollen im Alter nicht in die Grundsicherung auf Sozialhilfeniveau fallen – auch dann nicht, wenn sie im Arbeitsleben ein niedriges Einkommen hatten. Mit der Grundrente solle etwas gegen Altersarmut in Deutschland getan werden, heißt es im Koalitionsvertrag von SPD und Union. Gleichzeitig solle die Lebensleistung von Menschen „honoriert“ werden.
Aus der Union droht Gegenwind
Doch seit Heil seine ersten Ideen für das neue Rentenprojekt vorgestellt hat, weiß er auch, welcher Gegenwind ihm aus der Union droht. Im Grundsatz sind sich die Koalitionspartner zwar einig, dass jemand, der 35 Jahre gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, im Alter mehr Geld zur Verfügung haben soll als die Grundsicherung. Doch strittig wird es schon bei der Frage, wer ab dem Jahr 2021 tatsächlich von der neuen Grundrente profitieren soll.
"Respekt für die Lebensleistung"
Heil schlägt vor, dass die Rentenversicherung die erworbenen Rentenpunkte bei Geringverdienern automatisch höher bewerten soll. Automatisch – das hieße auch ohne Bedürftigkeitsprüfung, wie sie eigentlich im Koalitionsvertrag verabredet war. Wer auf die erforderlichen Beitragsjahre käme, aber trotzdem nur eine kleine Rente hat, würde die neue Grundrente erhalten, ohne dass er seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen muss, wie das bisher bei der Grundsicherung der Fall ist. Es gehe „um Respekt für die Lebensleistung der Menschen, die sich eine ordentliche Rente verdient haben“, sagt Heil. Eine Bedürftigkeitsprüfung sei „nicht notwendig“.
Die Union sieht das anders. Auch FDP-Chef Lindner lästerte, bei Heils Plänen könnten auch Niedriglöhner mit einem Millionenerbe profitieren. Andere Kritiker wenden ein, die Zahnarztgattin, die in der Praxis ihrer Mannes aushelfe, erhalte Grundrente, obwohl sie es finanziell nicht nötig habe. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Katja Mast sieht das anders. "Wir wollen eigene Rentenbeiträge honorieren, da machen wir keinen Unterschied", sagt die Sozialpolitikerin. "Außerdem fließt in dem Fall durch die gemeinsame steuerliche Veranlagung ein erheblicher Teil des Geldes an die Solidargemeinschaft zurück", sagt sie.
Unterstützung erhält Heil auch aus den Gewerkschaften. Eine Bedürftigkeitsprüfung werde oft als beschämend empfunden, sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Studien belegten, dass zwei von drei Rentnern, die Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, diese nicht beantragten. Außerdem werde die Prüfung der Bedürftigkeit auch den realen Verhältnissen nicht gerecht, sagt Buntenbach. Besonders von Altersarmut betroffen seien diejenigen, die zum Niedriglohn arbeiten müssten, das seien ganz überwiegend Frauen.
Das Beispiel der Zahnarztgattin hält die Gewerkschafterin für „konstruiert“ und für ein „vorgeschobenes Argument“. Es gehe „um Millionen von Pflegekräften, Erzieherinnen, Friseurinnen, Kellnern oder Paketzustellern“, sagt Buntenbach: „Sie haben Respekt und ein würdiges Leben im Alter verdient.“
Aber auch Ökonomen loben Heils Ansatz, auf eine Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten. Der Mannheimer VWL-Professor Tom Krebs hält die Pläne grundsätzlich für „gerecht“ und „effizient“, auch im Fall der oft genannten Zahnarztgattin. Für das Selbstwertgefühl einer erwerbstätigen Person in einem marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem sei eben nicht nur das Haushaltseinkommen und der entsprechende Konsum entscheidend, sondern auch das eigene Erwerbseinkommen und die Rentenzahlungen für erbrachte Leistungen.
Vor allem Frauen würden von der Grundrente profitieren
Sollte Sozialminister Heil sich mit seinen Plänen in der Koalition tatsächlich durchsetzen, würden bei der Einführung rund drei bis vier Millionen Menschen die Grundrente erhalten. Rund Dreiviertel der Betroffenen wären laut Schätzungen Frauen, etwa ein Drittel Ostdeutsche. Eine Friseurin, die 40 Jahre lang auf dem Niveau des Mindestlohns gearbeitet habe, käme laut ersten Berechnungen mit Grundrente auf eine monatliche Rente von gut 960 statt bisher 512 Euro.
Bei den Kosten für die Grundrente hält das Ministerium sich noch bedeckt. Heil spricht von einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag. Wie hoch die Ausgaben am Ende ausfallen würden, hängt von vielen Details ab - etwa der Frage, in welchem Umfang Kindererziehungs- oder Pflegezeiten anerkannt werden. Noch offen ist auch, ob Zeiten der Arbeitslosigkeit in einem gewissen Umfang berücksichtigt werden, wie es etwa der DGB fordert. Sozialexperten schätzen die Kosten auf vier bis sechs Milliarden Euro jährlich. Damit läge die Grundrente immer noch unter der Summe von 7,5 Milliarden Euro jährlich, die für die Aufstockung der Kindererziehungszeiten („Mütterrente“) gezahlt werden.